Kälter als der Tod
- Penguin
- Erschienen: November 2018
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Mäßig spannender und sprachlich schwacher Thriller
Anfang Dezember wird in einem tief verschneiten Dorf am Rande der Alpen nahe Bergamo das rumänische Hausmädchen Aneta Albu grausam ermordet aufgefunden. Der Modus Operandi erinnert an den Serienmörder Vincenzo Verzeni, der Ende des 19. Jahrhunderts in dieser Gegend sein Unwesen trieb. Alles nur Zufall? Gerichtsreporter Marco Besana und die junge Praktikantin Ilaria Piatti glauben nicht daran. Angewidert von der Brutalität des Täters, aber gleichzeitig auch davon fasziniert, wittern beide eine große Story. Als kurz darauf ein weiteres Opfer auftaucht, folgen beide der blutigen Spur, die der Killer in dem kleinen Ort Bottanuco hinterlässt. Keiner scheint in diesem Dorf dem anderen mehr zu trauen, denn der Täter ist mitten unter ihnen.
Einem Serienmörder auf der Spur
Marco Besana, Reporter einer der führenden Tageszeitungen in Italien, steht kurz vor der Rente. Die Geschichte um den brutalen Serienmörder könnte die Krönung seiner Karriere werden. Abgestumpft durch seine jahrzehntelange Arbeit als Kriminalreporter, fasziniert ihn das Vorgehen des Täters.
Ilaria Piatti, die ihn als Praktikantin begleitet, hat sich im Rahmen einer Hausarbeit während ihres Studiums mit der historischen Fallakte des Mörders Verzeni beschäftigt und liefert Besana wichtige Informationen. Während Experten und zum Teil auch die Medien zunächst von einem satanistischen Hintergrund ausgehen, beginnt das ungleiche Ermittlerduo nach und nach zu ahnen, was hinter den brutalen Morden steckt. Um den Mörder zu stellen, begibt sich Ilaria in tödliche Gefahr.
Unbekanntes Autorenpärchen
Es scheint immer mehr in Mode zu kommen, dass die Identität der Autoren verheimlicht wird. Was bei Elena Ferrante zur Steigerung der Absatzzahlen führte, scheint auch bei diesem Autorenpärchen zu funktionieren. Hinter dem Pseudonym Dario Correnti verbergen sich nämlich gleich zwei italienische Autoren, deren Namen aber nicht bekannt sind. Deren Thrillerdebüt „Kälter als der Tod“ wurde schon vor seiner Veröffentlichung zur internationalen Sensation und in 15 Länder verkauft. So zumindest preist der Penguin Verlag sein Werk an.
Gegensätze ziehen sich an
Sicherlich bilden der alte, erfahrene Besana und die 26-jährige Ilaria ein mehr als interessantes Ermittlerduo - denn widersprüchlicher könnten beide kaum sein. Während Besana eher schroff auftritt und emotionslos den Fall aufarbeiten möchte, um mit der Story seine Karriere als Reporter zu krönen, ist die Praktikantin mehr als ängstlich und eigentlich für den Beruf der Kriminalreporterin gänzlich ungeeignet.
Dennoch will sie allen beweisen, dass mehr in ihr steckt als das scheinbar naive Dummchen. Nur weil sie sich mit dem historischen Fall um Vincenzo Verzeni auskennt, nimmt Besana sie mit nach Bottanuco.
Junge Reporterin mit trauriger Vergangenheit
Warum Besana soviel von der jungen Praktikantin hält, bleibt sein Geheimnis - und das des Autorenpärchens. Ilaria besitzt keinerlei Talent für das Verfassen von Reportagen. Im Gegenteil: Sie ist noch nicht einmal in der Lage, die Zugverbindung von Mailand nach Bottanuco herauszufinden, was unter anderem daran liegt, dass sie auch gar kein Handy besitzt. Zudem zieht Ilaria oftmals die unmöglichsten Outfits an und beweist auch hier ihre kindliche Naivität.
Auf der anderen Seite wird deutlich, dass sie mit einem Ereignis aus ihrer Kindheit noch nicht abgeschlossen hat: Im Alter von sechs Jahren tötete ihr Vater ihre Mutter. Diese traumatische Begebenheit lässt die junge Frau nicht los und ist für sie fast täglich gegenwärtig.
