55 – Jedes Opfer zählt
- Heyne
- Erschienen: Oktober 2020
- 4
Alexander Wagner (Übersetzung)
Staubtrocken und erbarmungslos wie das australische Outback
In der kleinen australischen Stadt Wilbrook tickt die Zeit in einem gemächlichen Rhythmus. Hier sorgt Police Sergeant Chandler Jenkins mit seiner kleinen Crew für Ruhe und Ordnung, wobei eigentlich aber nie etwas passiert. Umso mehr wird die beschauliche Ruhe aus dem Takt gebracht, als ein aufgelöster junger Mann namens Gabriel auftaucht, der behauptet, mit knapper Not einem Killer entgangen zu sein; dieser habe ihn betäubt, entführt und gefesselt. Nur mit Glück habe er entkommen können und dabei gesehen, dass der angehende Killer sogar schon ein Grab für ihn bereitet habe, in einer Reihe mit anderen bereits aufgefüllten Gräbern. Jenkins lässt sofort eine Fahndung anrollen und alsbald erwischen sie den Beschuldigten. Aber der behauptet, mit knapper Not einem Killer entgangen zu sein. Dieser habe ihn betäubt, entführt und gefesselt. Nur mit Glück habe er entkommen können und habe dabei sogar gesehen dass der angehende Killer sogar schon ein Grab für ihn bereitet habe, in einer Reihe mit anderen bereits aufgefüllten Gräbern. Dieser Killer habe den Namen Gabriel getragen ...
Rätsel Down Under
James Delargy beschreibt in seinem Debutromam 55 – Jedes Opfer zählt ein Verbrechen, wie es nur in einem dünn besiedelten, lebensfeindlichen Umfeld möglich ist. In Australiens Outback kann es vorkommen, dass irgendwer eine einfache Blockhütte baut, hier seinen Lebensunterhalt irgendwie sicherstellt und noch nie von seinen Nachbarn gesehen wurde. Keiner weiß, was er tut, keiner hört, wenn jemand auf seinem Grundstück um Hilfe schreit, keiner findet ein Grab. Namenlose Tramper können hier einfach verschwinden und niemand vermisst sie. Vor diesem Hintergrund baut Delargy die Handlung auf, in der sich zwei Männer mit fast identischen Geschichten eines Verbrechens beschuldigen und die Polizei, die versucht dieses Verbrechen aufzuklären, nach ihrer Pfeife tanzen lässt.
Delargy hat aber dieses Drama zwischen den beiden Männern, zwischen Täter und Opfer, noch um eine weitere Ebene erweitert: Sergeant Jenkins‘ ehemals bester Freund Mitch Andrews, der die Kleinstadt hinter sich ließ und die Karriereleiter emporkletterte, reißt mitsamt seinem Team die Ermittlungen an sich. Auch hier öffnet sich zwischen zwei Männern ein tiefer Graben, versucht der eine doch korrekt – aber auch menschlich – die verworrene Geschichte aufzuklären, wogegen der andere blindwütig seine Karriere pushen will. Es ist aber nicht erst die jetzige Suche nach diesem Täter, die ihre Freundschaft zum Scheitern bringt; in der Vergangenheit suchten sie schon einmal nach einem im Outback vermissten jungen Mann und bereits hier wurden ihre unterschiedlichen Charaktere zu Tage gebracht, die Weichen für die Zukunft neu gestellt. Diese beiden Suchen nach den jeweiligen Nadeln im Strohhaufen, die zwar jahrelang auseinander lagen, werden hier geschickt miteinander verbunden, bis sie zuletzt im Showdown noch einmal einen fürchterlichen Höhepunkt und ein gemeinsames Echo finden.
Reiselustiger Autor
Wer länger James Delargys Roman liest, der sucht vermutlich irgendwann einmal nach den Angaben über den Autor und will wissen, ob er ein eingeborener Australier ist, beschreibt er doch die Landschaft des Outback und dessen Lebensfeindlichkeit so einprägsam, dass einen schon die Lektüre durstig macht. Tatsächlich ist er aber ein in England lebender Ire, der aber viele abenteuerliche Jahre in verschiedenen Ländern – darunter auch Australien – verbrachte. Sein Roman spielt nicht mit Seen von Blut, sondern mit der Dürre der Landschaft, ihrer Lebensfeindlichkeit und der besonderen Art seiner Menschen. Damit wird von Anfang an eine besondere Spannung aufgebaut, die vielleicht nicht alle in sie gesetzten Erwartungen erfüllt, aber deren Kurve konsequent ansteigt. Der letzte Twist der Handlung führt den Leser wiederum zu den letzten Opfern eines Verbrechens, und auch da stellt sich erneut die Frage, wer denn jetzt als Täter auszumachen und zu bestrafen ist.
Fazit
Delargy hat einen staubtrockenen, detaillierten und in seiner kühlen Nüchternheit klaren Krimi geschaffen, der den Leser von der ersten Seite zu fesseln vermag und zu einer Auflösung führt, bei der sich das Schreckliche allein im Kopf des Lesers abspielt und damit noch einmal besonders beeindruckt
James Delargy, Heyne
Deine Meinung zu »55 – Jedes Opfer zählt«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!