Nordseedämmerung
- Heyne
- Erschienen: Mai 2020
- 2
Anregende Strandlektüre
Kriminalhauptkommissar Tobias Velten befindet sich in einer Sinnkrise. Seinen letzten Urlaub hat er damit verbracht, sich von morgens bis abends um den Verstand zu saufen, jetzt kommt er langsam wieder auf die Füße. Natürlich nimmt aber sein Arbeitgeber keine Rücksicht auf solche Befindlichkeiten und so wird der Polizist zur Koordinierung des Personenschutzes nach Juist entsandt. Hier will nämlich der deutsche Bundespräsident Jochen Bramberger mitsamt Ehefrau seinen Urlaub verbringen.
Was nach einem recht gemütlichen Aufenthalt klingt, entwickelt alsbald eine spezielle Dynamik als klar wird, dass der Urlaub vom Begräbnis des Politikers gekrönt werden soll – wenn es nach dem Willen einiger Gruppierungen geht. Problematisch ist auch, woher diese überhaupt ihre Informationen haben, denn eigentlich wurden diese nur in Polizeikreisen besprochen…
Eher beschauliche Kulisse für ein Verbrechen
Christian Kuhn schickt in seinem ersten Roman „Nordseedämmerung“ einen angegriffenen Helden auf die Reise ans Meer. Natürlich kann man sich fragen, ob das beschauliche Juist tatsächlich eine Bühne für Verbrecher oder Attentäter bildet. Grundsätzlich ist es aber auch keine dumme Idee, einen Staatsmann in seinem Urlaub ins Visier zu nehmen – und da sind wir doch schon wieder richtig.
Für den Ermittler Tobias Velten kommt ein bisschen Urlaub neben der Arbeit auch nicht ungelegen und so gelingt Kuhn die schöne Verbindung, einerseits seinen Krimi voranzutreiben und andererseits mit Informationen über das Inselleben ein wenig Urlaubstimmung zu vermitteln. Als Nebeneffekt kann dann auch der Insel-Neuling, der dieses Buch möglicherweise auf der Zugfahrt in den Nordseeurlaub liest, mit einem kleinen Wissensvorsprung glänzen.
Figuren werden in Schwarz-Weiß-Malerei dargestellt
Kuhn bleibt aber auch dem Krimithema treu und entwickelt einen gradlinigen Plot über das geplante Attentat. Störend ist hier aber, dass seine Figuren in bester Tradition in der guten alten Schwarz-Weiß-Malerei dargestellt werden. So ist der zu beschützende Bundespräsident ein arroganter, unausstehlicher - Pardon - Mistkerl, bei dem der Leser fast zum Schluss kommen könnte, dass es ihm gar nicht so schlecht bekommen würde, wenn er so einen kleinen…sagen wir mal … Streifschuss….
Natürlich ist der Held aber professionell genug, um diesen hässlichen Gedanken der Kritik nicht zu unterstützen und so entwickelt sich ein spannendes Wettrennen um das Leben des unsympathischen Politikers. Neben diesen Untersuchungen wird die Handlung noch um weitere Ermittlungen nach einem „Maulwurf“ in der Truppe ergänzt, denn wird klar, dass nicht nur die Regenbogenpresse über die Urlaubspläne des Präsidenten bestens informiert ist. Ein kleines Manko tut sich in Kuhns Schilderungen der zwischenmenschlichen Beziehungen auf, bleiben diese doch ähnlich kühl wie die Nordsee im Frühsommer.
Fazit:
Unterm Stricht bietet Kuhns‘ Roman eine entspannte Urlaubslektüre und wer ihn mit Reiseziel Juist in den Koffer packt, der fühlt sich vor Ort möglicherweise noch etwas besser in die Handlung eingebunden. Wer ihn schlicht im Rheinland liest, der hätte sich noch ein bisschen mehr Inselstimmung gewünscht, aber für eine unterhaltsame Lektüre am See oder am Pool ist mit diesem Buch gesorgt.
Christian Kuhn, Heyne
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