Der Seelenhirte
- Edition M
- Erschienen: Mai 2019
- 2
Gewaltexzesse, Grausamkeiten - aber keine Spannung
„Der Seelenhirte“ ist der dritte Fall für Hauptkommissarin Klara Frost. In gewohnt distanzierter Manier muss die „Exorzistin“ einen Serienmörder finden, der seine Opfer auf grausame Weise hinschlachtet. Und genau hier liegt der Schwachpunkt dieses Thrillers. Die geschilderten Gewaltszenen erzeugen keine Spannung, sondern Abscheu. Sicher sieht das die erkleckliche Fangemeinde des Autors anders. Doch für mich, und Rezensionen geben nun mal die subjektive Meinung des Rezensenten wieder, muss ein Thriller vielschichtig sein, auf mehreren Ebenen spielen, seine Spannung aus Handlungen und Dialogen und nicht zuletzt den Protagonisten selbst ziehen. All das habe ich hier schmerzlich vermisst.
Eine tätowierte Hauptkommissarin und ein Praktikant mit vielen Befugnissen
Klara Frost ist reich, wohnt in einem Hotel, raucht auch in raucherfreien Zonen wie ein Schlot und ist von oben bis unten tätowiert. Ich mag ungewöhnliche und nicht angepasste Charaktere, doch sie müssen auch realistisch sein. Schon allein die Tatsache, dass sie qualmen kann, wo sie will und nicht nur, wo sie darf, ohne auch nur einmal Ärger zu bekommen, ist unwahrscheinlich. Dass sie dann auch noch wenig versteckte Tatoos hat, ist noch weniger plausibel, sind die doch bei der sächsischen Polizei verboten. Auch ihr ansonsten selten angepasstes Verhalten ist für eine hochrangige Polizistin nicht angebracht und würde auch nicht toleriert. Die Individualität der Protagonistin hätte man auch auf andere Weise unter Beweis stellen können.
Dass Praktikanten, nach Ansicht des Autors, bei der Polizei gleich zu Tatorten dürfen und auch darüber hinaus wesentlich mehr Befugnisse haben als Kaffeekochen und Akten sortieren, halte ich ebenfalls für sehr weit hergeholt. Hier wäre weniger mehr, und vor allem realistischer gewesen, sowohl was die ungewöhnliche Polizistin als auch ihren fragwürdigen Praktikanten betrifft.
Platte Dialoge und eine vor Blut triefende Handlung
Der Prolog hat Hoffnung auf einen durchaus spannenden Thriller gemacht. Doch gleich das erste Kapitel hat gezeigt, dass es hier mehr um abgeschlagene Köpfe, aufgeschnittene Menschen und sonstige Widerwärtigkeiten getränkt in literweise Blut geht. Anscheinend hält es Elias Haller wie sein fiktiver Autor Israel, der sagt „Meine Thriller sind handlungsgetrieben, mir geht es weniger um die Personen, sondern vielmehr darum, den Leser durch ständige Wendungen, Cliffhänger und Schockmomente in Atem zu halten“.
Na ja, Wendungen und Cliffhänger gibt es nicht wirklich, dafür aber reichlich Schockmomente. Kaum tut sich ein neuer Tatort auf, weiß der Leser, dass es wieder grausam zugerichtete Menschen geben wird und, dass Blut ein Hauptbestandteil der Szenerie ist. Nur in Atem halten tat er mich so nicht. Wenn man schon eine ausgefeilte Handlung zugunsten von Brutalität abschreiben muss, hätten ja wenigstens die Dialoge das Niveau retten können.
Doch weit gefehlt. Diese sind so platt und aufgesetzt cool, dass sie zum Rest der Geschichte passen. Was dann auch noch als Lösung präsentiert wird, ist so unglaubwürdig, dass auch der Schluss das ganze nurmehr abrundete und ich froh war das Buch aus der Hand legen zu dürfen.
Fazit:
Ohne die ständigen Gewaltexzesse und Grausamkeiten, dafür mit besseren Dialogen und ausgefeilteren Charakteren hätte „Der Seelenhirte“ durchaus ein gelungener Thriller sein können, denn die Verquickung von Kirche, Sünden und Morden ist immer für Spannung gut. Doch so ist eine abstoßende Geschichte herausgekommen, die sich lediglich von einem Schockmoment zum nächsten bewegt. Den eigenen Anspruch, „menschliche Abgründe“ zu zeigen, hat der Autor leider in zu viel Brutalität, Blut und anderen Körpersekreten ertränkt.
Elias Haller, Edition M
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