Flashback – Was hast du damals getan?
- Heyne
- Erschienen: Juli 2020
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Frank Dabrock (Übersetzung)
Langatmiges Verwirrspiel um Sein und Schein
2009: Über den Dächern von Brooklyn feiert eine Gruppe junger New Yorker wie im Rausch. Für die 23-jährige Lindsay Bach endet die Party mit ihren Hipster-Freunden wie so oft mit einem Blackout. Am nächsten Morgen erinnert sie sich an nichts. Doch etwas Schreckliches ist passiert: Während alle feierten, hat sich ihre beste Freundin Edie Iredale wenige Stockwerke tiefer erschossen. Doch einiges erscheint seltsam und lässt ihre Freunde an einem Selbstmord zweifeln.
Wiedersehen nach zehn Jahren
2019: Lindsay hat mit den Ereignissen von vor zehn Jahren eigentlich abgeschlossen. Doch in einem selten Anflug von Nostalgie entscheidet sie sich, ihre alte Freundin Sarah, die ebenfalls in einer engen Beziehung zu Edie stand, zu kontaktieren. Alte Wunden reißen wieder auf, und in Lindsay wächst mehr und mehr der Verdacht, dass damals nicht alles so abgelaufen ist, wie es den Anschein machte.
War Edies Tod wirklich Selbstmord? Wer könnte ihr etwas angetan haben? Stück für Stück setzt Lindsay das Bild jener verlorenen Nacht zusammen. Nur ihre eigene Erinnerung lässt sie dabei immer wieder im Stich, und sie beschleicht ein grauenhafter Verdacht.
Reise- und Lifetsyle-Autorin
Andrea Bartz arbeitet als Journalistin und lebt in Brooklyn. Sie ist Co-Autorin des erfolgreichen Blogs Stuff Hipsters Hate und schreibt für das Wall Street Journal, Marie Claire, Vogue, Cosmopolitan und viele andere namhafte Magazine. Mit „Flasback“ veröffentlicht die New Yorkerin nun ihren ersten Thriller, der mit Mila Kunis in der Rolle der Lindsay aktuell verfilmt wird. Mit „The Herd“ erschien in den USA im März bereits Bartz‘ zweiter Roman. Das Library Journal verglich Andrea Bartz bereits mit Gillian Flynn („Gone Girl - Das perfekte Opfer“) und Paula Hawkins („Girl on the Train“).
Wenn die Erinnerungen wiederkehren
Eigentlich kann man bei einem derartig angelegten Plot nicht viel falsch machen: eine wilde Party, reichlich Alkohol, Filmriss und das plötzliche Auffinden einer Leiche. Auch wenn diese Idee nicht neu ist, birgt sie doch immer wieder enorme Brisanz. Besonders die Unfähigkeit, sich an das Geschehen zu erinnern, das Spiel mit Sein und Schein und bruchstückhafte Erinnerungen bieten reichlich Platz für Spannung und Nervenkitzel.
Was A. J. Finn mit „The woman in the window“ so meisterhaft umgesetzt hat, scheitert hier auf ganzer Linie. Die Story ist absolut unglaubwürdig, die Handlung zieht sich, wird erst zum Ende hin leidlich spannend und die Figuren sind stereotype, klischeebeladene Abziehbilder. Des Weiteren verhält sich Lindsay, die Ich-Erzählerin, nicht wie eine mitten im Leben stehende 33-jährige Frau, die in New York für ein Zeitungsmagazin arbeitet, sondern wie eine nervige, unreife Teenagerin, der sich ständig selbst bemitleidet.
Ein „Flashback“, also ein plötzliches Wiedererleben der damaligen Ereignisse rund um den Tod ihrer Freundin Edie, ausgelöst durch einen Schlüsselreiz, hat Lindsay ebenso wenig. Aus reiner Langeweile nimmt sie Kontakt zu ihrer früheren Freundin Sarah auf, die mit ihrem Mann wieder nach New York gezogen ist. Als sie über Edie und den angeblichen Selbstmord sprechen, löst nicht etwa ein möglicher Zweifel am damaligen Suizid ihrer Freundin eine böse Vorahnung in ihr aus, sondern die Tatsache, dass das Lindsay angeblich am Abend der Tat gar nicht vor Ort gewesen sein soll. Darüber hinaus beteuert Sarah, dass Edie sie sowieso lieber gehabt hätte als Lindsay.
Schwache Story
Dass es schon 2009 starke Zweifel von Seiten der Freunde am vermeidlichen Suizid Edies gab, spielte für diese jedoch zehn Jahre lang überhaupt keine Rolle und fand damals auch gegenüber der Polizei kaum Erwähnung. Nun will Lindsay aber plötzlich den Fall - eher aus Eitelkeit denn aus Gerechtigkeitssinn - neu aufrollen. Hilfe bekommt sie von ihrer Freundin Tessa, die nicht nur Lindsays altes E-Mail-Konto knacken kann, sondern ihr auch die polizeilichen Fallakten besorgt.
Auch ihr heterosexueller Freund Damien, der gerne nach dem Sport in seinen Radlerhosen die beiden Freundinnen besucht und mit ihnen zusammen kocht, steht Lindsay hilfreich zur Seite. Mit Hilfe rekonstruierter E-Mails und einem alten Flip-Cam-Video versucht sie die Geschehnisse von damals zu rekonstruieren. Hierzu kontaktiert sie auch ihre alten Freunde aus der Clique und behelligt dann auch noch - kurz vor dem 10. Todestag - Edies Mutter, die sie dreist anlügt, um „ihr“ Problem zu lösen - nämlich das Füllen ihrer alkoholbedingten Gedächtnislücke.
Fazit:
Der Roman ist inhaltlich, besonders was die Figurendarstellung und den Spannungsaufbau betrifft, schlichtweg enttäuschend. Die Handlung ist mehr als konstruiert, die Verknüpfung der zwei Zeitebenen vollkommen missraten, das Motiv für Lindsays plötzliches Interesse am Tod ihrer besten Freundin - nach zehn Jahren - könnte unpassender nicht beschrieben werden. Andrea Bartz ist qualitativ weit entfernt von Autorinnen wie Hawkins und Flynn.
Andrea Bartz, Heyne
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