Tief sitzende Gefühle brechen nach vielen Jahren an die Oberfläche
Die bekennende Bajuwarin Nicola Förg hat zwar vor kurzem eine romantische Komödie verfasst, bekannt geworden ist sie dem deutschen Publikum allerdings durch ihre zwei Krimiserien, beide Reihen umfassen mittlerweile zusammen über 20 Bände. Die eine dreht sich um Kommissar Gerhard Weinzierl, der im Allgäu seine Ermittlungen führt. Die andere um das so unterschiedliche Duo Irmi Mangold und Kathi Reindl. Während die in meinen Augen eher etwas betuliche Weinzierl-Reihe alle Kriterien eines Regional-Krimis erfüllt, sehe ich das bei der Alpen-Krimi-Reihe, wie sie inzwischen vom Verlag genannt wird, etwas anders.
Die Autorin verpackt stets brisante gesellschaftliche Themen in die Kriminal-Fälle. Mal geht es um illegale Pflegekräfte aus Osteuropa, dann um den ebenso illegalen Import von teuren Hundewelpen, um Biogas und den Gifteinsatz in der Landwirtschaft - und jetzt eben um die viel diskutierte Rückkehr der Wölfe nach Deutschland. Tier- und Umweltschutz prägen häufig die Themenwahl, dafür hat die engagierte Autorin bereits entsprechende Preise bekommen. Unterhalb dieser großen Fragestellungen gibt es dann eben ganz profan Mord und Totschlag, verpackt in eine turbulente Geschichte, mit viel Wortwitz, authentischen Dialogen und zwei Ermittlerinnen, die mit ihrem Team akribische Polizeiarbeit leisten.
Bedrohen Wölfe die Ruhe auf der beschaulichen Bäckenalm?
So läuft es auch in “Wütende Wölfe”. Die Kulisse bildet die Bäckenalm, wohin sich Irmi Mangold zu einer Art Sabbatical zurückgezogen hat. Mit anderen Natur-begeisterten will sie dort Käse herstellen, um ein Forschungsprojekt zu unterstützen. Aber es gibt gleich nächtlichen Aufruhr, weil vermeintlich ein Wolf die kleine Rinderherde beunruhigt hat. In der nächsten Nacht holt der Wolf ein Kaninchen - und mit der Ruhe auf der Alm ist es vorbei. Als es dann einen Zwischenfall mit durchgehenden Kühen und einer verletzten Frau gibt, kontaktiert Irmi widerwillig ihre Dienststelle, um sich die Hilfe der Kollegen zu sichern.
Die braucht sie aber erst tatsächlich, als sie in einer Wolfsfalle eine Leiche entdeckt. Der Tote ist an einem Herzinfarkt verstorben, aber dennoch gibt es für die Polizei zahlreiche Frage zu diesem Fund. Ein Nebenstrang der Handlung dreht sich um einen Bauern namens Kotz, der zunächst pöbelnd auf der Bäckenalm aufgetaucht war. Später findet Irmi ein Versteck mit einem ausgestopften Wolf und anderen Dingen. Kotz gesteht, die Bewohner der Alm erschreckt zu haben, weil sie ihm zu Wolfs-freundlich sind.
Tiefsitzende Ängste der Menschen werden mobilisiert
Wie gewohnt präsentiert Nicola Förg sehr viel Faktenwissen. Das zeigt sich bei dem Abschnitt zum Symposium auf einer Nachbar-Aml, das für die weitere Entwicklung der Kriminal-Geschichte wichtig ist, aber eben auch das Meta-Thema kräftig voran bringt. Mit der Rückkehr der Wölfe hat sich die Autorin ein überaus polarisierendes Thema ausgesucht, das nicht nur unter Landwirten und Jägern, sondern in der gesamten Bevölkerung - vor allem auf dem Land - für emotionale Debatten sorgt. Die Autorin lässt ihre Heldin auf der Alm leichte Sympathie für die Wölfe zeigen, aber insgesamt wird ein Bild der vielen Argumente rund um das Thema präsentiert - ohne zu einem Resultat zu kommen.
Immerhin zeigt Förg, mit welch skurrilen Methoden Menschen wie Bauer Kotz gegen den wieder eingebürgerten Isegrimm kämpfen. Da wird nichts ausgelassen, um tiefsitzende Ängste der Menschen gegen das einst ausgerottete Raubtier zu mobilisieren. Das kann man komödiantisch sehen, aber leider ist das in der Realität oft mehr als nerviger Unsinn.
Mehr als mühsame Ermittlungen für das Team um Mangold und Reindl
Bei den akribischen und schwierigen Recherchen zum Tod von Udo Wolf - so heißt der Mann in der Falle - zeigen sich Zusammenhänge zwischen Personen beim Symposium und den Teilnehmern eines Kunstkurses, die vor vielen Jahren zu einem längeren Ausflug in der Gegend waren. Es gab damals einen tragischen Todesfall, dessen nähere Umstände niemals komplett aufgeklärt wurden. Irmi und ihre Kollegen müssen mehr als mühsame Ermittlungsarbeit leisten, mehrfach ist der kriminalistische Spürsinn gefragt, um überhaupt weiter zu kommen.
Der Leser wird mit immer neuen Möglichkeiten, neuen Irrwegen und Wendungen bestens unterhalten. Das größte Problem der Polizisten ist es, ein brauchbares Motiv zu finden. Als sie damit endlich weiterkommen, entwickelt sich ein dynamisches Finale, das es in sich hat. Was beschaulich beginnt, endet mit viel Tempo.
Fazit:
Bei Nicola Förg scheiden sich die Geister. Für manchen Krimi-Puristen schreibt sie Regional-Krimis wie viele andere Autoren auch. In meinen Augen hebt sie sich dagegen - gemeinsam mit einer Handvoll anderer Schriftsteller in Deutschland - durchaus über diese Ebene hinaus. Und ihre bemerkenswerten Ober-Themen verbindet sie mehr als geschickt mit kriminellen Vorgängen, die von den sympathischen Ermittlerinnen und ihrem Team aufgeklärt werden - mal mit mehr, mal mit weniger Mühe. Lesenswert, unterhaltsam und immer wieder mit viel Stoff zum Nachdenken.
Nicola Förg, Pendo
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