Ultimatum

  • C. Bertelsmann
  • Erschienen: August 2019
  • 1
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Andreas Kurth
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2020

Wenn eine Drohung im Wortsinne Hand und Fuß hat

Eugen de Both ist schon ein ziemlich spezielles Exemplar unter den Ermittlern im deutschsprachigen Kriminal-Genre. Denn er ist kein Alkoholiker, er ist nicht Tabletten-abhängig, er hat keine zerrüttete Ehe, und wirkt insgesamt - abgesehen von seiner unglaublichen Arroganz und seiner Vorliebe für die  Philosophie - auch eher normal. Was ihn schon wieder spektakulär macht, denn es ist doch große Mode in den letzten Jahren, den einsamen Wölfen unter den Kriminal-Kommissaren irgendwelche Probleme anzuhängen. Da hat de Bodt eben nur eine vergleichsweise harmlose Macke. Er zitiert gerne Hegel, Nietzsche und andere Philosophen - was mittlerweile auf seine Mitarbeiter Ali Yussuf und Silvia Salinger gründlich abgefärbt hat.

Legendär - und damit in den Augen vieler Leser vermutlich ziemlich unglaubwürdig - ist seine Aufklärungsquote. Dadurch hat er bei der deutschen Bundeskanzlerin einen dicken Stein im Brett, denn er hat ihr in einem früheren Fall das Leben gerettet, und einige spektakuläre Verbrechen aufgeklärt - mit seinen höchst unkonventionellen Methoden. Wo andere Ermittler erst gar nicht weiterdenken, fängt de Bodt oft erst an, und das führt häufig genug zum Erfolg - misstrauisch beäugt von Vorgesetzten und anderen Sicherheitsbehörden.

Jeder neue Fall eines Ermittlers wird vom Verlag auf den Klappentexten zum bislang härtesten Fall ausgerufen. Langjährige Leser von Ditfurths de Bodt-Romanen wissen allerdings schon, dass die vom Berliner Kommissar - der aus einem Hamburger Nobelviertel stammt - aufzuklärenden Verbrechen noch nie Kleinigkeiten waren. Die entsprechende Ankündigung im Klappentext lässt also schon mal die Augenbrauen in die Höhe schnellen.

Schulden der armen Südländer sollen erlassen werden

Deshalb muss Christian von Ditfurth an immer größeren Rädern drehen, um seinen jeweils vorherigen Plot zu übertreffen, und seiner Ermittler-Crew eine erneute Steigerung zu ermöglichen. Das gelingt ihm durchaus. Nach einem - wie immer bei von Ditfurth - ziemlich kryptischen Prolog geht es schnell zur Sache. Der Ehemann der deutschen Bundeskanzlerin wird entführt. Die Forderung der Entführer ist zunächst innenpolitisch orientiert, der Innenminister soll aus dem Amt entlassen werden. Als das passiert ist, wird es ziemlich gigantisch. Die Entführer fordern einen Schuldenerlass für die Mittelmeerländer Spanien, Portugal, Italien und Griechenland - und Deutschland soll 75 Prozent der Kosten tragen. Als sich die Regierung erwartungsgemäß weigert, kommt die abgetrennte Hand des Kanzlerinnen-Gatten per Post ins Haus.

“Glauben Sie, dass mein Mann eine Chance hat?
Nur, wenn wir ihn finden.
Was macht Sie so sicher?
Jemand, der eine unerfüllbare Forderung stellt, weiß, dass sie nicht erfüllt wird. Also bezweckt er etwas anderes.
Das ist doch verrückt.
Nur, wenn man nicht weiß, um was es geht.
Was Sie sagen, klingt …. hoffnungslos.”

Christian von Ditfurth fährt hier kräftig auf, um einen Plot zu liefern, der noch gigantischer ist als in den Vorgänger-Bänden. Der Autor legt sich damit die Messlatte selbst immer höher - bei “Ultimatum” führt das leider dazu, dass die Handlung zuweilen leicht ausfasert. Sonst war immer - bei allen Wendungen und Überraschungen - ein roter Faden zu erkennen. Im jüngsten Buch ist das nur bedingt so, was das nach wie vor große Lesevergnügen leider um einiges schmälert.

Die tatsächlichen Absichten der Entführer sind nicht einmal in Ansätzen erkennbar, der Nebel lichtet sich auch für den Leser nur äußerst langsam. Der Autor leistet sich eine Nebengeschichte auf einer einsamen Insel, die in meinen Augen entbehrlich gewesen wäre. Dort werden Sohn und Ehefrau eines Mannes festgehalten, der ebenfalls erpresst wird, um im weiteren Verlauf der Handlung eine wichtige Rolle spielt. Das Schicksal seiner Familie zerreißt zwar dem Leser das  Herz, wirkt aber als ständiges Intermezzo eher störend.

“Vermutlich weiß nicht mal Bob, um was es geht.
Der will nur absahnen, sagte Yussuf.

Das auch. Aber der mag Kamikaze nicht.
Was soll das alles?, fragte Salinger.
Ich habe nicht die geringste Ahnung, sagte de Bodt.
Stille. Nur Annes Geklapper.
Das ist eine Weltpremiere, sagte Yussuf.
Wie bitte?
Dass du keine Ahnung hast. Beziehungsweise es zugibst.”

Die Gespräche des Trios de Both, Yussuf und Salinger untereinander sind im Laufe der Zeit immer vertrauter geworden. Ich finde sie generell ziemlich köstlich zu lesen. Das Binnenverhältnis der Ermittlergruppe hat sich immer enger entwickelt, man könnte sagen, proportional zu den  außerordentlichen Ermittlungserfolgen.

Übertroffen wird das zuweilen sogar von von de Bodt Auftreten gegenüber seinen Vorgesetzten, oder bei den Runden im Kanzleramt. Wenn ihn dann die Minister und Leiter wichtiger Behörden attackieren, und Mutti ihm energisch Gehör verschafft, das ist schon amüsant. Die Balance zwischen Spannung beim Kriminalfall, und hohem Unterhaltungswert durch interessantes Personal und lesenswerte Dialoge macht einen Teil des Erfolgs dieser Reihe aus. Christian von Ditfurth zeigt hier seinen ausgeprägten Sinn für hintergründigen Humor.

Fazit:

Es macht nach wie vor großen Spaß, Eugen de Both und seine beiden Mitstreiter Ali Yussuf und Silvia Salinger bei der Lösung ihrer Fälle zu begleiten. Aber bei diesem Buch ist Christian von Ditfurth seiner ausgeprägten Fabulierlust erlegen. Im Sport würde man sagen, er hat deutlich “überpaced”, es also übertrieben mit den Wendungen, Nebengeschichten und falschen Fährten. “Ultimatum” ist dennoch ein unterhaltsamer und in meinen Augen wirklich lesenswerter Thriller, aber wenn es mit dem Philosophie-Fan im Berliner Landeskriminalamt noch weitergeht, sollte der Autor einen Gang runterschalten. Das nächste Buch würde dann wieder besser werden.

Ultimatum

Christian von Ditfurth, C. Bertelsmann

Ultimatum

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