Insgesamt tragen die beiden Autoren hier zu dick auf: Bei aller Sympathie für Ilaria wirkt sie in ihrer Darstellung nicht nur überzogen, sondern absolut unglaubwürdig. Dies gilt besonders, wenn die total verängstigte und verschüchterte Praktikantin am Ende trotz alledem den Täter stellen will.
Frustrierter Reporter mit familiären Schwierigkeiten
Der 58-jährige Besana ist dagegen eine interessante Persönlichkeit: Beruflich abgestumpft und desillusioniert wird er für Ilaria eine Art Vaterfigur, die sich um die Praktikantin kümmert und sie immer wieder auch in Schutz nehmen muss. Gleichzeitig quälen ihn private Probleme: Seine Frau hat ihn nach einer vermeintlichen Affäre seinerseits mit einer jüngeren Kollegin verlassen, das Verhältnis zum Sohn ist mehr als angespannt. Daher kommt ihm der aktuelle Fall mehr als gelegen, um sich von all dem abzulenken.
Letztendlich ist Besana die tragende Figur des Thrillers, da er sich in glaubwürdiger Art an die Fersen des Täters heftet und kluge Schlussfolgerungen zieht. Ilaria dagegen wirkt mit ihren Entdeckungen und Hilfen - gerade weil es im absoluten Kontrast zu ihrer ansonsten offen zur Schau getragenen Naivität steht - wenig überzeugend. Dass sie es am Ende dann sogar ist, die den Täter überführt und besonders auch die Art, wie sie das schafft, passen da leider nur allzu gut in dieses widersprüchliche Bild.
Historischer Kriminalfall
Der Thriller basiert auf einer wahren Begebenheit: Der italienische Verbrecher Vincenzo Verzeni ging tatsächlich um 1870 als einer der ersten Serienmörder Italiens in die Geschichte ein. Immer wieder greifen die Autoren die reellen Ereignisse von damals auf, was durchaus interessant und spannend ist. Man hat fast schon das Gefühl, als ginge es darum, die Täterschaft Verzenis, der seinerzeit zwischen zwei und zwölf Menschen getötet haben soll, zu überprüfen. Die Autoren glänzen hier mit historischem Wissen und Details zum Fall Verzeni.
So vielsprechend dieser Ansatz und die Frage nach der Verbindung zu den aktuellen Fällen sind, desto enttäuschender ist die Auflösung. Beides hat nämlich fast gar nichts miteinander zu tun. Zumindest spielt der historische Fall weder für das Motiv des Täters noch für die Aufklärung des Falles eine wichtige Rolle.
Sprachlich und erzählerisch schwach
Was die Lesefreude von Beginn an stört, ist der mehr als einfache und oft langatmtige Erzählstil, der keinen Lesefluss aufkommen lässt. Die beiden Autoren erwecken den Eindruck, Neulinge im Thrillergenre zu sein, denen noch das grundlegene Rüstzeug und die Erfahrung fehlt, eine Handlung mit durchaus Potential stimmig und auf den Leser ausgerichtet aufzubauen, zu tragen und aufzulösen. Die vielen Details zum Beruf des Reporters legen eher die Vermutung nahe, dass die beiden Autoren selber in diesem Beruf tätig sind bzw. waren.
Auch die nicht immer gelungene Übersetzung vom Italienischen ins Deutsche trägt im Übrigen sicherlich ihren Teil dazu bei, dass der thematisch durchaus spannend angelegte Thriller es nicht schafft, den Leser von Beginn an mitzureißen. Wirkliche Spannung kommt erst spät auf. Auch das enttäuschende Ende zeigt, dass die Handlung insgesamt zu konstruiert ist. Die Verbindung zum historischen Kriminalfall misslingt überdies.
Fazit:
Warum die bekannte italienische Zeitung „Corriere della Serra“ von einem fesselnden Thriller spricht, erschließt sich zumindest dem deutschen Leser nicht gänzlich. Die Klasse ihres Landsmannes Sandrone Dazieri, der mit seiner Reihe um die Polizistin Colomba Caselli und den skurilen Dante Torre derzeit ganz andere Maßstäbe setzt, erreichen die beiden Autoren bei Weitem nicht.
Dario Correnti, Penguin
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