Der Moment, bevor Du stirbst
- Edition M
- Erschienen: Mai 2020
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Nur spezielle Ermittler fangen auch ganz spezielle Killer
Eine Sonderabteilung im Bundeskriminalamt, für die besonders schwierigen Fälle. Für Serienmörder und andere Psychopathen. Und die Abteilung heißt K2 - benannt nach dem gefährlichsten Berg der Welt. Klingt erstmal wie ziemlich starker Tobak, leicht übertrieben. Passt aber zu den Morden, die Targa Hendricks und ihre Kollegen aufklären müssen. Denn die vier jungen Frauen, die tot auf Kähnen mitten durch die Berliner City getrieben sind, wurden auf perfide Art getötet. Sie wurden erstickt, aber ohne Anzeichen äußerer Gewaltanwendung. Es könnte also eine Dekompressionskammer im Spiel sein. Schon auf dem Buchrücken wird verraten, dass der Dozent Falk Sandmann recht schnell ins Visier der Ermittler gerät - ein versierter Freitaucher. Aber weil sie nicht an ihn herankommen, wird Targa Hendricks in einen ihrer ganz speziellen Einsätze geschickt.
Sie ist eine eigenwillige Polizistin. Ihre außergewöhnliche Geschichte wird dem Leser schnell vermittelt, und man kann nachvollziehen, warum sie alleine in einem alten VW-Bus lebt. Ihre unverblümte Art kommt nicht immer gut an, aber ihr direkter Vorgesetzter Lundt schätzt ihre Fähigkeiten über alle Maßen.
“Du wirst Dich öffnen müssen”, hört sie Lundts Worte vorbeirauschen. “Nur so gewinnst Du sein Vertrauen, und erst dann wird er dich in seine Pläne einweihen. Du musst hautnah an ihn herankommen.”
Das hast Du schon einmal gesagt. Aber was meinst Du damit? Ich kann mir unter ‘hautnah’ nichts vorstellen. WAs soll das sein?”, fragt Targa und ist zum ersten Mal in diesem Gespräch etwas verunsichert.
“Denk darüber nach”, gibt ihr Lundt unwirsch zur Antwort. “Du wirst schon begreifen, was damit gemeint ist.”
“Soll ich mich nackt zu ihm legen, um seinen Atem auf meiner Haut zu spüren?”
“Soweit musst du hoffentlich nicht gehen”, winkt Lundt ab.
“Aber das ist doch hautnah.”
“Die Nähe, die ich meine, ist noch viel schlimmer.”
“Das kann ich mir nicht vorstellen.”
“Das ist sie. Denn Du musst in seine Seele blicken.”
B.C. Schiller sind bekannt für ihren mitreißenden Schreibstil. Literarische Sprache sucht man hier vergebens, dafür wird Hochspannung von Beginn an geboten. Es ist schnell klar, dass Falk Sandmann der gesuchte Mörder ist, denn auch seine Perspektive wird dem Leser geschildert. Zeitweise entwickelt sich der Umgang von Targa Hendricks mit Falk Sandmann zu einer Art Kammerspiel. Die Geschichte entwickelt so von Beginn an einen großen Sog, denn es geht immer um den nächsten Zug, die nächste Täuschung, den vielleicht entscheidenden Fehler.
Ziemlich rätselhaft bleibt lange Zeit eine Nebengeschichte, die sich auf einer Gefängnisinsel der NATO abspielt. So eine Einrichtung gibt es in der Realität nicht, hoffe ich jedenfalls, aber für den Plot macht sich das hier ganz gut. Dort sitzt ein geheimnisvoller Gefangener ein, der an den Rollstuhl gefesselt ist. Er hat mysteriöse Verbindungen nach draußen, und mancher Wärter muss ihm auch behilflich sein. Als die Verbindung zur Hauptgeschichte enthüllt wird, fällt es dem Leser wie Schuppen von den Augen.
In Berlin hat sich derweil Targa Hendricks an Sandmann heran gemacht, der seinerseits plötzlich auf ihrem Campingplatz auftaucht. Dieses übergriffige Verhalten macht der Ermittlerin deutlich, dass sie höllisch aufpassen muss, um bei diesem Einsatz nicht in Lebensgefahr zu geraten. Je näher Targa dem Killer kommt, umso abgründiger werden die Einblicke, die sie in seine Psyche und sein krankes Wesen bekommt. Dabei ist sie selbst durch den Tod ihrer Zwillingsschwester und den Suizid ihrer Mutter extrem traumatisiert. Ihr ziemlich kreativer Umgang mit dieser Vergangenheit macht sie nicht nur zu einer ungewöhnlichen, sondern in meinen Augen auch zu einer sympathischen Protagonistin.
Plötzlich hat Targa das Gefühl, als würde alles rings um sie zu bröckeln beginnen. Sie steht alleine in einer leeren Welt. Schwankt vor und zurück. Lundt hält sie an den Schultern fest.Wie verrückt beginnt sie, mit den Fäusten auf ihn einzuschlagen.
“Ich schaffe das nicht.”
Targas Stimme ist brüchig und schwach. Es ist die Stimme einer Verliererin.
“Das Spiel ist aus. Er hat gewonnen. Er ist zu stark für mich.”
“Du willst, dass er davonkommt?”
Lundt drückt sie fest an sich.
“Du schaffst das. Du bist stark. Die Beste.”
“Dann bringe ich Sandmann um”, murmelt sie und vergräbt ihr Gesicht in Sandmanns Sakko. Der Stoff riecht nach Rauch.
“Das wirst du nicht tun”, hört sie seine sanfte Stimme.
Teamwork wird hier ziemlich groß geschrieben, ohne den starken Rückhalt durch ihren Vorgesetzten würde Targa die enorme psychische Belastung wohl nicht durchstehen. Sie muss einiges aushalten, ich habe ein paarmal tief Luft geholt bei der Lektüre, aber die junge Frau zeigt sich immer wieder als harter Brocken. Allerdings ist auch Sandmann ein spezielles Kaliber - so einen Killer muss man sich als Autor auch erstmal ausdenken.
Durch die starke Fokussierung auf Targa Hendricks und Falk Sandmann kommen die Nebenfiguren etwas schlecht weg. Aber die LKA-Analystin Rita, die Targa wichtige Hilfestellung leistet, ist die Nebenfigur, die noch etwas heraus sticht. Nicht nur, weil sie entscheidende Zuarbeit leistet, sondern auch weil sie im Laufe der Geschichte dem Killer in die Hände fällt. Ganz klar ein Sternchen für die beste Nebenrolle.
Ansonsten verzichten B.C. Schiller bei ihrer gewohnt dynamischen Erzählweise auf zu viele Schnörkel drumherum. Der Roman könnte auch in einer anderen Großstadt spielen, vom Hauptstadtflair bekommt der Leser nichts mit. Das macht aber auch nichts, Berlin ist offenbar deshalb geeignet, weil es die nötigen Schauplätze bietet, wie etwa eine Villa am Wannsee mit eigenem Bootssteg.
Fazit:
Das ist endlich mal wieder ein Thriller, der diesen Namen auch wirklich verdient. Die Spannung wird ständig hochgehalten, die Persönlichkeiten des Killers und der Ermittlerin sorgen für reichlich Nervenkitzel. Der Realitätsgehalt mag an einigen Stellen nicht wirklich hoch sein, das ist mir aber egal. Ich habe mich von B.C. Schiller ausgezeichnet unterhalten gefühlt, und werde Targa Hendricks gerne bei weiteren Fällen begleiten.
B.C. Schiller, Edition M
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