Die Wahrheit will nicht sterben

  • Edition M
  • Erschienen: Oktober 2019
  • 0

Originaltitel: Un matrimonio perfecto
Aus dem Spanischen von Adriana Beatriz Net

Die Wahrheit will nicht sterben
Die Wahrheit will nicht sterben
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Sabine Bongenberg
35°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2020

Augen auf bei der Partnerwahl

Frank, Grace und ihre beiden Kinder verlassen Seattle, denn da ist in letzter Zeit alles, was nur irgendwie gehen konnte, schief gelaufen. Im Haus häuften sich eigenartige Vorgänge, zwei von ihrer Tochter als Haustiere gehaltene Frettchen verschwanden spurlos, Grace litt unter einem mysteriösen Haarausfall und der neunjährige Simon büsste bei einem Unfall ein Auge ein.

Anlass genug also  die Zelte in Seattle abzubrechen und mit dem neu erworbenen Wohnmobil zum neuen Wohnort zu reisen und das unterwegs mit einem Urlaub zu verbinden. Natürlich passiert dann das, was nicht passieren durfte: Auf einem einsamen Waldweg erfasst Frank eine einsame Wanderin und schon nimmt das Verhängnis seinen Lauf, denn die Verunglückte und er kennen sich schon ein bisschen länger.

Sex auf dem Büroschreibtisch

Paul Pen nimmt es mit dem Mysterienspiel sehr genau. Bereits bevor die Geschichte so richtig beginnt, lässt er eine tieftraurige und fast gramgebeugte junge Frau durch verschiedene Kapitel schleichen - und das so lange, bis der Leser aufschreien möchte „Mensch, jetzt sag’ es endlich, was lost ist, oder lass’ es bleiben!“. Tatsächlich ist das, was Menschen hier ertragen müssen, an der Grenze des Erträglichen angesiedelt: Sex auf dem Büroschreibtisch – Grundlage einer jeden ernstzunehmenden Beziehung – mit einem Kunden, der unter einem Pillepalle-Vorwand und allein zur Herbeiführung eben genannter Tätigkeit in ein Büro bestellt wird, und der hat über seinen Familienstand gelogen. Er ist gar nicht Single, dieser Wicht.

Wegen dieser Konstellation füllen sich ganze Selbsthilfeforen und erfahrungsgemäß geht es um die Frage „Sage ich es seiner Frau, damit die endlich weiß, mit was für einem Unhold sie verheiratet ist?“ und der Tenor der Antworten rät in der Regel, genau das sein zulassen. Die hier agierenden Personen sehen das aber vollkommen anders, sind nicht in der Lage über das Erlebte dann doch einmal hinweg zu kommen, und so nimmt das Unheil seinen Lauf, und wieder ein Leser mehr stirbt vor Langeweile. Immerhin schien möglicherweise auch dem Autor irgendwann dieser Plot als zu belanglos und so wurde ein weiterer Twist zugefügt, der möglicherweise die Verkettung der Umstände rechtfertigen könnte. Wenn er denn glaubhaft gewesen wäre.

Durchweg schwierige und eigenwillige Protagonisten

Pen macht es seinem Leser dabei überhaupt nicht leicht, auch nur einen seiner Charaktere zu mögen. Das Ehepaar, das so extrem liebevoll und gereift miteinander umgeht, als sei es frisch aus der Retorte entstiegen, Ehemann Frank offensichtlich abschnittsweise triebgesteuert und abschnittsweise handlungsunfähig, Ehefrau Grace nicht die hellste, die Kinder altklug - und die „einsame Wanderin“ Mara sollte ohnehin einmal einen Psychiater konsultieren.

Neben diesen Personen fragt man sich, ob Pen ohnehin ein paar Sachen recherchiert hat. Wer Frettchen irgendwo unbeobachtet im Haus hält, der wird sich alsbald über den strengen Geruch wundern, den diese possierlichen Tierchen abzusetzen vermögen. Wer seine Familie zum Gegenstand von Postings im Internet macht, der braucht einen Mangel an Privatsphäre alsbald nicht mehr zu beklagen, und wer mit einem Wohnmobil in einer einsamen Gegend liegen bleibt und den halben Tag niemanden hat vorbeikommen sehen, der sollte doch langsam mal seine Optionen neu ordnen.

Kurios auch einige Konstruktionen über biologische Fähigkeiten. So ist zum Beispiel eine Frau in der Lage, einen heruntergeschluckten Autoschlüssel „vor seiner Zeit“ wieder auf dem normalen Wege loszuwerden, und immerhin schaffen ihre Bemühungen eine besondere Blüte:

“Tagaktive Vögel, die bereits in ihren Nestern geschlafen hatten, flogen aufgeschreckt in die Dunkelheit davon wie Fledermäuse, als Maras anfängliches Stöhnen in Schmerzensschreibe überging, die von den Bergen widerhallten.“

Fazit:

Pen hätte aus dem Bild eines liegen gebliebenen Wohnwagens mitten in der Wildnis, umlagert von einem Feind mit einem echten, nachvollziehbaren Motiv, eine Menge machen können. So aber bleibt es bei einem eigenartigen Werk, das allenfalls zu einem Kopfschütteln reicht - und ganz bestimmt nicht zu einer Gänsehaut.

Die Wahrheit will nicht sterben

Paul Pen, Edition M

Die Wahrheit will nicht sterben

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