Rattenflut

  • Knaur
  • Erschienen: April 2020
  • 1
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Stephanie Manig
100°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2020

Verstörender Horror mit Realitätsbezug

Es ist alles andere als leichte Kost, die Thriller-Autor Andreas Gößling den Lesern seines aktuellen Thrillers „Rattenflut“ zumutet. Ein Menschenhandelskartell, das unter dem Deckmantel der Wohltätigkeit Kinder entführt, foltert, vergewaltigt und ermordet – das ist nicht leicht zu verdauen.

Die menschliche Handelsware kommt dabei unter anderem aus einer Berliner Kinderkrebsklinik. Die kleinen Patienten werden zur Rehabilitation in eine Einrichtung auf der Insel Maipaan in der Timorsee verlegt. Doch dort erwartet die Kinder nicht etwa eine liebevolle Betreuung und die Stabilisierung ihres Gesundheitszustands, sondern stattdessen grausame Folterrituale und ein qualvoller Tod. „Rattenflut“ ist ein schwer zu ertragendes Buch - insbesondere dann, wenn man weiß, dass dieses Horrorszenario nicht der Fantasie des Autors entsprungen ist, sondern auf tatsächlichen Begebenheiten beruht. Aus diesem Grund ist „Rattenflut“ auch als True-Crime-Thriller etikettiert.

Abscheuliche Skandale aus der Wirklichkeit als Grundlage

Auf grässliche Weise beispielgebend für Andreas Gößlings jüngstes Werk sind die realen Skandale um den schwerreichen Jeffrey Epstein, der auf seiner Privatinsel „Little St. James“ junge Mädchen missbrauchte, und der sich inzwischen in der Haft das Leben nahm, und den englischen Moderator Jimmy Savile, der als Schirmherr einer Wohltätigkeitsorganisation unter anderem ungehinderten Zutritt zu Kinderhospizen hatte, um dort seine widerlichen Gelüste zu befriedigen.

Nicht nur die von Gößling sehr explizit geschilderten Folter- und Mordszenen sind verstörend, sondern eben – und vor allem – auch die Tatsache, dass solche Kartelle tatsächlich existieren, die die Wehrlosigkeit ihrer Opfer auf brutalste Weise ausnutzen. Ich weiß nicht, wie viele Thriller ich in meinem bisherigen Leben schon gelesen habe – es müssen unglaublich viele gewesen sein. Doch „Rattenflut“ hat sich mit seiner Grausamkeit unauslöschlich in mein Gehirn eingebrannt.

Dreidimensionale Figuren und ein prägnanter Schreibstil

Dabei ist dieser Thriller bereits der dritte Teil einer Reihe um die LKA-Ermittlerin Kira Hallstein. Die Vorgänger „Wolfswut“ und „Drosselbrut“ habe ich nicht gelesen, doch es wäre wohl durchaus angezeigt gewesen, denn die Jagd auf das Menschenhandelskartell „Die Bruderschaft“ ist das, was die kompromisslose Kira Hallstein seit dem ersten Teil antreibt.

Andreas Gößling lässt die Ereignisse aus den beiden ersten Bänden in „Rattenflut“ bruchstückhaft Revue passieren, sodass auch diejenigen Leser, die sich zuerst dem dritten Teil der Reihe widmen, wissen, was bisher geschah. Der Autor geht generell sehr organisiert zu Werke, denn er führt den Leser sicher und unmissverständlich durch die komplexen Handlungsstränge, die in kurze und prägnante Kapitel gegliedert sind.

Seine Darsteller sind allesamt so scharf gezeichnet, dass man sie deutlich vor Augen hat. Echte Sympathieträger sind trotzdem die wenigsten. Selbst die Protagonistin Kira Hallstein ist – bei allen guten Absichten – keine Figur, die man ins Herz schließt. Nicht umsonst prangt der Slogan „Hart, härter – Hallstein“ auf dem Buchrücken. Sie ist fraglos die treibende Kraft, sie geht über Leichen, obwohl sie auch mit sich selbst hadert. Als klassischen Antagonisten bringt Andreas Gößling den Ex-Rockstar Tycho Terry ins Spiel, der seines Zeichens die Adaption von Jimmy Savile darstellt.

Fazit:

Abschließend gelangt man zu der Erkenntnis, dass der Autor und seine Hauptfigur vieles gemeinsam haben – sie kennen keine Kompromisse, drücken sich klar und ohne blumige Beschreibungen aus. Und beide blicken mit scharfem Blick in die finstersten menschlichen Abgründe.

Rattenflut

Andreas Gößling, Knaur

Rattenflut

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