Jenseits von schwarz
- Grafit
- Erschienen: Mai 2019
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Jenseits der Vernunft
Band Zwei der Trilogie um die Kommissarin Eddie Beelitz, die unvermittelt aus einer unglücklichen Ehe ausbrach und wieder in ihren alten Job zurückkehrte, führt in das Umfeld einer Entzugsklinik. Wieder ist Eddie nicht die alleinige Erzählerin, sondern wie im Band „Jenseits von Wut“ wechselt sie sich kapitelweise mit einem zweiten Akteur ab: Der aus dem ersten Band wohlbekannte, vielfach tätowierte – um nicht zu sagen „verunstaltete“ - Wachmann „Zombie“ Josef Reinhart stellt ebenfalls die Geschichte aus seiner Sicht dar. Er ist auch derjenige, der hier die Geschichte ins Rollen bringt.
Bei einem Kontrollgang stolpert er regelrecht in einen Mordfall, als er in einen handfesten Streit gerät. Unglücklicherweise kann er aber nicht erhellendes zum Tathergang beitragen, schlug der Täter ihn doch nieder und suchte unerkannt das Weite. Problematisch ist zusätzlich, dass es für die ermittelnden Kollegen Eddies das einfachste wäre, die Schuld und die Täterschaft dem praktischerweise am Tatort aufgetauchten Security-Mann in die Schuhe zu schieben - und schon wäre wieder ein Fall der überlasteten Bochumer Polizei abgearbeitet.
Eddie wird von ihren männlichen Kollegen als bessere Sekretärin abgestempelt
Hier stellen sich auch schon die Hauptbaustellen des zweiten Teils der Trilogie um Eddie Beelitz heraus: Hatte sie im ersten Band noch reichlich mit Macho-Sprüchen ihres Kollegen und Ex-Lovers Adrian zu kämpfen, war aber ansonsten mehr oder weniger im Team der Polizei integriert, ist aus dieser Konstellation mittlerweile ein Kampf allein gegen alle entstanden. Eddie wird von ihren männlichen Kollegen als bessere Sekretärin abgestempelt, darf quasi in der Besenkammer deren ungeliebte Berichte schreiben und ist nur dann für den Job gut genug, wenn die Herren Kollegen so überlastet sind, dass nichts anderes mehr geht.
Sie, die offensichtlich sonst nicht auf den Mund gefallen ist, schluckt auch tatsächlich diese ganzen Erniedrigungen, schließlich ist sie ja diejenige, die für sich und ihre Tochter Lottie die Brötchen nach Hause bringt, springt aber andererseits begeistert auf die Idee auf, „Zombie“ Reinhart zu decken und zu verstecken, als dieser von den Kollegen gesucht wird.
Klischees wirken ein wenig wie mit der Maurerkelle aufgetragen
Die Autorin, die bisher mit nachvollziehbaren und realistischen Romanen zu begeistern wusste, verstrickt sich hier in Klischees, die jeder Logik widersprechen. Die arme, allein erziehende – aber dennoch von vielen Männern begehrte - Mama, die quasi wie das Aschenputtel die ungeliebten Arbeiten ihrer Kollegen verrichtet und sich gezwungen sieht, den seelisch versehrten Hauptverdächtigen vor einer Verdächtigung mit möglicher U-Haft zu schützen, die seine beiden minderjährigen Kinder sofort über das böse Jugendamt in ein Heim bringen würde. Hätte Charles Dickens in seiner Epoche eine derartige Verstrickung konstruiert, wäre diese möglicherweise als realistisch durchgegangen, aber im Deutschland des 21. Jahrhunderts wirken diese Klischees wie mit der Maurerkelle aufgetragen.
Dickens hätte die Idee möglicherweise auch gut gefunden, dass eine Frau, die mittlerweile gelernt hat ihren Mann zu stehen, noch immer furchtsame Schweißausbrüche erlebt, sofern sie Hautmalereien sieht, die einen männlichen Körper als einen Zombie verkleiden. Wer tatsächlich in der jetzigen Zeit lebt und sich gelegentlich einmal die Möglichkeiten der Körperoptimierungen bei den gängigen Privatsendern ansah und weiß, was da von Zungespaltung bis zu schwarz tätowierten Augen alles drin ist, den kann ein solches Verhalten tatsächlich nur überraschen.
Beim Lesen drängt sich manchmal der Eindruck auf, dass „Jenseits von Schwarz“ ein reines Zwischenwerk der Trilogie darstellt. Beschrieben wird der Weg, wie sich zwei Gebeutelte näher kennen lernen. Dazu musste offensichtlich noch eine längere Geschichte mit umgekehrtem Heldentum konstruiert werden, denn hier rettet die Prinzessin den Prinzen. Schade ist aber dennoch, dass abschnittsweise die alte Lucie Flebbe aufblitzt, die schöne und anrührende persönliche Beschreibungen verfasst und die auch einen Kriminalfall – sofern er allein darauf beschränkt wird - gut und spannend konstruieren kann.
Bei allem Gemecker über die Randerscheinungen dieses Buches soll nicht unterschlagen werden, dass der Plot und die Auflösung gut durchdacht und logisch konstruiert sind. Hier wäre ein gut durchdachter methodisch klarer Krimi – mit einer kleiner angesetzten – Liebesgeschichte machbar gewesen. Schade, dass dieses Thema verschenkt wurde. Aufrichtig und lebensnah wirken auch die Darstellungen im Zusammenhang mit der Suchtklinik, in der die Handlung angesiedelt ist. Hier wird vieles menschlich und mit großem Verständnis für die betroffene Klientel geschildert und es ist einmal mehr bedauerlich, dass diese Parts neben diversen Beschreibungen von durch die Zimmer „flitzenden“ Kindern untergehen.
Fazit:
Auch wenn dieser Krimi erfolgreich gelöst wurde, bleibt nun noch der dritte Teil der Trilogie übrig. Damit verbunden ist die Frage, wie sich das Leben von Eddie und ihrer Familie zukünftig gestalten wird und wie die beiden zerschrammten Helden zukünftig miteinander auskommen. Aber bei dieser Frage besteht nach diesem zweiten Band noch deutlich Luft nach oben.
Lucie Flebbe, Grafit
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