Winterfeuernacht
- Droemer
- Erschienen: November 2019
- 4
Übersetzt von Marie-Sophie Kasten
Ein spannender, klassischer „Whodunnit“
Es sind verschiedene Traumata mit denen Laura klar kommen muss. Da war einerseits der schreckliche Brand in der Ferienanlage ihrer Tante Hedda, der ihre Jugend abrupt beendete. Da waren die seelischen Verletzungen und die Infektion, die dazu führte, dass damit auch ihre körperliche Unverehrtheit dahin war. Und da war ihre geliebte Tante, die sie fortan verstieß, die auf keinen ihrer Briefe antwortete und offensichtlich nichts mehr mit ihr zu tun habe wollte.
Selbst als Erwachsene wird Laura von den Dämonen ihrer Kindheit gejagt und wieder mit ihnen konfrontiert, als sie nach HeddasTod ihr Erbe regeln muss. Anfangs wirkt das wie eine recht einfache Geschichte: Hinfahren, verkaufen, wegfahren. Einmal vor Ort aber fallen ihr Ungereimtheiten an der damaligen Katastrophe auf und auch der bisher so klare Tod ihrer Tante erscheint plötzlich in einem neuen Licht.
Mit relativ einfachen Mitteln wird eine tolle Spannung erzeugt
Der schwedische Bestellerautor Anders de la Motte erschafft mit „Winterfeuernacht“ einen langsam erzählten, dichten Krimi, der nicht mit einer Vielzahl von Toten punktet, sondern mit relativ einfachen Mitteln eine tolle Spannung erzeugt. De la Motte lässt seinen Krimi auf dem Land spielen, in der Abgeschiedenheit eines Feriendorfes, das einst – wie weiland die Anlage von „Dirty Dancing“ – vor Leben übersprudelte, jetzt aber verfallen und verrottet nur noch den Krähen Obdach bietet. Diese Vögel spielen auch immer wieder den „Chor“, wie er sonst in historischen Stücken auftrat: Als stumme Zeugen beobachten sie alles, wissen vieles, mahnen und warnen auf ihre Art, sind aber natürlich insgesamt nicht fähig, ihr Wissen weiterzugeben. Sie bilden damit einen schwarzen Rahmen um die Geschehnisse im Ferienheim.
Anders de la Motte, der als ehemaliger Polizist weiß, wie ein glaubhafter Krimi aufgebaut wird, konfrontiert seine Heldin Laura langsam und mit wachsenden Spannungsmomenten mit der Geschichte ihrer Vergangenheit. Die Erzählerebene springt dabei zwischen zwei Ebenen – in der Vergangenheit erleben wir den Teenager Laura, die mit ihren Freunden den letzten Sommer ihrer Jugend erlebte und von ewiger Freundschaft und der großen Liebe träumte, bis die Brandkatastrophe diese Träume abrupt beendete.
Die vom Leben oft enttäuschte Heldin muss sich der Vergangenheit stellen
Auf der anderen Seite – in der Gegenwart - wird die vom Leben oft enttäuschte Heldin, die mit ihrem alten Leben und der Vergangenheit abgeschlossen hatte, durch immer neue Entdeckungen dazu gezwungen, sich dieser Vergangenheit jetzt in einer anderen Position zu stellen. Schön ist dabei auch, dass der Autor die Passagen aus Lauras Jugend in der Vergangenheitsform erzählt, wogegen die neuen Entwicklungen im Präsens geschildert sind. Somit werden eine neue Ebene und auch ein neues Bewusstsein besonders deutlich.
Allein von der Spannung her betrachtet, hätte Anders de la Mottes jüngstes Werk möglicherweise auch mehr Punkte als 85 ° verdient. Dass dann doch ein bisschen abgezogen wurde, liegt daran, dass meines Erachtens die Aufklärung des Falls in meinen Augen doch ein wenig arg phantastisch – wenn auch für mich komplett unerwartet – war.
Fazit:
Immerhin – alle losen Fäden werden zusammengeführt, abschließend präsentiert sich eine runde Geschichte, die auch ein wenig damit aufräumte, dass schwedische Krimis zwar spannend aber auch gleichzeitig immer fürchterlich frustrierend – mit düsterer Stimmung und ewiger Kälte – daherkommen müssen. De la Motte entflammt – neben seiner Spannung – ein Feuer für das kalte Schweden und konstruiert im Winter Erinnerungen an Sommerlager und Freunde, die unbeschwerte Tage verbrachten. Tatsächlich - ein sehr gelungenes Winterfeuer in einer kalten Nacht.
Anders de la Motte, Droemer
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