Unter Wölfen - Der verborgene Feind

  • Limes
  • Erschienen: Oktober 2020
  • 2

- Bd. 2

- Broschur, 352 Seiten

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Sabine Bongenberg
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2020

Eine spannende Grundidee – ein paar Längen in der Ausführung, ein paar Fragen zur Logik

Für den gewieftesten Ermittler des dritten Reiches Adolf Weissmann dürfte es ein Klacks sein: Als die junge Tochter einer Nürnberger Parteigröße ermordet aufgefunden wird, bittet man ihn um die Untersuchung des Falles und um schnelle Ermittlung des Mörders. Es wäre auch möglicherweise wirklich ein recht schnell zu lösender Kriminalfall – wenn Adolf Weissmann tatsächlich Adolf Weissmann wäre. Aber das ist er nicht: In panischer Verzweiflung ist der Antiquitätenhändler Isaak Rubinstein in seine Rolle geschlüpft und sieht sich jetzt aufgefordert, einen Beruf auszuüben, von dem er keinerlei Ahnung hat. Fliegt er auf, ist diese Hochstapelei eines seiner geringsten Probleme - denn Isaak Rubinstein ist (wie der Name schon vermuten lässt) mosaischen Glaubens, und das ist im Dritten Reich tödlich. Vor ihm stehen ein verzweifelter Kampf in der neuen Rolle und ein Rennen gegen die Zeit ...

Gefährliches Spiel

Die Wiener Autorin Alex Beer lässt ihren unter dem Radar fliegenden Isaak Rubinstein alias Adolf Weissmann in seinem zweiten Band wieder in prekäre Situationen geraten: Er soll als nonchalanter, gewiefter Erfolgsmensch und Parteigenosse auftreten, und von der glaubhaften Umsetzung hängt nicht nur sein, sondern auch das Schicksal seiner Familie und seiner großen Liebe Klara ab. Dabei ist Rubinstein nicht einmal eine frühe Verkörperung eines Superspions, sondern vielmehr die eines normalen Menschen – mit normalen Ängsten und Stressfaktoren. Diese andauernde Anspannung, unter der er leidet, bringt Alex Beer deutlich und einfühlsam zum Ausdruck, wobei es für meinen Geschmack manchmal schon etwas zu deutlich war. Irgendwann fragte ich mich dann doch einmal, warum Rubinstein sich denn überhaupt auf diese Spionagerolle eingelassen hat, wenn er doch ständig den Druck und die Anspannung beklagt. Ein paar Schwierigkeiten hatte ich auch mit seiner Tarnung, denn auch wenn Berlin - wo Adolf Weissmann als „echter Ermittler“ tätig war - und Nürnberg schon ein Stück auseinander liegen, ist doch auch der Informationsweg im Zweifel ein kurzer; oft ist die Welt auch doch schon recht klein und Menschen kennen sich.

Alex Beer lässt ihre Ermittler in diesem Buch einen Serienmörder jagen, der – scheinbar wahllos – junge Frauen erwürgt. Der dazu konstruierte Kriminalfall erscheint mir ein wenig blutarm und die Entwicklung, die den Täter zu seinen Taten brachte, konnte mich nicht vollkommen überzeugen. Sehr gut aufgebaut und von einer schrecklichen Logik ist allerdings der „Initialmord“, der die ganze Geschichte überhaupt erst ins Rollen brachte. Leider wird dieser in der letzten Auflösung nur knapp präsentiert, zeigt aber wieder deutlich die besondere kalte Grausamkeit des damaligen Systems. Beer zeichnet hier, wie sich der Alltag des dritten Reiches auswirkte und damit auch der kalte Bürokrat – nach dem Muster eines Adolf Eichmann – zur verlängerten Hand eines Mörders werden konnte.

Mit der Aufklärung der Mordreihe könnten alle Beteiligten jetzt aufatmen - aber unglücklicherweise bedeutet diese Klärung nicht, dass alle Aufgaben Rubinsteins beendet sind, und so sorgt eine neue schwerwiegende Entwicklung dafür, dass sein Weg auch zukünftig mit Fallstricken versehen bleiben und möglicherweise sogar noch einsamer werden wird als bisher.

Fazit

Mit ihrem Ermittler Adolf Weissmann hat Alex Beer einen Polizeibeamten erschaffen, der buchstäblich um sein eigenes Leben arbeitet, kann er doch nur mit Erfolgen das Damoklesschwert über seinem Kopf abwenden. Diese Idee ist spannend und kann eine Geschichte eine gewisse Zeit tragen – dennoch frage ich mich, ob Rubinsteins Tarnung den immer lauter gestellten Fragen und seiner möglicherweise zunehmenden Verstrickung in die damalige Herrscherriege standhalten kann.

Unter Wölfen - Der verborgene Feind

Alex Beer, Limes

Unter Wölfen - Der verborgene Feind

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