Connaisseur
- Diogenes
- Erschienen: April 2020
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Michael Windgassen (Übersetzung)
Auch sein zwölfter Fall führt Bruno in die Vergangenheit
Bruno Courrèges, Polizeichef in Saint Denis, findet im Brunnen von Schloss Limeuil eine tote Frau. Eigentlich müsste der Brunnen durch einen schweren Deckel abgesperrt sein, doch die mit Renovierungsarbeiten beschäftigten Arbeiter ließen diesen offensichtlich ungesichert über das Wochenende zurück. Bei dem Opfer handelt es sich um Claudia Muller, eine amerikanische Doktorandin, die für ein Jahr am Louvre zu Gast war.
Aus Schloss Limeuil sollte sie unter Anleitung des bekannten Kunstsammlers und Résistance-Kämpfers Pierre de Bourdeille an ihrer Dissertation arbeiten. Am Abend ihres Todes fand im Schloss ein Vortrag statt, jeder der knapp dreißig Besucher hätte sich Zutritt zu dem Park, in dem sich der Brunnen befindet, verschaffen können. Doch alles deutet darauf hin, dass die allseits beliebte Claudia keinem Verbrechen zum Opfer fiel, denn in ihrem Körper befanden sich mehrere Opiate.
Zudem befand sich am Fuße des Brunnenschachts ein kleines Kätzchen. Sehr wahrscheinlich also, dass die unter Drogen stehende Katzenliebhaberin helfen wollte, und dabei das Gleichgewicht verlor. Spuren von Fremdeinwirkung ergab die Obduktion nicht.
Zweifel an der Unfall-These
Bruno und de Bourdeille kommen allerdings leichte Zweifel, denn die Brunnenmauer war immerhin fast einen Meter hoch. Könnte nicht doch jemand nachgeholfen haben? Aber wer sollte ein Motiv gehabt haben? Am ehesten noch de Bourdeille selber, denn Claudia glaubte herausgefunden zu haben, dass der große Kunstexperte in der Vergangenheit bei mindestens drei Bildern in seiner Expertise bei der Zuschreibung von deren Herkunft falsch gelegen habe. Sollte er die Provenienz der Gemälde tatsächlich wissentlich falsch ausgelegt haben, um deren Verkaufswert zu steigern? Gleichwohl scheidet de Bourdeille als Täter aus, denn der 90-jährige sitzt seit Jahrzehnten im Rollstuhl. Ein Vorfall aus seiner Zeit als Résistance-Kämpfer.
Wäre es denkbar, dass Laurent Darrignac der Täter sein könnte? Am Tag von Claudias Ankunft in Saint-Denis kehrte auch Laurent in seine Heimat zurück, nachdem er zuvor zehn Jahre im Gefängnis saß. Die Lage wird für Bruno und Jean-Jaques Jalipean, den zuständigen Commissaire des Departements, brenzlig, als Claudias Vater, ein schwerreicher Finanzhai mit direkten Verbindungen ins Weiße Haus, seine eigenen Ermittler nach Saint-Denis schickt…
Geschichtsstunde, Krimi und die Kunst des Lebens
„Connaisseur“ ist bereits der zwölfte Fall der Bruno-Chef-de-police-Reihe, des in Schottland geborenen Autors Martin Walker. Dieser liebt den Périgord, dessen Menschen und deren Lebensfreude, was man durchgehend bei der Lektüre bemerkt. Wer hier einen tempo- oder gar actionreichen und womöglich noch stringenten Krimiplot erwartet, dem ist nicht zu helfen.
Ja, es gibt ihn durchaus, den Kriminalfall, bei dem nach dreihundert Seiten noch immer unklar ist, ob es nicht doch ein bedauerlicher Unfall unter Drogeneinfluss war. Aber wer jemals einen „Bruno-Krimi“ gelesen hat, der weis, dass es Walker wichtig ist, seine Liebe zum Périgord zu dokumentieren – und zwar ausführlich.
„Putain, Bruno – Division Charlemagne, die paras der Fremdenlegion, OAS, Delta Commandos und dann noch die Namen Delgueldre und de Gaulle. Sie verlangen da nicht wenig. Die relevanten Akten sind fest unter Verschluss.“
Wie schon in vielen Vorgängern bietet auch der vorliegende Fall eine interessante Geschichtsstunde. Die Reise führt einmal mehr in die 1940er Jahre und zu der Vichy-Regierung, zur Résistance und de Gaulle und nicht zuletzt – um bei de Gaulle zu bleiben – zu dem Algerienkonflikt, in welchem der frühere Staatschef eine denkwürdige Rolle spielte.
Gemälde und Falknerei stehen im Blickpunkt
Es geht, wie erwähnt, zudem um die Bewertung von Gemälden und deren fachliche Zuschreibung. Sind sie echt, wer hat sie gemalt? Provenienzforschung nennen das die Fachleute, die Frage nach der Herkunft von Kunstwerken. Selbst hier geht es vertieft ans Eingemachte. Zudem wird ausführlich über die Falknerei gesprochen und natürlich spielt das Privatleben von Bruno eine ebenfalls nicht geringe Rolle.
Bruno ist leidenschaftlicher Koch, bewirtet gern seine Freunde und so hält man mitunter ein Kochbuch in der Hand. Seitenlang wird in der Küche gearbeitet, teils sehr rezeptgetreu dargestellt. Womöglich ein inkludierter Werbeblock für die beiden Kochbücher von Martin Walker („Brunos Kochbuch“, „Brunos Gartenkochbuch“). Für ein gutes Leben und leckeres Essen sind die Franzosen bekannt, ausgewählte Weine werden ebenfalls vorgestellt. Soll also niemand sagen, man wüsste nicht, was einen hier erwartet.
Fazit:
Wer sich von der Vielzahl mitwirkender Personen und deren mitunter undurchsichtigen Beziehungen untereinander nicht abschrecken lässt, und vor allem mehr als nur einen „normalen“ Krimi lesen möchte, ist hier gut aufgehoben. Der Krimiplot, mitunter verschwindet er kurzfristig, ist durchaus spannend und bietet eine überraschende Auflösung. Den Rest - Geschichte, Kunst, Kulinarik, Lebensfreude und vieles mehr - gibt es gratis obendrauf.
Martin Walker, Diogenes
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