Die sieben Gründe zu töten
- Blanvalet
- Erschienen: Mai 2019
- 2
Haarscharf am Groschenroman vorbei
Mit „Die 7 Gründe zu töten“ endet die Trilogie um Staatsanwältin Helena Faber. Anders, als die Rezensenten der beiden ersten Teile, bin ich von der Geschichte über die Schwestern Katharina und Sophie nicht begeistert. Vielleicht auch, weil ich nur diesen Band kenne und mich so schwer tue mit dem Einstieg in das Erzählte. Vorkenntnisse sind dringend notwendig, zum einen um das Geschehen vollends zu verstehen, zum anderen um es vielleicht nachvollziehbar zu finden. So aber wird der Leser mit einer Geschichte konfrontiert, die nur rudimentäre Erklärungen zur Vergangenheit preisgibt, und wo er sehr viel zwischen den Zeilen lesen muss, um wenigstens einigermaßen klar zu kommen.
Nach Vietnam, Belgien und Istanbul geht es jetzt nach Saudi-Arabien
Nachdem die Protagonisten in „Die 7 Kreise der Hölle“, dem zweiten Band der Trilogie, schon ganz schön rumgekommen sind, müssen sie jetzt eine Reise nach Saudi-Arabien wagen. Ein Land, das uns aufgrund seiner Abschottung relativ fremd ist und, gerade in jüngster Vergangenheit, durch Negativschlagzeilen auffällt. Dort werden Traditionen hoch gehalten, die Europäern nur schwer verständlich sind. Dass Frauen als Menschen 2. Klasse behandelt werden, nur wenige Rechte haben und in einer von Männern vollkommen dominierten Gesellschaft leben müssen, ist in unserer ansonsten scheinbar so aufgeklärten Welt kaum zu akzeptieren.
Und so werden unsere westlichen Wertvorstellungen, gerade was die Gleichberechtigung der Geschlechter und der sexuellen Orientierungen angeht, auf eine Welt übertragen, die in vielen Belangen noch sehr archaisch anmutet. Aus diesem Pool der Vorwürfe, wohlgemeinten Verbesserungsvorschläge und manchmal auch Vorurteile schöpft der Autor die Grundlagen für “Die 7 Gründe zu töten“. Auch ich kann die patriarchalische Gesellschaft in Saudi-Arabien nicht gut heißen, doch hier wird nur auf Klischees aufgebaut, die den Schwung aus der Geschichte nehmen. Die Opposition, die es im Untergrund sehr wohl gibt, wird viel zu wenig erwähnt. Und, wenn doch, dann ist auch sie zu plakativ dargestellt, als, dass man sie ernst nehmen könnte.
Suche und Rettung dauern vier Jahre
Die Geschichte beginnt 2018 und endet 2022. Die Lebenssituationen von Katharina und Sophie werden geschildert. Beide leiden unter der Vergangenheit und der Gegenwart. Woran fast keiner mehr geglaubt hat geschieht – Katharina bekommt einen Hinweis. Sie vermutet Sophie in Dschidda und macht sich auf die Suche nach ihr. Die Eltern, Helena und Robert, folgen ihr und es beginnt eine Rettungsaktion, die nicht sehr glaubwürdig und dadurch durchschaubar ist.
Schade, denn die Problematik hätte schon eine tiefgründige und spannende Geschichte hergegeben. So aber ist eine vorhersehbare und dadurch spannungsarme und ziemlich langweilige Angelegenheit daraus geworden, der ihre Reißerischkeit auch nichts mehr nutzt und die Bezeichnung „Thriller“ nicht verdient. Der wohl gut gemeinte Schluss rettet die Sache dann auch nicht mehr und ist in sich schon so unglaubwürdig, dass er eigentlich nur die Werte der westlichen Welt symbolisiert und den Wunsch, dass die Saudis es doch endlich einsehen sollen, dass bei ihnen etwas nicht richtig läuft.
Mutter, Vater, Töchter – eine Familie von Opfern
In dieser Familie ist nichts wie es sein sollte. Die Mutter sitzt eine Haftstrafe ab, hat dadurch ihren Job als Staatsanwältin verloren; der Vater, ein Polizist der alle Gesetzte in den Wind schießt und seine entführte Tochter Sophie mit allen Mitteln sucht und dabei über Leichen geht; Katharina, die gerettete Schwester, die aus der Psychiatrie entlassen völlig abrutscht und sich nur noch durch den Gedanken an die Suche und Rettung ihrer Schwester Sophie am Leben erhält; und natürlich Sophie selbst, die 13-jährig nach Saudi-Arabien entführt wird, um dort versklavt zu werden.
Auch hier werden uns keine Charaktere sondern Klischees präsentiert. Alle sind oberflächlich und farblos, handeln sie doch, wie man es von ihnen erwartet. Von der aufopfernden Mutter bis hin zur, auf einer Auktion ersteigerten Tochter, die dann auch noch zum Islam konvertiert, könnten die Personen auch einem Groschenroman entsprungen sein. Es fehlt jede Tiefe, jede nicht vorhersehbare Handlung. Auch die Saudis leben das Negativimage aus, das wir von ihnen haben und, das mit Sicherheit nicht ganz von der Hand zu weisen ist, aber hier in Reinkultur dargestellt wird.
Ein Sprachstil, der nervt
Uwe Wilhelm hat schon unzählige Drehbücher und Theaterstücke geschrieben. Das merkt man seinem Schreibstil an. Kurze, abgehackte Sätze ähneln mehr Anweisungen als Dialogen oder ausgereiften Gedankengängen. Es entsteht kein Lesefluss, der es dem Leser erlaubt durch die Geschichte zu gleiten. Hier ist es vielmehr ein Stolpern, von einem kurzen Satz zum nächsten.
Ein Dialog bei dem die einzelnen Äußerungen aus mehr als zwei Sätzen bestehen ist eine Seltenheit und dann nahezu eine Wohltat, gebe ich doch die Hoffnung nicht auf, dass Menschen sich nicht nur im Stenogrammstil unterhalten. Auch die verwendete Sprache ist nicht ausgereift genug und zu simpel um die Defizite des Schreibstils auszugleichen. Das ist auf Dauer ziemlich anstrengend und nervig. Hofft man doch ständig mal richtig durchlesen zu können und nicht immer nur in Trippelschritten ohne Fluss durch das Geschehen zu wanken.
Fazit:
Es bedarf schon eines gewissen Durchhaltevermögens, um das Buch zu Ende zu lesen. Plot, Charaktere, Stil und Sprache machen es einem nicht leicht. Wer allerdings schon die ersten beiden Bände der Trilogie verschlungen hat, wird das vermutlich anders sehen, und auch von diesem begeistert sein. Also, lesen sie das Buch nicht, wenn sie Neueinsteiger sind – die mühsame Lektüre lohnt sich nicht. Allen anderen wünsche ich viel Spaß beim Lesen, denn sie haben hier das Finale vorliegen.
Uwe Wilhelm, Blanvalet
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