Alter Hund, neue Tricks
- Suhrkamp
- Erschienen: Juli 2020
- 11
Peter Torberg (Übersetzung)
1992. Sean Duffy lebt immer noch. Klasse!
Womöglich ist der frühere Detective Inspector Sean Duffy selbst am meisten darüber erstaunt, dass er immer noch lebt. Über 20 Jahre war er als Ermittler an der Front bei der Carrickfergus RUC, der Royal Ulster Constabulary. Wohlgemerkt als katholischer Polizist in Nordirland - die IRA hatte ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt. Die Troubles, wie der Nordirlandkonflikt genannt wird, hat er bislang überstanden und hofft, dass die 1990er Jahre besser werden als die von Gewalt geprägten 1980er Jahre.
„Ich saß in der Klemme. Handelte es sich um protestantische Paras und sie bekamen mit, dass ich Katholik war, würden sie mir befehlen auszusteigen und vielleicht versuchen, mich umzubringen. Handelte es sich um Männer der IRA und sie fanden heraus, dass ich ein katholischer Polizist war, würden sie mir befehlen auszusteigen und ganz bestimmt versuchen, mich umzubringen.“
Duffy ist, wie sein Partner John „Crabbie“ McCrabban, inzwischen Teilzeitpolizist. Noch gut zwei Jahre müssen die beiden überstehen, dann haben sie ihren vollen Pensionsanspruch. Als Teilzeitreserve arbeiten sie nur noch sechs Tage im Monat und dürfen keine polizeilichen Ermittlungen mehr durchführen. Verwaltungsarbeit und Verkehrskontrollen prägen den überschaubaren Alltag, die letzte Mordermittlung liegt über ein Jahr zurück.
Duffy hat seinen Dienst mal wieder absolviert und möchte zurück zu Frau und Tochter, die - jenseits des Wassers - in Portpatrick (Schottland) auf ihn warten. Doch dann wird ein Mann erschossen und dessen Jaguar gestohlen. Ein vermeintlicher Autodiebstahl, der schief ging?
Da der leitende Beamte des CID gerade im Urlaub weilt und keine anderen Detectives für Mordfälle vor Ort sind, bittet Chief Inspector Peter McArthur die „alten Hunde“, Duffy und McCrabban, noch einmal einzuspringen. Die Aussicht auf den anderthalbfachen Stundensatz überzeugt die beiden, zumal es ihnen noch immer in den Fingern kribbelt.
„Die Nachbarn glauben, dass er ein Maler ist oder so was.“
„Handwerker-Maler?“
„Maler-Maler. Wie Hitler, verstehen Sie?“
„Interessant, dass Sie ausgerechnet mit Hitler ankommen, wenn Sie an einen Maler denken. Nicht Monet oder van Gogh. Hitler.“
„Du meine Güte, Duffy, müssen Sie eigentlich immer so ein Arschloch sein?“
Bei dem Toten handelt es sich nur scheinbar um Quentin Townes, der mit zwei Schüssen aus nächster Nähe mit einer abgesägten Schrotflinte erschossen wurde. Es zeigt sich ein alt vertrautes Muster: Bauchschuss mit anschließendem Kopfschuss. Kein Autodiebstahl, sondern eine klassische Exekution. Townes taucht in keinem offiziellen Register auf, der Name ist nur Tarnung.
Als dann eine erste vielversprechende Spur zu einer Telefonzelle vor dem Bowling Club in Dundalk führt, wird klar, dass der Fall gefährlich werden könnte. Dundalk liegt in der Republik Irland - und ist Wohnort vieler einflussreicher IRA-Leute. Offenbar hatte Townes über die Telefonzelle Kontakt zu Brendan O‘Rourke, einem der mächtigsten Anführer der IRA-Ultras und Mitglied im Armeerat der IRA.
Der Nordirlandkonflikt geht weiter
„Alter Hund, neue Tricks“ ist bereits der achte Fall der Sean-Duffy-Reihe, die ursprünglich als Trilogie geplant war. Ein Glück, dass es anders kam, denn die Serie ist schlichtweg großartig und hat Präferenzcharakter für das gesamte Genre. McKinty führt seine Leser in eine Zeit, in der es zwischen Katholiken und Protestanten zu gewalttätigen Konflikten kam. Mehr als 3300 Menschen wurden bei den Troubles getötet. Nicht irgendwo, nicht irgendwann, sondern zwischen 1969 und 1998 in Europa.
Atmosphärisch gekonnt fängt McKinty die damalige Zeit ein, was nicht zuletztz seinem Protagonisten Sean Duffy zu verdanken ist. Der ist nicht nur ein großer Whisky-Liebhaber, der schon morgens seinen Bowmore oder Jura trinkt, sondern auch ein musikalisches Lexikon. Sein eigener Musikgeschmack mag grenzwertig erscheinen, aber so erlebt man neben der Brutalität der Auseinandersetzungen zwischen IRA und Paras ein Stück Musikgeschichte.
1992 sind Nirvana angesagt, was Duffy nicht daran hindert, längere Zeit über ein Lied der Sex Pistols zu philosophieren. Hauptsache, er muss nicht den modernen Kram wie Phil Collins oder U2 hören und dass es jetzt überall CDs gibt, will dem Schallplattenfan schon gar nicht einleuchten. Verflixtes neues Jahrzehnt, selbst der Milchmann kommt nicht mehr.
Fazit:
Die Sean-Duffy-Reihe bietet einmal mehr eine interessante, actionreiche Reise in die Zeit des Nordirlandkonfliktes. Der „alte Hund“ Duffy läuft erneut, stur seinem Instinkt und Gerechtigkeitssinn folgend, durch jede sich bietende Wand, legt sich mit einer IRA-Größe und dem Special Branch an - und hat am Ende erneut Glück, wieder überlebt zu haben. Bis zur endgültigen Pensionierung ist es - wie gesagt - nicht weit. Bleibt zu hoffen, dass er und sein kongenialer Partner Crabbie noch das ein oder andere Mal gebraucht werden. Es gibt nicht viele Serien, die besser sind.
Adrian McKinty , Suhrkamp
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