The 2020 Commission Report on the North Korean Nuclear Attacks against the United States (Engl.)
- Mariner Books
- Erschienen: August 2018
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Mariner Books, New York 2018
Ein Politkrimi der realen Art!
Eines vorweg: Dieses Buch ist eigentlich kein Krimi, es liest sich aber wie einer, und zwar wie ein extrem spannender Thriller, mag auch der ziemlich sperrige Titel nicht eben zur weiteren Verbreitung dieses überaus lesenswerten Buches beitragen. Einen spekulativen Roman hat Jeffrey Lewis, eigentlich ein Politikwissenschaftler, Sachbuchautor und einer der führenden Korea-Experten, sein Werk genannt, das nur scheinbar in der knochentrockenen Schreibe eines Kongressreports daherkommt. Der aber hat es in sich, berichtet er doch über nichts Geringeres als über die Ursachen und Folgen eines nuklearen Angriffs der Nordkoreaner gegen die US of A im Jahre 2020. Der Clou dabei: nicht nur die handelnden Personen von Kim Yong Un über Donald Trump bis hin zu James Mattis sind real, sondern auch alle Ereignisse, die zu dem verhängnisvollen Verlauf der Geschichte führen, sind tatsächlich passiert, und zwar exakt bis zum 18. August des Jahres 2018. Alles, was danach in diesem Buch geschieht, ist zwar Spekulation, aber folgt mit bestechender Logik aus Ereignissen, die wir alle bereits in der Tagesschau verfolgen konnten.
Ein Flugzeug kommt vom Kurs ab …
Die Geschichte ist einfach: Ein Südkoreanischer Airbus kommt vom Kurs ab, weil sein Transponder ausfällt, was auch in der Vergangenheit bei diesem Flugzeug schon vorkam. Mangels klarer Koordinaten verletzt der Passagierjet, voll besetzt mit Schülern eines Austauschprogramms, nordkoreanischen Luftraum. In der von Militärmanövern der Südkoreaner mit den USA ohnehin aufgeheizten Stimmung glaubt der Norden an eine Provokation und schießt die harmlose Passagiermaschine vom Himmel.
… und ein Präsident überreagiert, ...
Der südkoreanische Präsident Moon, außer sich vor Wut, ordnet ohne Konsultation mit den Amerikanern einen begrenzten konventionellen Artillerieschlag gegen den Bruderstaat an, der das - ironischerweise von einer italienischen Firma installierte (ja, auch das ist wahr!) - nordkoreanische Mobilfunknetz weitgehend lahmlegt. Diktator Kim, abgeschnitten von der Außenwelt und unzureichend informiert, glaubt an eine amerikanisch-südkoreanische Invasion und befiehlt Atomschläge, zunächst gegen Seoul und Tokio und kurz darauf auch gegen Pearl Harbour, New York und Mar-a-Lago in Florida, wo die Krise Mr. Trump beim Golfspielen kalt erwischt.
… mehr braucht es nicht für den Weltuntergang!?
Mehr braucht es also nicht, um das Schreckensszenario einer nuklearen Auseinandersetzung heraufzubeschwören? Scheinbar nicht! Alle Ereignisse bauen so folgerichtig und (psycho-)logisch aufeinander auf, dass es einem kalt den Rücken herunterläuft. Passagiermaschinen mit technischen Defekten verletzen nordkoreanischen Luftraum? Alles schon da gewesen! Provokationen amerikanischer Militärjets ohne Kennzeichnung bis hart an die nordkoreanische Luftgrenze? Tagesgeschäft bei Manövern auf der koreanischen Halbinsel, wenn man dem Autor glauben darf! Die Logik von Schlag und Gegenschlag, die dann folgt, wird hier in knochentrockener Sprache so überzeugend mit realen technischen, militärischen und geheimdienstlichen Informationen unterfüttert, dass sie ebenso glaubhaft wirkt wie die Unfähigkeit der Politik, die einmal geöffnete Büchse der Pandora wieder zu schließen.
Die Schilderung all dessen, was nach dem großen Knall folgt, hat der Autor, wie sich dem Nachwort entnehmen lässt, den Erzählungen japanischer Überlebender der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki entlehnt. Verständlich, gibt es doch Gott sei Dank keine anderen Praxiserfahrungen. Aber man fragt sich doch unwillkürlich, ob selbst diese erschütternden Narrative nicht nur ein harmloser Vorgeschmack auf das sind, was uns in einem modernen Nuklearkrieg droht. Dennoch ist dieses Buch natürlich auch voller Ironie und nicht ohne Humor, etwa wenn der amerikanische Präsident, zeitweise gefangen in einem Atombunker unter dem dritten Loch seines Golfplatzes in Mar-a-Lago versucht, dem begleitenden Offizier den sog. "Football", also das Gerät, mit dem er den Start amerikanischer Nuklearwaffen befehlen kann, zu entreißen und dabei buchstäblich auf die Fresse fällt, während der Offizier entsetzt das Weite sucht. Oder Trump´s Bewunderung für den Atompilz, der sich über Florida bildet und dem er mit der Air Force One gerade so eben noch entronnen ist.
Je weiter die Geschichte allerdings in die Zukunft voranschreitet, desto mehr verliert sie an Glaubwürdigkeit. So erschließt sich nicht, warum die Amerikaner nur mit einem konventionellen, wenn auch erfolgreichen Gegenschlag antworten. In Zeiten eines Donald Trump nur schwer vorstellbar. Und auch die Nicht-Reaktion aller anderen Atommächte überzeugt nicht, würden doch mit einiger Sicherheit auch in anderen Weltregionen alte Rechnungen atomar beglichen, wenn dieser unheilige Geist erst einmal aus der Flasche ist. Vielleicht hat der Autor ja deshalb auf diese konsequente Finalisierung seines Gedankenspiels verzichtet, weil es in einem solchen Szenario dann buchstäblich niemanden mehr gäbe, der irgendeinen Report an irgendeinen Kongress verfassen könnte.
Was von diesem Buch bleibt, dass ist das ziemlich ungute Gefühl, das wir alle mit der vermeintlichen Trittsicherheit eines Schlafwandlers unablässig ganz nah am Abgrund entlangspazieren, und das es nur eines klitzekleinen Fehltrittes bedarf, um all diejenigen zu widerlegen, die unverdrossen meinen, auch morgen werde die Sonne schon wieder aufgehen.
Wird es genauso kommen, wie in diesem Buch geschildert? Ganz sicher nicht, schon weil einige der Protagonisten (u.a. der vor kurzem zurückgetretene Verteidigungsminister James Mattis und die bisherige UN-Botschafterin Nicki Haley spielen eine tragende Rolle) in der schnelllebigen Zeit eines Donald Trump die öffentliche Bühne bereits verlassen haben. Aber ist ein Szenario wie das hier beschriebene realistisch denkbar? Ganz bestimmt, und genau deshalb ist dieses Buch jedem Erdenbürger wärmstens an´s Herz zu legen, schon damit sein Inhalt nie Realität werden möge.
Jeffrey Lewis, Mariner Books
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