Die Taten der Toten

  • Kiepenheuer&Witsch
  • Erschienen: Juni 2020
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Thomas Gisbertz
88°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2020

Starke Verbindung von Realität und Fiktion

28. Februar 1986: An einem schneidend kalten Winterabend wird Ministerpräsident Olof Palme in der Stockholmer Innenstadt erschossen. Der ungeklärte Mord am Regierungschef wird zum größten Kriminalfall der schwedischen Geschichte und ein Trauma von nationalem Ausmaß. Mehr als dreißig Jahre später stoßen die beiden ungleichen Kommissarinnen Stina Forss und Ingrid Nyström auf eine vielversprechende Spur und beginnen zu ermitteln.

Bald wird deutlich, dass ihre Nachforschungen dunkle Mächte wecken, die das Aufdecken der Tathintergründe um jeden Preis verhindern wollen. Das bedingungslose Ringen um die Wahrheit entwickelt sich zu einem gnadenlosen Kampf um Leben und Tod, der die beiden Frauen bis an ihre äußersten Grenzen führt: psychisch, physisch, moralisch – und darüber hinaus.

Geheime Ermittlungen

Nachdem Stina Forss im letzten Band „Schneewittchensarg“ nur knapp einem Mordanschlag entgangen ist, taucht sie zunächst einmal unter. Dabei täuscht sie einen Selbstmord vor, während sie gleichzeitig versucht, endlich Licht in die dunkle Vergangenheit ihres Vaters zu bringen. Währenddessen trommelt Hauptkommissarin Ingrid Nyström ihr Team zusammen und bitte es, verdeckt und ohne offizielle Genehmigung zu ermitteln. Dabei geht es um nichts Geringeres als den größten Mordfall der schwedischen Geschichte: Der Mord am einstigen Ministerpräsidenten Olof Palme 1986.

Dass Forss und Nyström eine ganz konkrete Spur verfolgen, verraten sie dem Ermittlerteam zunächst nicht. In den letzten Monaten hat sich nämlich bei der Deutsch-Schwedin Stina Forss ein Verdacht erhärtet: Der bis heute unbekannte Täter könnte ihr Vater sein. Während die Kommissarin in Estland untertaucht, wird erneut ein Anschlag auf sie verübt. Scheinbar will man verhindern, dass der wahre Täter von damals gefunden wird.

Deutsch-schwedisches Erfolgsduo

Den SPIEGEL-Bestseller-Autoren Kerstin S. Danielsson und Roman Voosen gelingt mit dem achten Band ihrer beeindruckenden Schwedenkrimireihe erneut ein rasanter Thriller, der sorgfältig recherchiert und raffiniert konstruiert ist. Dass der neueste Band am 10. Juni 2020 veröffentlicht wurde, ist kein Zufall. Die schwedischen Ermittler haben an diesem Tag, mehr als 34 Jahre nach der Tat, die Untersuchungen im Fall „Palme“ eingestellt, da mit Stig Engström, dem sogenannten „Skandia-Mann“, der mutmaßliche Mörder des schwedischen Ministerpräsidenten Olof Palme identifiziert werden konnte.

Da dieser aber schon lange tot ist, wird keine Anklage mehr erhoben. Voosen / Danielsson gelingt es, die damaligen realen Geschehnisse geschickt in ihre Reihe um die Kommissarin Stina Forss einzubauen, sodass Fiktion und Realität gekonnt miteinander verschmelzen. Die Lösung der Autoren geht aber in eine andere Richtung, was auch gut ist. Schließlich handelt es sich um einen Roman und kein Sachbuch. Letztendlich gewinnt der achte Band der Reihe dadurch nur an Spannung und Brisanz.

Beindruckende Recherchearbeit

Es ist immer ein Wagnis, wenn Autoren sich an historischen Ereignissen orientieren und versuchen, diese möglichst genau wiederzugeben. Die tatsächlichen Ermittlungsakten im Fall Palme umfassen nicht weniger als 320 Regalmeter. Den Autoren gelingt es aber nach vielen Jahren der Recherche in beachtenswerter Weise, diese Fülle an Material für den Leser verständlich und nachvollziehbar darzustellen. Der besondere Clou dabei ist, dass jedes der Teammitglieder - Nyström, Delgado, Hultin und Knutsson - einen anderen Ansatz im Rahmen ihrer Ermittlungen verfolgt, sodass sich ein klares Bild ergibt, in welche Richtungen nach der Ermordung Palmes ermittelt wurde.

Besser kann man über die Hintergründe und Polizeiarbeit im Zusammenhang mit der Tat nicht informiert werden. Allerdings - und das ist untypisch für die Forss-Nyström-Reihe - sind die ersten rund 200 Seiten des Romans eher tempoarm. Es fehlt zunächst etwas an Dynamik. Alleine die Handlung um den vermeintlichen Suizid von Stina Forss und der Anschlag auf sie bietet etwas Dramatik. Leider ist aber auch sie zunächst überwiegend damit beschäftigt, die Unterlagen ihres Vaters zu sichten. Spannend ist der Thriller dennoch von Anfang an.

Auflösung eines Rätsels

Seit Beginn der Reihe um die deutsch-schwedische Ermittlerin Stina Forss ergibt sich für den Leser das Rätsel um die mysteriöse Vergangenheit ihres gehassten und mittlerweile verstorbenen Vaters Kjell. Nun wird das Geheimnis endlich gelüftet, auch wenn weiterhin nicht alle Rätsel um ihn in Gänze aufgedeckt werden. Voosen / Danielsson verstehen es immer wieder, geschickt den nächsten Cliffhanger einzubauen.

Der Fall stellt insofern eine Besonderheit dar, da es diesmal keinen aktuellen Fall zu behandeln gilt, sondern sich alles um Stina Forss und ihren Vater dreht. Es ist darüber hinaus der detaillierten, aber immer kurzweiligen Erzählweise des Autorenduos zu verdanken, dass die Spannung bis zum Schluss gehalten werden kann. Insgesamt stehen die Fälle des schwedischen Ermittlerteams für eine flüssige, klare Sprache, die gleichzeitig für eine fast greifbare Stimmung innerhalb der Romane sorgt.

Fazit: 

Politisch brisante Themen, schwedisch-düstere Atmosphäre und klug durchdachte Handlungen - dafür stehen Voosen/Danielsson. Und dennoch haben sie ihren ganz eigenen Sound, der sie aus der Masse der skandinavischen Kriminalautoren heraushebt. Des Weiteren zeichnen sich die Autoren durch ihre exzellente Recherche und ihre guten Figurendarstellung aus. Man darf gespannt sein, ob die geplante Verfilmung der Reihe an die Qualität der Romane heranreicht.

Die Taten der Toten

Kerstin Signe Danielsson, Roman Voosen, Kiepenheuer&Witsch

Die Taten der Toten

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