Das Schweigemädchen
- Heyne
- Erschienen: Januar 2019
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DEUTSCHE ERSTAUSGABE Aus dem Schwedischen von Daniela Stilzebach
Originaltitel: In my Blood Originalverlag: Polaris Paperback, Klappenbroschur, 480 Seiten, 13,5 x 20,6 cm
ISBN: 978-3-453-42280-3
Wenn Mutterliebe in den Wahnsinn führt
Vor 20 Jahren ist Stellas Tochter Alice verschwunden. Stella hat lange gebraucht, um das Trauma zu überwinden. Jetzt arbeitet sie als Therapeutin, hat einen liebenden Mann und einen 13-jährigen Sohn. Eines Tages kommt eine neue Klientin in ihre Praxis, die 22-jährige Isabelle. Stella ist überzeugt, dass es sich um Alice handelt.
Aber sie weiß, dass sie niemanden davon erzählen kann, nachdem sie sich vor Jahren schon einmal geirrt hat und darüber fast ihren Verstand und ihre neue Familie verlor. Zutiefst verunsichert ist sie auch durch Isabelles Verhalten. Ist es Zufall, dass die junge Frau zu ihr gekommen ist? Oder deuten deren Äußerungen darauf hin, dass sie weiß, wer Stella ist? Verfolgt Isabelle einen Plan, will sie sich rächen?
Drei Frauen erzählen die Geschichte auf zwei Zeitebenen
Das Schweigemädchen ist ein Psychothriller, der sich viel Zeit nimmt für seine Charaktere. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Perspektive von drei Frauen erzählt und sich bis etwa zur Mitte des Buches auf zwei Zeitebenen entfaltet. Die Spannung köchelt lange auf Sparflamme vor sich hin, aber gegen Ende nimmt sie rasant zu, und das Verhalten der Beteiligten wirkt umso glaubhafter, da der Leser zuvor einen gründlichen Einblick in das Innenleben der drei Frauen erhalten hat. Der Wahnsinn, der sich immer mehr entfaltet, überzeugt.
Zu Beginn wird Schweigemädchen hauptsächlich aus der Perspektive von Stella und Isabelle erzählt. Stellas Geschichte nimmt zu Beginn den Löwenanteil ein, denn zusätzlich zu ihrer Wahrnehmung der aktuellen Ereignisse gibt es noch ihre Tagebucheinträge aus dem Jahr 1994, die Stück für Stück enthüllen, was damals geschah.
Im Zuge der Geschichte könnte die Sympathie des Lesers wechseln
Stella hat die volle Sympathie des Lesers, auch weil Isabelles Innenleben recht wirr und verstörend wirkt. Je länger die Geschichte aber läuft, und je besser man die beiden kennenlernt, desto verunsicherter wird der Leser.
Bekanntermaßen ist die Ich-Perspektive immer subjektiv und damit nicht unbedingt verlässlich. Kann man den Schilderungen Stellas Glauben schenken? Schließlich gibt es noch eine dritte Frau, Kerstin, die eine ganz andere Geschichte erzählt. Wer von ihnen ist ein Opfer, wer ist verrückt?
Elisabeth Norebäck hat mit „Das Schweigemädchen“ einen psychologisch fundierten Thriller geschrieben, bei dem erst im Rückblick deutlich wird, wie raffiniert er konstruiert wurde. Auch wenn bald klar ist, um wen es sich bei der dritten Erzählerin handelt, bleibt die Antwort auf die Frage, wer von den drei Frauen verrückt ist, lange in der Schwebe. Immer wieder gibt es Wendungen, die den Leser ins Zweifeln bringen. Die Auflösung ist logisch und überzeugend.
Fazit:
„Das Schweigemädchen“ ist Elisabeth Norebäcks Erstlingswerk – ein sehr gelungenes Debüt. Das Buch ist eine Empfehlung für Krimileser, die nicht gleich Action erwarten, sondern Geduld aufbringen und Lust haben, die Charaktere gründlich kennenzulernen. Wer sich darauf einlässt, wird mit einem raffiniert gestrickten und überzeugenden Psychothriller belohnt. Das Thema „Mutterliebe“ dürfte allerdings eher Frauen ansprechen.
Elisabeth Norebäck, Heyne
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