Das Gesicht des Bösen
- Blessing
- Erschienen: April 2020
- 2
Klaus Berr (Übersetzung)
Zum 19. Mal Tempe Brennan
Bereits seit 1998 lässt Kathy Reichs ihre forensische Anthropologin Tempe Brennan ermitteln. Mit „Das Gesicht des Bösen“ liegt der mittlerweile 19. Band der Reihe vor, die inzwischen auch Einzug ins Fernsehen gehalten hat, wobei allerdings in der Serie „Bones – Die Knochenjägerin“ lediglich Motive aus den Büchern verwendet werden.
Reichs weiß wovon sie spricht
Nicht von Ungefähr ist Reichs Protagonistin eine forensische Anthropologin, die aus beruflichen Gründen zwischen Quebec und North Carolina pendelt. Sie ist quasi das Alter Ego der Autorin, die genau diesen Beruf an genau diesen Orten ausübt. Man kann also gewiss sein, dass alles Fachliche in den Thrillern fundiert ist und jeder vorkommende Ort eingehend bekannt sein dürfte. Und so stehen auch normalerweise die Arbeit im forensischen Labor und im „Stinker“, dem Sektionsraum für die besonders mitgenommenen Leichen, im Vordergrund, während die Fälle natürlich immer anders geartet sind. Doch dieses Mal wird Tempe quasi aus der Pathologie gemobbt, ihre neue Chefin ist so gar nicht gut auf sie zu sprechen…
Tempe kämpft an mehreren Fronten
Auch eine Temperence Brennan wird älter, was sie in letzter Zeit immer häufiger merkt, was aber nicht zwangsläufig an dem entdeckten Hirnaneurysma liegt, dass zwar behandelt ist, aber ihr dennoch Probleme bereiten kann. Schlimmer als das, ist ihre neue Chefin Margot Heavner, die nach Larabees Tod das Sagen als Medical Examiner von North Carolina hat und mit Tempe eine schon länger schwelende gegenseitige Abneigung pflegt, was diese jetzt deutlich zu spüren bekommt – die Aufträge bleiben aus. Doch Tempe wäre nicht Tempe, wenn sie nicht nach dem Erhalt mehrerer Fotos eines schlimm zugerichteten unidentifizierbaren Toten die Ermittlungen aufnimmt, erst recht nachdem klar ist, dass Heavner nicht vorwärts kommt. Mit Detective Slidell hat sie einen, wenn auch etwas ruppigen Helfer an der Seite, mit dem sie sich immer tiefer in den Pfuhl rund um Kindesentführung, Missbrauch und Verschwörungstheorien wühlt. Und schon ist sie wieder einmal selbst bedroht und muss ihren Kopf retten.
Same procedure as every time
Der Aufbau in den Thrillern dieser Serie variiert so gut wie nie: Fall; eine forensische Anthropologin wird benötigt; Tempe ermittelt und das so gut, dass die Polizei einpacken kann; private Probleme machen ihr zusätzlich das Leben schwer und die ganz direkte persönliche Bedrohung zum Schluss erst recht. Aber, es ist bereits der 19. Teil und so ist auch klar, dass sie immer irgendwie heil raus kommt. Dieses Mal fallen die Untersuchungen in der Pathologie so gut wie aus, dennoch kann sich Reichs die üblichen sehr ausladenden Exkurse zu forensischen Themen nicht verkneifen. Diese sind dann wieder gespickt mit Abkürzungen, deren Bedeutung man sich am besten notiert, so oft wie sie gebraucht werden. Nach der Lektüre weiß man definitiv mehr in Bezug auf Chorea Huntington, das Dark Net und so manches andere Computerdetail. Liebhaber von Temperence Brennan werden vielleicht gerade wegen dieser Exkurse der Serie erhalten bleiben. Wer aber nicht zu diesem harten Kern gehört, dürfte langsam gelangweilt sein, zumal sich der Stil natürlich auch nicht ändert. Wir befinden uns quasi wieder einmal im Kopf von Tempe, die alles aus ihrer Sicht und in ihrer Ausdrucksweise berichtet. Der Aufbau und die Protagonistin sind somit unverändert und erzeugen wirklich keine Spannung mehr – der Fall aber dieses Mal auch nicht. Der ist doch sehr konstruiert und schleppt sich scheinbar ewig dahin bis die erste Wendung eintritt, doch die reißt die Spannung auch nicht in himmlische Höhen. Der Schluss gibt dem ganzen dann buchstäblich den Rest und lässt einen weiteren Teil der Serie erahnen.
Das Setting ist einmal mehr stimmig
Neben Brennan und Slidell dürfen wieder so gut wie alle anderen Mitstreiter auftreten: Mama Daisy, Kollege Hawkins, Ex-Mann Pete, Lover Ryan... und natürlich Kater Bird. Man sollte die Vorgänger zu diesem Buch wenigstens einigermaßen kennen, damit man sich hier zurecht findet, aber man steigt ja auch selten erst mit dem 19. Band einer Serie ein. Auch das Setting ist wieder einmal Charlotte und kurz auch Quebec. Doch hier macht sich die Konstanz in den Beschreibungen bezahlt, denn die Atmosphäre im sommerlich heißen North Carolina ist wieder einmal bestes geglückt. Die unglaubliche Schwüle und Hitze ist fast schon greifbar und die Klimaanlagen-produzierte Kälte in den Räumen auch. Die Natur und auch das Stadtleben sind anschaulich, wobei natürlich wieder einmal jede Kreuzung und jedes Restaurant Erwähnung zu finden scheint, was mich immer schon etwas genervt hat, immerhin lese ich einen Thriller und kein Navi. Dennoch, das Setting reißt so manchen Durchhänger in der Geschichte raus.
Fazit
Temperence Brennan in Höchstform und durch nichts zu stoppen! Dennoch ist „Das Gesicht des Bösen“ eher etwas für eingefleischte Fans der Reihe, denn zum Einstieg in die Serie ist es mit dem 19. Band zu spät und der ewig gleiche Aufbau und die ewig gleichen Personen wissen wahrscheinlich nur noch sie zu schätzen.
Kathy Reichs, Blessing
Deine Meinung zu »Das Gesicht des Bösen«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!