Shalom Berlin

  • Piper
  • Erschienen: Februar 2020
  • 2
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Thomas Gisbertz
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2020

Wichtiges Thema, zu zaghaft umgesetzt

Nach Veröffentlichung eines Artikels über die Schändung eines jüdischen Berliner Friedhofs wird die Journalistin Hanna Golden per Mail mit dem Tod bedroht. Den Fall übernimmt Alain Liebermann, Mitglied des Mobilen Einsatzkommandos Staatsschutz und Spezialist für Terrorbekämpfung. Erscheint der Tatbestand zunächst beinahe harmlos, eskaliert die Situation doch bald. Aus Worten werden aggressive, mysteriöse Taten. Die Vernetzung des Falles reicht bis in die Berliner Bundespolitik. Liebermann kann nicht verhindern, dass seine jüdische Familie in die Sache mit hineingezogen wird.

Schändung auf jüdischem Friedhof

„Mach was über die Schmierei in Prenzlberg“, lautet der Auftrag ihres Chefs. Also macht sich die Journalistin Hanna Golden auf den Weg, um zusammen mit einem Beauftragten der jüdischen Kultusgemeinde den Schaden auf dem Friedhof an der Schönhauser Allee zu begutachten. Dabei würde sie lieber über die Story dahinter berichten, über die Fakten könne man auch woanders lesen. Aber man traut ihr einen investigativen Journalismus über Antisemitismus nicht zu. Dass hinter der Schändung aber viel mehr steckt, und dass nicht nur Hanna in großer Gefahr schwebt, kann zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen.

Autor, Theaterregisseur und Schauspieler

Michael Wallner spielte nach seiner Ausbildung am Wiener Max Reinhardt-Seminar am Burgtheater und am Berliner Schillertheater. Seit 1987 arbeitet er als freischaffender Theater- und Opernregisseur und inszenierte unter anderem in Düsseldorf, Frankfurt, Bochum, Wien, Hamburg und Lübeck. Seit 2000 lebt er als freier Autor in Berlin. Sein Bestseller „April in Paris“ wurde in über 20 Sprachen übersetzt.

Mit „Shalom Berlin“ legt Michael Wallner den Auftaktband zu einer neuen Krimiserie vor. Sein außergewöhnlicher Serien-Ermittler: Alain Liebermann, Leiter einer Berliner Spezialeinheit und Mitglied einer großen jüdischen Familie. Mit „Shalom Berlin“ präsentiert der Piper-Verlag einen zeitnahen Fall um Antisemitismus, Angst und Gewalt. Der zweite Teil der Reihe, „Shalom Berlin - Sündenbock“ erscheint bereits im Juni 2020.

Aktueller, brisanter Hintergrund

Leider muss man sagen, dass der neue Roman von Michael Wallner hochaktuell ist. Dafür muss man sich nur an die dramatischen Ereignisse in Halle oder auch in Hanau erinnern. Rechtsradikalismus und Antisemitismus haben auch 75 Jahre nach Kriegsende und der Shoa fatalerweise immer noch Platz in einer zivilisierten Gesellschaft. Man ist mittlerweile derart abgestumpft, dass man Wallners Serienauftakt unterschätzen mag. Der Autor verzichtet auf eine actiongeladene Handlung mit zahlreichen Mordopfern. Stattdessen ist es ein Roman der leisen Töne, der einen nachdenklich stimmt. Es sind eher die schon leider zum Alltag gehörenden (Gewalt-)Taten, die Wallner in den Vordergrund stellt. Dabei sind diese nicht im Geringsten weniger verletzend, diskriminierend und verachtenswert.

Jüdischer Ermittler

Im Zentrum der Handlung steht mit Alain Liebermann ein jüdischer Polizist: der Vater Tropenarzt, die Mutter Cellistin, aufgewachsen bei seiner Großmutter Helene und Mitglied einer jüdischen Familie. Aktuell ist er Leiter einer Berliner Spezialeinheit, des Mobilen Einsatzkommandos Staatsschutz (MES), das für die Verhinderung und Bekämpfung politisch motivierter Straftaten zuständig ist. Privat erlebt Liebermann seit dem Tod seiner großen Liebe Lea vor einem Jahr noch immer eine mehr als schwere Zeit. Als er Diana Göring kennenlernt, eine EU-Anwältin, die oft in Brüssel arbeitet, fällt es ihm daher nicht leicht, sich ihr zu öffnen, auch wer er sich sehr zu ihr hingezogen fühlt.

Alain Liebermann ist ein Ermittler, der sich nicht von seinen Vorgesetzten oder führenden Politikern einschüchtern lässt. Vor allem dann nicht, wenn er das Gefühl hat, auch unkonventionelle Wege gehen zu müssen, um dem Täter auf die Spur zu kommen.

Schwächere Umsetzung

So wichtig das Thema Antisemitismus auch ist, leider schafft es Michael Wallner zum Auftakt seiner Reihe um den Berliner Ermittler Alain Liebermann noch nicht, für eine durchweg spannende Handlung auf hohem erzählerischem Niveau zu sorgen. Besonders das Ende des Romans sorgt beim Leser doch für einigen Frust, da die Lösung des Falles am Ende zu abrupt erfolgt und zu konstruiert erscheint. Auch der inhaltliche Wechsel zwischen dem Privatleben und der Polizeiarbeit Liebermanns mag noch nicht so recht gelingen.

Des Weiteren verpasst es Wallner, genauer auf die Geschichte hinter der Geschichte einzugehen: Was treibt die Menschen in den Antisemitismus? Welche Motive stecken hinter ihrem Hass gegen Juden? Hier bleiben zu viele Fragen offen. Zusätzlich wählt der Autor ein überraschendes, nicht zu erwartendes Ende, welches nicht so recht zum Rest der Handlung passen mag.

Fazit:

Mit Alain Liebermann führt Autor Michael Wallner eine ganz besondere und vielversprechende Figur ein, die aber noch deutlich Luft nach oben hat. Wer aktuell nach alternativen Kriminalromanen mit einem jüdischen Ermittler sucht, dem sei die hervorragende Rabbi-Klein-Reihe des Schweizers Alfred Bodenheimer empfohlen, die im Nagel & Kimche Verlag erscheint.

Shalom Berlin

Michael Wallner, Piper

Shalom Berlin

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