Die Geschichte kommt ein wenig behäbig daher
Die Kommissarin Zehra Erbay und ihr Chef Heiko Brand arbeiten mittlerweile in einem sterbenden Ast des Polizeiapparates: Nach einer kurzen Blütezeit ist das „Sonderdezernat für Tötungsdelikte mit fremdkulturellem Hintergrund“ ein totes Gleis. Wer kann, bewirbt sich weg, und wer das nicht will, bekommt vom Chef selbst sogar den Weg in andere Abteilungen gewiesen. Hier passiert nichts mehr.
Das ändert sich aber dann doch, als mitten in Berlin ein Mord passiert, der Merkmale eines Ritualmordes trägt und offensichtlicht in Richtung des in Afrika gängigen Glaubens an Amulette weist. Diese so genannten „Muti“ beziehen ihre besondere Wirksamkeit nämlich oft und gerne dadurch, dass menschliche Bestandteile verwendet werden – und damit sind nicht etwa Nägel oder Haare gemeint.
Nach heftigem Auftakt wird es ziemlich behäbig
Das Autorenduo Peter Gallert und Jörg Reiter steigt mit einer brutalen Passage über die Beschneidung eines afrikanischen Mädchens in die Geschichte ein, übernimmt aber anschließend eine afrikanische Tugend, die in erster Linie mit „Gelassenheit“ geschildert werden kann. In behäbigem Tempo werden die kleinen Machtkämpfe und Verstrickungen bei der Polizei Berlin geschildert, ehe durch ein Verbrechen an einem willkürlich ausgewählten jungen Mann erste Verdachtsmomente an einem Ritualmord aufkommen.
Unglücklicherweise sorgt dieser Auftakt dann auch schon für die ersten Fragen nach der Logik, denn warum sollte ein Mensch mitten in Deutschland zur Herstellung von – salopp formuliert – Hokuspokus verwendet werden, wenn es sicherlich möglich wäre, die benötigten „Zutaten“ relativ simpel von zuhause mitzubringen und dabei dann auch noch so dilettantisch vorzugehen, dass es die Polizei auf den Plan rufen muss?
Immerhin mit diesem Mord nimmt ein Roman um Flüchtlingselend, Fluchtursachen und neue Hoffnungen in einem neuen Land seinen Lauf, der aber ebenso von brutalen Praktiken und der Korruption in Afrika zu berichten weiß. Eine schöner Schachzug der beiden Autoren ist dabei, dass der Leser abschnittsweise vermutet, dass die beiden ermittelnden Kommissare selbst in den Fokus der schwarzen Magie geraten – ohne dass diese Behauptung im Buch explizit aufgestellt wird. Da soll doch noch mal jemand behaupten, er sei generell für Aberglauben unempfänglich.
Behäbig wie eine Bootspartie auf der Spree
Wer hier der Täter oder aber zumindest der Bösewicht in dieser Geschichte ist, daraus macht das Autorenduo kein großes Geheimnis. Die Geschichte dreht sich insbesondere um die Ermittlungsarbeit der Polizei und deren Suche nach dem Mörder. Diese Suche stellt sich oft behäbig dar und erscheint aus diesem Grund realistischer als die oft sehr temporeichen Werke anderer Autoren.
Unglücklicherweise geht dieser Eindruck aber auch zu Lasten der Spannung und verschiedene Passagen und insbesondere der polizeiinterne Hickhack oder der Streit mit involvierten Ministerien erscheint zäh wie Kaugummi. Fraglich ist auch, warum diese Bestandteile überhaupt eingeführt wurden, können sie doch allenfalls zeigen, dass auch in Deutschland nicht alles dem Demokratiegedanken entspricht - ohne aber zur eigentlichen Handlung beizutragen.
Fazit:
Unberührt von dem reißerischen Titel „Vodoo Berlin“ und den roten Schrammen, die das Buch zeichnen, haben Gallert und Reiter ein solides Werk ohne besondere Tiefen, aber unglücklicherweise auch ohne besondere Höhen geschaffen. Wem der Vorgängerband „Kopfjagd“ um den im Polizeidienst stehenden Ethnologen Heiko Brandt gefallen hat, der freut sich möglicherweise über ein Wiedersehen und eine weitere Entwicklung dieses tragischen Helden. Wer aber nach dem Klappentext ein „verstörendes und dunkles“ Werk erwartet, der fragt sich bei Lektüre des Buches immer wieder, wann es denn verstörend und dunkel werden mag.
Jörg Reiter, Peter Gallert, Emons
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