Die tote Meerjungfrau

  • Droemer
  • Erschienen: Oktober 2020
  • 0

Übersetzung: Günther Frauenlob, Maike Dörries

Die tote Meerjungfrau
Die tote Meerjungfrau
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Carola Krauße-Reim
50°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2020

Hans Christian Andersen auf Mörderjagd

Für den vorliegenden Histo-Krimi haben sich drei dänische Autoren zusammengetan - denn hinter dem Pseudonym A.J. Kazinski verbergen sich Anders Rønnow Klarlund und Jacob Weinreich, die ebenso wie Thomas Rydahl schon mehrere erfolgreiche Romane verfasst haben. Inspiriert durch das Märchen Die kleine Meerjungfrau und die Tatsache, dass in den ansonsten lückenlosen Tagebüchern des Märchenerzählers ab 1834 anderthalb Jahre fehlen, haben sie gemeinsam Die tote Meerjungfrau verfasst und einen H.C. Andersen gezeigt, wie ihn so noch niemand kannte – als Jäger eines grausamen Mörders.

Als Prostituierte lebt man gefährlich

Anna verdient ihr Geld im horizontalen Gewerbe. Zu ihren Kunden gehört auch der junge Hans Christian Andersen, der aber nur Scherenschnitte von ihr anfertigen will. Als Anna tot und grausam zugerichtet aus einem Kanal gezogen wird, gerät Andersen in Verdacht, war er doch am Abend vorher bei ihr. Er wird verhaftet, doch er hat Glück – ein Mäzen handelt eine Dreitagesfrist aus, in der Hans Christian die Möglichkeit hat, den wahren Täter zu finden. Unterstützung erhält Andersen durch Molly, die Schwester des Opfers. Gemeinsam machen sie sich in den dunklen Gassen Kopenhagens auf die Suche nach dem Mörder und geraten so selber in Gefahr ...

Kopenhagen 1834?

Das Autorentrio erschafft ein Kopenhagen, das düster, dreckig, stinkend und wenig einladend ist. Als Leser fühlt man sich stark an mittelalterliche Städte erinnert, die Brutstätten für Pest und Cholera waren mit ihren engen Gassen, Häusern, in denen Ställe im Obergeschoss waren und überlaufenden Latrinen, da es noch an einer funktionierenden Kanalisation mangelte. Aber die Geschichte spielt im Kopenhagen des Jahres 1834! Auch wenn es damals noch sehr arme Stadtviertel gab, ist das geschilderte Ambiente, wenn nicht vielleicht falsch, zumindest überzogen. Da der Krimi jedoch zum großen Teil vom Setting lebt, ist das sehr enttäuschend, da ein völlig unzutreffendes Bild abgeliefert wird. Lediglich das Entstehen ausgefeilterer medizinischer Behandlungen und gewagtere Operationsmethoden lassen einen Rückschluss auf ein Kopenhagen im Aufbruch zu - denn das war es 1834, als die dänische Nationalbewegung und die Liberalen immer mehr an Macht gewannen.

Hans Christian träumt vom Erfolg als Autor

Die beiden Hauptpersonen im Buch sind eindeutig Andersen und Molly. Während die eine Figur fiktiv ist und somit von den Autoren völlig frei charakterisiert werden kann, ist H.C. Andersen eine historische Figur, bei deren Darstellung man zumindest einigermaßen korrekt sein sollte. Das ist auch gelungen, denn die Herkunft aus sehr armen Verhältnissen, die Abhängigkeit von Mäzenen und auch der Wille und die Überzeugung, als Schriftsteller gut genug für den Erfolg zu sein, haben die Autoren eingefangen. Auch die typischen körperlichen Merkmale, verbunden mit einem geringen Selbstwertgefühl des Dichters, sind immer wieder thematisiert. Im Gespann Andersen–Molly ist sie die treibende Kraft: Obwohl als Hure stigmatisiert, mobilisiert Molly ungeahnten Willen und Einfallsreichtum, um den Mörder ihrer Schwester zu finden. Damit schafft sie Empathie beim Leser, die durch das Ende der Geschichte mit Sicherheit noch wächst. Die beiden Protagonisten sind ein Team, das durch die gute Charakterisierung einiges am etwas daneben geratenen Setting wett macht. Bedauerlich dagegen ist der sehr simple Schreibstil, der zwar flüssig zu lesen ist, aber gespickt mit sehr trivialen Dialogen und kurzen Sätzen. Hier ist eindeutig noch viel Luft nach oben!

Ein Märchen der etwas anderen Art

Was uns hier als Krimi aufgetischt wird, ist eine sehr konstruierte und streckenweise an mangelnder Logik kränkelnde Geschichte, die mit teilweise deftigen und ebenso überaus brutalen Szenen auch reißerisch daher kommt. Zwar kann man einige Spannung während der Mörderjagd erahnen, aber von Anfang an ist die Täterin bekannt und ihr Motiv bleibt auch nicht wirklich im Dunkeln - was Andersen auch bemerkt, wenn er sinniert: „Dabei geht es nicht um Hass oder Bösartigkeit. Es geht um Sehnsucht. Nach etwas anderem. Wir suchen nach einem Mörder, den die Sehnsucht antreibt.“ Nach dem doch sehr auf die Tränendrüse drückenden Schluss kann man sich des Gedankens nicht erwehren, dass Hans Christian Andersen sich im Grab umdrehen würde, wenn man ihm diese Geschichte als Inspiration für seine Märchen Die kleine Meerjungfrau und auch Das Mädchen mit den Schwefelhölzern präsentierte.

Fazit

Die tote Meerjungfrau wir als „mitreißender historischer Krimi“ gelobt, aber hier kommen wahrscheinlich wirklich nur Fans historischer Krimis auf ihre Kosten - allen anderen wird es zu viel sein an mittelalterlich anmutender Atmosphäre und zu wenig an kribbelnder Spannung.

Die tote Meerjungfrau

Thomas Rydahl, A. J. Kazinski, Droemer

Die tote Meerjungfrau

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