Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod

  • dtv
  • Erschienen: Dezember 2019
  • 5

Susanne Goga-Klinkenberg (Übersetzung)

Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod
Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod
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Almut Oetjen
64°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2020

Mutter-Tochter-Gespann in Verschwörungsgeschichte

Maggie Carpenter aus Owl Creek in Maine erfährt, dass ihre 31-jährige Tochter Allison beim Absturz eines viersitzigen Flugzeugs in den Rocky Mountains von Colorado wahrscheinlich ums Leben gekommen ist. Der Tod von Allys 34-jährigem Verlobten Ben Gardner, CEO des Pharmaunternehmens Prexilane Industries, wird hingegen bestätigt. Da von Ally jede Spur fehlt, hofft Maggie, ihre Tochter sei noch am Leben.

Ally hat den Absturz tatsächlich überlebt. Sie hat mehrere Verletzungen, darunter eine entzündungsfähige am Bein, die sie versorgt. Sie deckt sich mit ein paar Lebensmitteln aus dem Flugzeugwrack ein und macht sich auf den Weg durch die Wildnis, um in bewohntes Gebiet zu gelangen. Ein Mann verbrennt das Wrack und verfolgt Ally.

Seit dem Tod ihres Ehemanns Charlie vor zwei Jahren hat Maggie mit ihrer Tochter nichts mehr zu tun, woran sie sich die Schuld gibt. Nun bemüht sie sich herauszufinden, was zur Entfremdung zwischen Mutter und Tochter geführt haben könnte. Bei ihren Recherchen stößt sie auf Informationen über Ben Gardner und Prexilane Industries. Das Unternehmen vertreibt ein Antidepressivum für junge Mütter mit postpartaler Depression, dessen Nebenwirkungen erheblich sind – bis hin zum Tod.

„Die Frauen von Owl Creek glaubten an die heilende Kraft der Aufläufe.“

Der Plot von „Freefall“ verbindet drei Themen miteinander: die Survival Tour der Überlebenskünstlerin Ally durch die Wildnis, die entfremdete Mutter-Tochter-Beziehung zwischen Ally und Maggie, Korruption und Vertuschung bei einem Pharmaunternehmen und einem FDA-Mitarbeiter. 

Kapitelweise wechselnd entfaltet Barry die Geschichten von Allison (Flucht und Reflexion) und Maggie (Trauer, Recherche und Reflexion). Allisons Fluchtbewegung treibt die Erzählung an. Der Wechsel in der Gleichzeitigkeit der Handlungen bedeutet immer auch eine Verringerung der Ereignisgeschwindigkeit.

Die Autorin zieht die Spannungskurve geschickt nach oben

Zugleich wachsen mit Allys Annäherung ans Ziel die Herausforderungen. Beginnend mit den beiden Initialzündungen, dem Flugzeugabsturz (Ally) und der Absturznachricht (Maggie), zieht Barry die Spannungskurve geschickt nach oben und erlaubt sich dabei keinen Durchhänger. Die Autorin steigert die Spannung in ihrem Thriller vor allem durch die Verbindung beider Perspektiven und das schrittweise Offenlegen der Hintergründe.

Ally erzählt ihre Fluchtgeschichte in der Gegenwartsform und durchsetzt sie mit Episoden aus ihrer Vergangenheit, die ihr helfen sollen, ihre aktuelle Situation besser zu verstehen.

Ihre Mutter hingegen erzählt die zeitgleich stattfindenden, sie betreffenden Ereignisse, jedoch in der Vergangenheitsform. Am Ende laufen beide Erzählungen in der Gegenwartsform zusammen.

Die Annäherung wird dramaturgisch unterstrichen durch zwischenmontierte Seiten, auf denen bis zur Ziellinie jeweils nur eine Zeile steht: die noch zurückzulegenden Kilometer.

Zwei intelligente Frauen, seit zwei Jahren einander entfremdet, beide auf der Suche, Maggie nach ihrer Tochter, Ally nach einem Ausweg. Getrennt sind sie durch die räumliche Distanz, verbunden sind sie durch ein emotionales Band, dass trotz der Entfremdung nicht zerrissen ist.

Die beiden Konflikte Allys und Maggies sind bestimmt durch eine Emotionalität, die uns tief in die Charaktere führt. Beide Frauen erleiden unverdientes Unglück, mit dem sie an verschiedenen Orten auf ihre Weise umgehen. Maggie reagiert teils ungehalten auf ihr Umfeld, was zugleich verletzend wie verständlich ist. Sie macht aber Punkte bei Nachbarn und Lesern, weil sie trotz ihrer enormen psychischen Belastung im nächsten Moment Anteilnahme zeigt. Ally bekommt mit ihrer schlimmen Verletzung ein körperliches Handicap für die Flucht zugewiesen. Allison und Maggie werden als Charaktere stückweise entwickelt durch ihr Verhalten in Extremsituationen, durch die Entscheidungen, die sie treffen. Barry führt Verschiebungen in der Wahrnehmung von Mutter und Tochter herbei, indem sie deren in den Ereignissen verborgenes Selbst freilegt.

Ally weiß, dass ihre Mutter der einzige Mensch ist, dem sie vertrauen kann. Während Maggie bei ihren Recherchen herausfindet, dass Ally in ein Netz aus Korruption, Betrug und Täuschungen verstrickt zu sein scheint. Als Action-Thriller funktioniert der Roman, auch wenn vieles bekannt und bis in manche Wendung hinein vorhersehbar ist. Hilfreich bei der Erzeugung von Spannung ist die schrittweise Versorgung der Leser mit Informationen und das gute Timing der Actionszenen. Allys Verfolger hat bis kurz vor Schluss einen geringeren Anteil an der Geschichte, vier kursive Einschübe, in der dritten Person Singular vermittelt.

Fazit:

Jessica Barry erzählt in ihrem Thriller „Freefall“ die Geschichte von Allison Carpenter, der Überlebenden eines Flugzeugabsturzes, ihrem Kampf, gegen alle Widrigkeiten nach Hause zu kommen, während sie von einem Auftragskiller verfolgt wird und ihre Mutter Maggie zu ergründen versucht, wie ihre Tochter sich in den vergangenen zwei Jahren entwickelt hat. „Freefall“ liest sich wie die Novelization eines Actionfilms. Sprachlich einfach gehalten, bei Ally überwiegend das schnelle, die Umweltbedingungen ihres Handelns beobachtende und zielorientierte Handeln spiegelnd, oft genug in Teilsätzen, die in Momenten der Selbstfokussierung mindestens einmal wiederholt werden.

Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod

Jessica Barry, dtv

Freefall – Die Wahrheit ist dein Tod

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