Unsere dunkle Seite
- Blanvalet
- Erschienen: Juli 2021
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Simone Schroth (Übersetzung)
Hier tun sich wahre Abgründe auf
Die Niederländerin Anita Terpstra ist Schriftstellerin und Journalistin. Mit „Unsere dunkle Seite“ ist ihr dritter Thriller bei Blanvalet erschienen. Wie schon in den beiden Vorgängern entführt sie auch dieses Mal den Leser in die Abgründe der menschlichen Psyche.
Mischa und Nikolaj bekriegen sich
Für die Ballettwelt sind Mischa und Nikolaj das perfekte Traumpaar. Wenn sie zusammen tanzen, ist Perfektion und Genuss garantiert. Doch in der Ehe kriselt es schon lange und der Tod ihrer Tochter machte das Ganze noch schlimmer. Nach einem Streit steht ihr Haus in Flammen; die beiden können nur noch mit schweren Brandverletzungen geborgen werden. Im Krankenhaus beschuldigen sie sich gegenseitig das Feuer gelegt zu haben, in der Absicht den anderen zu töten. Wer sagt die Wahrheit? Ein wahres Puzzlespiel auf der Suche nach dem wahren Täter beginnt.
Ein Thriller mit Sogwirkung
Das Geschehen setzt nach dem Brand ein, wenn Mischa und Nikolaj in getrennten Zimmer aufwachen und realisieren, dass sowohl ihre Beziehung als auch ihre Karrieren vorbei sind – sie werden nie wieder tanzen können. Die schweren Wunden lassen Narben auf Haut und Seele zurück. Terpstra lässt den Leser tief in die Gefühlswelt der beiden Protagonisten eintauchen, denn Mischa und Nikolaj erzählen in diversen Kapiteln ihre Geschichte selbst. Rückblicke in unterschiedliche Zeiträume der Vergangenheit offenbaren sowohl die Charaktere der beiden Alphatiere, als auch ihre Beziehung zu einander und zu anderen Mitgliedern der Kompanie. Dabei werden die beiden durch ihre Egomanie immer unsympathischer. Doch gerade diese stückweise Entwicklung der Charaktere, die unterschiedlichen Sichtweisen und vor allem die wendungsreiche Entwirrung, was wirklich geschah, schüren die Spannung enorm und entwickeln eine Sogwirkung, die auch durch die teilweise Unlogik in den Handlungen nie wirklich abebbt.
Spannung bis zur letzten Seite
Bis zum Schluss wird der Leser mal auf die eine, mal auf die andere Seite gezogen, je nachdem wer gerade erzählt. Das garantiert Spannung von der ersten bis zur letzten Seite. Die teilweise erst nur durch Andeutungen angerissenen Vorkommnisse machen den Leser neugierig, was wirklich geschah und die immer nur stückweise gewährten Einblicke und Erkenntnisse tun den Rest. Die Geschichte spitzt sich immer mehr zu, bis zum Schluss kl der finale Kracher kommt, der zwar, wie so manche andere Handlung, etwas konstruiert ist, aber dennoch den Thriller würdig abschließt.
Amsterdam spielt nur eine Nebenrolle
Obwohl der Thriller in Amsterdam angesiedelt ist, könnte er in jeder Stadt mit einem Ballettensemble statt finden, denn das Setting ist weniger die Stadt als viel mehr der Probenraum und die Bühne und natürlich das Krankenhaus. Man muss sich auf teilweise (zu) lange Passagen gefasst machen, in denen die Welt des Balletts thematisiert wird. Das ist bei den beiden Protagonisten natürlich zu erwarten, doch manchmal gerät die Autorin regelrecht ins Schwärmen und die Schilderungen des anstrengenden und alles fordernden Tanzberufes mit allen seinen Schattierungen werden etwas ausufernd. Jedoch schafft Terpstra auch hier die Rivalität unter den Tänzern der Kompanie zu vermitteln, die von Neid und Konkurrenzkampf zerfressen sind und wissen, Klatsch und Tratsch zu ihren Gunsten auszunutzen. Für Kenner dürfte die Kombination Ballett-Psychothriller eine wahre Glanzvorstellung sein, für weniger Involvierte könnte es vielleicht manchmal etwas langatmig oder sogar verwirrend sein, wenn die Autorin mal wieder tief in das Genre eintaucht.
Fazit
„Unsere dunkle Seite“ zeigt, dass auch unsympathische Charaktere durchaus fesselnd sein können. Anita Terpstra ist ein Thriller mit Sogwirkung gelungen, den man kaum aus der Hand legen kann. Für Ballettfans dürfte es besonders spannend sein, alle anderen müssen sich mit teilweise sehr ausführlichen Passagen zum Thema Tanzen abfinden.
Anita Terpstra, Blanvalet
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