Der Tote auf Amrum
- Edition M
- Erschienen: Juni 2020
- 1
Ein sehr persönlicher Fall für die Inselkommissarin
Bereits zum 6. Mal muss die Inselkommissarin einen Mord aufklären. Wiederum schickt Anna Johannsen sie auf ihre Heimatinsel Amrum, wo ein Geschäftsmann doch keines natürlichen Tods gestorben ist. Als Lena Lorenzen ein Foto ihrer verstorbenen Mutter im Haus des Toten findet, wird der Fall sehr persönlich für sie. Die schwierige Suche nach dem Mörder ist immer von der Frage nach ihrer eigenen Geschichte überschattet.
Die Inselkommissarin hat mehr als ein Problem
Anna Johannsen erzählt die Geschichte in einem Rutsch herunter. Es gibt keine unterschiedlichen Handlungsstränge oder Perspektiven. Trotzdem verpackt sie mehrere Probleme in diese Eindimensionalität. Die Suche nach dem Mörder von Marten Hilmer ist natürlich der Kern des Geschehens. Doch damit ist für Lena die Frage verbunden, was ihre Familiengeschichte mit diesem Mann zu tun hat und ob sie ihrem Vater jahrelang ungerechterweise die Schuld am Tod ihrer Mutter gegeben hat.
Und noch ein weiteres Problem treibt die Inselkommissarin um: Kriminalrat Jens Groll, der sie als junge Polizistin vergewaltigen wollte, soll ihr Vorgesetzter werden. Es gibt also genug zu tun für Lena Lorenzen und ihr Team, das einmal mehr aus den schon erprobten Mitarbeitern und natürlich dem, immer im Hintergrund recherchierenden, Hacker Leon besteht.
Hier hätte die Autorin ruhig einmal ein frischen Lüftchen wehen lassen können und z.B. die örtlichen Polizisten mehr in das Geschehen einbinden können. Aber so ist alles wie gehabt: Lorenzen ermittelt, Johann Grasmann recherchiert, Ole Kotten tut auch mal was und Leon brummelt vor sich hin und holt die Steine aus dem Feuer.
Der 6. Band der Serie bietet nichts Neues
Aber nicht nur in puncto Protagonisten verlässt sich Johannsen auf Altbewährtes. Wieder einmal lebt der Krimi weniger von sich steigernder Spannung und atemraubenden Schlüsselmomenten, sondern präsentiert fundierte Polizeiarbeit. Die ist zwar wenig aufregend, aber durch einige gut platzierte Wendungen und falsche Fährten kann der Leser trotzdem immer bei der Stange gehalten werden.
Der etwas holprige Schluss wird dann auch wieder durch eine ganz plötzlich auftauchende Komponente ermöglicht, die der Leser nicht erahnen kann und dadurch einmal mehr den (hoffentlich falschen) Eindruck erweckt, dass die Autorin zum schnellen Ende kommen wollte. Dass es dem Krimi auch wieder an Lokalkolorit mangelt ist schade. Amrum hat noch anderes zu bieten als den Leuchtturm und Kniepsand, und selbst die werden nur am Rande erwähnt. Hier könnte die Autorin doch endlich mal in die Vollen gehen und ihre nordfriesische Heimat präsentieren.
Bedauerlich sind auch einige vermeintliche Fehler, die wohl auf mangelnde Recherchearbeit der Autorin zurückzuführen sind. So gibt es keinen „anatolischen“ Sherry. Sherry kommt immer aus der Gegend von Jerez in Andalusien. Und die doch sehr eingehende private Verwicklung der Kommissarin in den Fall hätte in der Realität ihren sofortigen Abzug bedeutet, und bei Verschweigen sogar ein internes Verfahren nach sich gezogen. Von diesem drohenden Unheil ist hier nicht einmal die Rede, geschweige denn steht es im Raum!
Fazit:
Anna Johannsen vertraut wieder auf Altbewährtes, um den Leser an die Geschichte zu binden. Leider ist damit eine Entwicklung der Figuren oder des Plot-Aufbaues verhindert worden. „Der Tote auf Amrum“ verbleibt damit in der Masse der Regionalkrimis ohne sich stilistisch oder dramaturgisch daraus abzuheben. Für Fans der Inselkommissarin ist er natürlich ein Muss, für alle Neueinsteiger ein anspruchsloser, aber recht unterhaltsamer Happen für zwischendurch.
Anna Johannsen, Edition M
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