The Other Couple - Böses Erwachen
- Ullstein
- Erschienen: Mai 2019
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400 Seiten, Deutsche Erstausgabe
Aus dem Englischen von Marie Rahn
Originaltitel: The Other Couple
Originalverlag: The Orion Publishing Group
Spannend war es schon, aber….
Asha hatte sich die Flitterwochen anders vorgestellt. Das Luxusresort in Vietnam ist ein Traum, doch ihr Ehemann Oliver ist merkwürdig distanziert, die anderen Gäste teilweise aufdringlich und der dichte Dschungel zu nah. Als sie Oliver dann endlich zu einem Ausflug überreden kann, endet dieser in einer Katastrophe.
Asha denkt nur an Sex und Oliver nur an sich
Statt zwei ausgereifte Charaktere zu schaffen, hat sich die Autorin kräftig in der Klischee-Kiste bedient. Die afrikanisch-stämmige Asha kommt aus einfachen Verhältnissen, ist bei ihrer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen und hat sich langsam zu einer anerkannten Journalistin hochgearbeitet. Oliver ist das genaue Gegenteil. Er kommt aus einem reichen Elternhaus, hat Privatschulen und Elite-Unis besucht und ist heute ein erfolgreicher und millionenschwerer Banker. Seine Familie und Freunde sind gegen die Ehe mit Asha, die sie für eine Goldgräberin halten und, die sie bei jeder Gelegenheit an den Standesunterschied erinnern. Doch die stereotype Darstellung geht noch weiter.
Asha ist als Proll par exellence dargestellt. Ihr Umgangston ist rüde und, obwohl sie Journalistin ist, extrem rudimentär, ihre Gedanken drehen sich selten um etwas anderes als Sex. Anscheinend ist Naughton der Meinung, Menschen aus niedrigeren sozialen Schichten sind unfähig komplex und differenziert zu denken, sich gewandt auszudrücken und gutes Benehmen an den Tag zulegen. So geht Asha dem Leser sehr schnell auf die Nerven. Erst im Laufe der Geschichte entwickelt sich die Figur zu einer relativ normalen Frau, die einen Albtraum durchlebt.
Oliver ist ganz Banker. Er genießt die Privilegien der Upperclass – teure Kleidung, exklusive Reisen, ein Haus in angenehmer Umgebung… Natürlich ist er gut aussehend, erfolgreich und charismatisch. Ein Hoch auf die Klischees!
Erst nach und nach zeigt sich Asha und dem Leser sein wahrer Charakter. Aber, was sich dann als Oliver de Montfort Graveney (!) entpuppt, passt auch wieder ins vorgefasste Bild.
Sogar die Engländer als solche bekommen ihr Stempelchen aufgedrückt. In dem Nobelresort haben sie nichts besseres zu tun, als von morgens bis abends dem Alkohol zu frönen. Hier ist großes Potential überhaupt nicht ausgeschöpft worden - ja nicht einmal angekratzt ist es. Wirklich schade, denn die Geschichte hätte viel Raum für ausgereifte Charaktere gehabt, die, gut dargestellt, Glaubwürdigkeit und Niveau gehoben hätten.
Wer ist der Mörder im Paradies?
Und trotz dieser menschlichen Schablonen ist das Buch spannend. Schon im Prolog wird auf das Ende hingewiesen, was den Leser an die Geschichte fesselt, will man doch wissen, wie es dazu kommt. Mit eingestreuten Rückblicken und merkwürdigen Vorkommnissen in Vietnam nähert man sich dem Geschehen rund um Asha und Oliver so langsam und kommt der Sache auf die Spur. Doch einige Wendungen machen die Handlung nicht vorhersehbar.
Zwar ahnt der Leser, dass es in Olivers Vergangenheit so manchen schwarzen Tag gab und, dass die anderen Urlauber im Resort vielleicht nicht so ganz die unbedarften Saufkumpane sind, die sie scheinen. Doch, was dann schlussendlich zur Katastrophe geführt hat und, wer der Täter ist, ist doch überraschend. Lediglich der Mittelteil der Geschichte ist etwas zu langatmig gehalten: Ashas will immer Sex, Oliver will keinen, das schwule Pärchen bekommt ihn und alle anderen wollen saufen.
Fazit:
Wenn man ein bisschen Nachsicht mit den zu klischeehaften Personen hat und von einigen krassen Logikfehlern absieht, ist „The other couple“ eine spannende Angelegenheit. Erst nach und nach offenbaren sich die Abgründe, die zum Tod von Oliver führen. Lediglich die ständigen sexuellen Anspielungen haben mir den Lesegenuss etwas verdorben. Die voyeuristische Sexszene am Strand war für das Weiterkommen der Geschichte absolut unnötig und hat, ebenso völlig unangebracht, noch mal so richtig die Vorurteile gegen Schwule befeuert. Dennoch ist Sarah J. Naughton nach „Ich soll nicht lügen“ wieder ein guter Thriller gelungen, der Spannung, Unterhaltung und Überraschungen bietet – genau das Richtige für eine gute Urlaubslektüre.
Sarah J. Naughton, Ullstein
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