Die Mörderinsel
- Limes
- Erschienen: März 2020
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Mörderjagd auf Usedom
Der Hotelbesitzer Holger Simonsmeyer, angeklagt des Mordes an einer 20-jährigen Frau aus seinem Heimatdorf Trenthin, wird freigesprochen. Er und seine Familie hoffen, dass damit nun endlich alles überstanden ist. Doch im Dorf herrscht Misstrauen, nur wenige glauben an die Unschuld des Hoteliers.
Für die meisten Bewohner auf der Ostsee-Insel Usedom steht fest, dass der Freispruch des Hoteliers ein Skandalurteil ist. Schließlich wurde dieser zuletzt mit der ermordeten Susan Illing von einer Zeugin gesehen. Außerdem schwieg Simonsmeyer während des Prozesses zu den Gründen seines Treffens mit dem Opfer. Was versuchte er zu verbergen? Hatte der vermeintliche Täter ein Verhältnis mit der jungen Frau? Oder wurde er zu unrecht verdächtigt?
Von Schuldgefühlen geplagt
Zum Schutz der Mädchen und jungen Frauen gründet man auf der Insel nach der Rückkehr des mutmaßlichen Täters eine Bürgerwehr. Als erneut ein Mord geschieht, eskaliert die Situation zunehmend. Hilfesuchend wendet sich Bettina Simonsmeyer an die Journalistin Doro Kargel: „Sie müssen uns helfen […], sie sind unsere letzte Hoffnung“.
Dennoch ignoriert die Reporterin deren Wunsch. Wer interessiert sich schon für einen freigesprochenen mutmaßlichen Mörder? Einige Monate später steht Doro Kagel schockiert vor den Ruinen eines ausgebrannten Hauses in Trenthin. Hat die Familie einen schrecklichen Blutzoll bezahlen müssen? Von Schuldgefühlen geplagt beginnt Doro, den Fall neu aufzurollen.
Doro Kargel ist zurück
Eric Walz, der unter seinem Pseudonym Eric Berg Kriminalromane schreibt, landete 2013 mit seinem Roman „Das Nebelhaus“ einen Volltreffer. Die gelungene Mischung aus Whodunit-Krimi, Drama und teils mystisch anmutenden Thrillerelementen begeisterte sowohl Leser als auch Kritiker. 2017 wurde der Roman mit Felicitas Woll für Sat.1 verfilmt. Seit Jahren gehört Berg zu den besten deutschen Krimiautoren und steht mit seinen Werken regelmäßig in den Bestsellerlisten. Mit „Die Mörderinsel“ veröffentlicht der Wahl-Berliner nun den zweiten Band um die Journalistin Doro Kagel.
Typischer Berg-Krimi
Kaum einem Autor ist es in den letzten Jahren derart gut gelungen, seinen ganz besonderen Schreibstil zu finden, auch wenn Eric Bergs Romane bekannte klassische Elemente enthalten. So verbindet er Suspense-Effekte, wie man sie meisterhaft bei Alfred Hitchcock findet, mit der typischen Personen-Konstellation einer Agatha Christie. In den Romanen der Queen of Crime wird zumeist ein geschlossener Personenkreis eingeführt, dessen Mitglieder allesamt in gewisser Weise verdächtig erscheinen und direkt oder indirekt am Mord beteiligt sind. Diese Personen sind bei Berg normale Leute von Nebenan, die jeder kennt, und keine Psycho- oder Soziopathen.
Die Täter geraten eher aus Verzweiflung und durch zufällige Ereignisse in Situationen, die sie zu Mördern machen. Die eigentliche Geschichte schwächelt diesmal aber etwas, da es Berg nicht schafft, den Spannungsbogen konstant hochzuhalten. Mitunter erscheint die Handlung etwas zu verschachtelt. Die besondere Stärke des Autors ist es aber erneut, Menschen und ihre Beziehungen in den Mittelpunkt der Handlung zu stellen. Berg geht es in seinem aktuellen Roman weniger um ausufernde Gewalt, sondern um emotionale Zwangslagen und persönliche Ausweglosigkeiten.
Multiperspektivischer Erzählstil
Ebenfalls typisch für den Autor ist sein ganz besonderer Erzählstil. Er zeichnet sich unter anderem durch die Darstellung der Handlung auf verschiedenen Zeitebenen aus. Hier werden sowohl die Ereignisse zum Zeitpunkt der Ermordung der jungen Susan dargestellt, wie auch die Reaktionen der Inselbewohner, nachdem der mutmaßliche Mörder zurückgekehrt ist. Zuletzt geht es um die Ermittlungen der Journalistin einige Monate später. Dadurch, dass Eric Berg auch die Erzählperspektiven munter wechselt, setzt sich für den Leser erst nach und nach ein Bild zusammen, wobei man mitunter mehr Informationen besitzt als die ermittelnde Doro Kagel. Trotz allem verliert man als Leser nie die Überblick.
Kritisches Gesellschaftsbild
Berg zeichnet auf dem eng begrenzten Raum einer Insel das Bild einer zerrissenen, selbstgerechten Gesellschaft. Hinter der Fassade der Dorfgemeinschaft kommt es zu Streitigkeiten, ja sogar blankem Hass. Alte, bisher unterdrückte Feindseligkeiten kommen zum Vorschein. Aus Freunden und Bekannten werden verbitterte Gegner. Vor dem Idyll einer friedliebenden Insel geschieht Schreckliches.
Die Menschen lassen sich von eigenen Interessen, Neid und persönlichem Vorteil leiten. Da ist es nur konsequent, dass selbst der Mörder letztendlich nur Opfer einer Gesellschaft wird, die selber festlegt, was richtig und was falsch ist. Statt Selbstkritik gibt es nur gegenseitige Schuldzuweisung. Familiäre Probleme spielen ebenso eine zentrale Rolle wie die Frage nach Loyalität und Freundschaft. Am Ende muss jeder Dorfbewohner für sich klären, welchen Anteil er an den Morden hat. Hier fehlt es dem Roman aber an einer tiefer gehenden Darstellung.
Fazit:
Berg selber hat die Messlatte durch sein beeindruckendes Krimidebüt extrem hoch gelegt. Auch wenn sich ein Vergleich eigentlich verbietet, mag es dem einen oder anderen Leser etwas an Tempo und Nervenkitzel fehlen. Seine Stärke zieht der Roman aus etwas anderem: Der Autor zeichnet in beeindruckender Weise das Bild einer narzisstischen, selbstgerechten Dorfgemeinschaft, die in der dargestellten Extremsituation ihr wahres Gesicht offenbart. Hinsichtlich des zu erwartenden Endes lässt Berg den Leser lange Zeit im Unklaren, da erst spät alle Handlungsfäden zusammengeführt werden. Insgesamt ein lesenswerter Krimi.
Eric Berg, Limes
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