Blake

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2019
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Aus dem Englischen von Angelika Naujokat
Originaltitel: Hangman
Originalverlag: Allen & Unwin
Paperback, Klappenbroschur, 448 Seiten, 13,5 x 20,6 cm

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Nicole Goersch
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2019

Ungewöhnlicher Protagonist mit bissigem Humor

Timothy Blake ist Berater beim FBI in Houston, Texas. Er unterstützt den dortigen Leiter Peter Luzhin bei kniffligen Fällen, so wie bei der aktuellen Entführung eines Jugendlichen. Als die Lösegeld-Übergabe schief läuft, und statt des Jungen nur seine Niere gefunden wird, gerät Blake selbst unter Verdacht, denn er hat ein dunkles Geheimnis zu hüten, dass nur Luzhin kennt.

Dennoch versucht er Blake im Auge zu behalten, und stellt ihm eine neue FBI-Agentin zur Seite. Reese Thistle ist clever und durchsetzungsstark, was sie während ihrer Karriere immer wieder unter Beweis stellen muss, denn sie hat es als Afro-Amerikanerin in einem Männer-dominierten Beruf im Süden der USA nicht leicht.

Sie schafft es mit ihrer ruhigen, achtungsvollen Art an Blakes Oberfläche zu kratzen und kommt ihm dadurch gefährlich nahe. Wird sie sein Geheimnis lüften?

Nervöse Ticks und spontane Gedankengänge

Der Roman wird aus Sicht Timothy Blakes erzählt, so dass man seine nervösen Ticks - wie Fingernägel abknabbern - hautnah mitbekommt. Auch sein Geheimnis ist schnell gelüftet, ist er doch ein Kannibale, der sich seine gelösten FBI-Fälle mit frischen Leichen aus der Todeskammer des Gefängnisses bezahlen lässt. Essen ist während der Lektüre definitiv nicht empfehlenswert, denn es dreht sich einem nicht nur einmal den Magen um.

Zwischendurch blitzt immer wieder Blakes Genie durch, wenn er durch genaue Beobachtungen schnelle Schlüsse zieht. Dabei sind seine Gedankengänge zuweilen sehr spontan und unzusammenhängend, so dass sie eher wie ein großes chaotisches Durcheinander wirken.

Dieser Ideenreichtum spiegelt sich zu Beginn jedes Kapitels wider, denn kleine Rätselfragen laden den Leser ein, sein intuitives Wissen zu testen. Die Auflösungen findet man am Ende des Buches. Ein interessanter Ansatz.

Blake lernt man unterdessen anhand seiner Taten und vor allem seiner Überlegungen näher kennen. Zuweilen gibt es amüsante Anekdoten wie die Tatsache, dass er ein gestohlenes Auto auf dem FBI-Parkplatz parkt, weil man dort nicht danach suchen würde.

Logische Schlussfolgerungen durch Beobachtungen

Die Methode weist stark auf die modernen Verfilmungen von Sherlock Holmes hin. Auch die unkonventionellen Handlungen, vor allem gegen festgesetzte Regeln, sowie die Erinnerung an unscheinbare Kleinigkeiten (z. B. dass er die Mutter des entführten Jungen vor sechs Jahren in einer Fernsehserie gesehen hat) heben ihn von einem normalen Ermittler ab. Blake analysiert seine Umgebung unmittelbar, erkennt Anhaltspunkte und zieht daraus seine Schlussfolgerungen.

Manchmal sind die ausgelegten Spuren für einen aufmerksamen Leser offensichtlich, manchmal muss man die Logik hinterfragen, zum Beispiel wie Luzhin und Blake sich das erste Mal treffen oder wieso ein Fenster wieder geöffnet ist, wenn der Täter sich im Raum versteckt hielt.

Triefend schwarzer Humor (davon hätte es gerne auch mehr sein dürfen) blitzt immer wieder durch wie beispielsweise in dem Dialog zwischen Thistle und Blake über die Area 51 und andere Legenden. Thistle erwähnt dabei die Geschichte des Kannibalen, der beim FBI arbeiten und mit Todeskandidaten bezahlt werden soll, während Blake neben ihr ein Stück Fleisch isst. Als Leser kann man sich denken, um was (oder wen) es sich handelt.

„Mit diesen FBI-Ermittlungen befriedige ich meine Sucht, aber sie sind gleichzeitig auch meine einzige Ablenkung von ihr.“

Andere Szenen, wie die mit der Anhalterin, die Blake mit einer Waffe bedroht, um sein Auto zu stehlen, wirken überflüssig und haben auch im weiteren Verlauf des Romans keine Funktion. Einzig, dass man als Leser Zugang zu Blakes Gedanken hat, lassen die Handlungen unheimlich und gruselig wirken.

Nichts für Vegetarier

Kann man nur von menschlichem Fleisch leben? Noch dazu, wenn man es – wie Blake – am liebsten roh isst? Das ist natürlich eine sehr extreme Art der Abartigkeit, die es dem Leser schwer macht, sich mit dem Protagonisten zu identifizieren, wodurch trotz der in der Ich-Form gehaltenen Geschichte eine gewisse Distanz bleibt.

Am Ende denkt man, dass die Lösung zu einfach aufgeschlüsselt wird, aber dann macht die Handlung noch mal eine Wendung, so dass man überrascht wird, auch wenn das Finale enttäuschend zügig abgehandelt wird.

Der Autor versucht zudem, den Charakter Blakes rund zu machen, indem er ihn mit zahlreichen Erinnerungen aus seiner Kindheit und Jugend anreichert. Dadurch wird er sehr komplex, wohingegen andere Figuren wie beispielsweise Luzhin unscheinbarer im Hintergrund bleiben.

Fazit:

Jack Heath hat seinen Erstling vorgelegt, was ihm sehr spannend und individuell gelungen ist. Das Ende lässt offen, ob sich eine Serie aus der Figur Blake heraus entwickeln könnte, obwohl erzählerisches Potential reichlich vorhanden wäre.

Der Antrieb des Autors, dass ihm selbst als Kind die Bücher nicht spannend genug gewesen wären, bleibt etwas hinter den Erwartungen zurück, dennoch ist es ein reizvolles Buch für Leser mit dem Hang für außergewöhnliche Protagonisten mit makaber-skurrilen Neigungen. 

Blake

Jack Heath, Heyne

Blake

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