Wer die Furcht kennt

  • Edition M
  • Erschienen: Januar 2019
  • 0
Wer die Furcht kennt
Wer die Furcht kennt
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Thomas Gisbertz
62°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2019

Spannender Thriller mit klaren Schwächen

Der Serienkiller Melvin Royal sitzt nach der Ermordung zahlreicher junger Frauen endlich hinter Gittern und wartet auf seine Hinrichtung. Seine Ex-Frau Gina ist mit den beiden Kindern Connor und Lanny untergetaucht und hat eine neue Identität angenommen. Nun hofft sie, dass der Albtraum endlich vorbei ist.

Doch dann erfährt sie, dass Melvin aus dem Gefängnis ausgebrochen ist. Gwen, wie Gina nun heißt, weiß, dass sie nirgends vor diesem Monster sicher ist. Ihr bleibt nur eine Wahl: Gemeinsam mit Sam, dem Bruder eines der früheren Opfer, muss sie sich ihrem Ex-Mann stellen und Melvin endgültig zur Strecke bringen. Dabei begibt sie sich in tödliche Gefahr.

Albtraumhafte Suche

Gwen erkennt, dass sie ihrem Mann nicht entkommen kann. Er wird sie finden, dessen ist sie sich sicher. Daher gibt sie ihre Kinder in der Obhut von Javier Esparanza, einem Ex-Marine, und Kezia Claremont, einer erfahrenden Polizistin und macht sich auf die Suche nach Melvin. Gwen weiß, dass ihren Ex-Mann töten muss, um sich selbst und ihre Kinder für immer vor ihm schützen zu können.

Gemeinsam mit Sam stößt sie auf eine erste Spur, als sie eine Nachricht auf ihrem Smartphone erhält: „Sie sind jetzt nirgends mehr sicher. A“. Der entflohene Killer Royal hatte in der Vergangenheit Hilfe vom Meisterhacker „Absalom“. Eigentlich ging man bei den früheren Ermittlungen davon aus, dass hinter diesem Pseudonym Officer Lancel Graham steckte. Dieser hatte damals Connor und Lanny entführt und Gwen in eine Falle gelockt.
Da Graham aber nicht mehr lebt, muss mehr hinter „Absalom“ stecken. Einen ersten Hinweis, was bzw. wer dies sein könnte, erhalten Gwen und Sam vom FBI-Agenten Mike Lustig. Sofort machen sich die beiden auf den Weg und gehen der Spur nach. Noch ahnen sie nicht, in welchen Hinterhalt sie geraten werden.

Erfolgreiche Autorin

Die Amerikanerin Rachel Caine (eigentlich Roxanne Longstreet Conrad) ist eine internationale Bestseller-Autorin von mehr als 45 Romanen verschiedener Genres (Science-Fiction, Fantasy, Mystery, Thriller, Horror). Sie hat bereits als Buchhalterin, professionelle Musikerin und Schadensermittlerin gearbeitet und war bis vor kurzem Geschäftsführerin eines großen Unternehmens. Zusammen mit ihrem Mann, dem Künstler R. Cat Conrad, lebt sie in Texas.

Die Autorin setzt mit „Wer die Furcht kennt“ ihre „Stillhouse-Lake-Reihe“ um den Serienkiller Melvin Royal und seine (Ex-)Frau Gina fort. Der letzte Teil der Trilogie erscheint im Juni 2019 unter dem Titel „Wenn die Hoffnung stirbt“. Alle Teile der Reihe werden im Edition-M-Verlag veröffentlicht.
Spannende Handlung mit erzählerischen Schwächen

Zum besseren Verständnis des zweiten Bandes der Stillhouse--Lake-Reihe ist es sinnvoll, den ersten Teil „Die Angst schläft nie“ bereits gelesen zu haben. Anderenfalls fällt es zu Beginn der Lektüre von „Wer die Furcht kennt“ doch etwas schwer, sich in der Handlung und der Personenkonstellation zurechtzufinden. 

Caine erzeugt in ihrem Roman zwar von Beginn an Spannung. Um einen echten „Thrill“ zu entwickeln, der den Leser wie einen Sog in die Geschichte zieht und gepackt hält, fehlt aber das tragende Element eines jeden guten Thrillers: ein Spannungsbogen. Dafür benötigt man nicht nur eine spannende Grundidee, sondern vor allem eine anschauliche und stringente Darstellung der Charaktere sowie einen nachvollziehbaren, plausiblen Handlungsaufbau.

Caine dagegen versucht, die Spannung nicht durch einzelne Erzählschritte zu steigern, sondern vielmehr mit immer wieder auftauchenden Schockmomenten. Diese beziehen sich aber zudem fast allesamt auf Taten, die bereits in der Vergangenheit von Melvin oder anderen Sadisten durchgeführt wurden (zeitlich im ersten Band der Reihe) und nun als Video auftauchen. Caine erzeugt mit Brutalität und Sadismus Spannung, weniger mit einer klug durchdachte Handlung.

Die eigentliche Hauptfigur neben Gwen, der Serienkiller Melvin, taucht erst am Ende des Thrillers auf. Auch wenn er sich immer wieder bei Gwen und vor allem ihrem Sohn Connor (der seit Monaten unbemerkt ein Handy mit der Telefonnummer des Vaters besitzt!) telefonisch meldet, kommt auch hier kaum Spannung auf.

Logik und Sprache bleiben auf der Strecke

Man hat beim Lesen des Thrillers manchmal den Eindruck, die Autorin handelt nach dem Pippi-Langstrumpf-Motto: „Ich mach' mir die Welt, wie sie mir gefällt“. So gingen Gwen und alle anderen früher davon aus, dass hinter „Absalom“ ein einzelner Hacker steckte. Als Melvins Ex-Frau jetzt eine neue Nachricht erhält, spricht das FBI dann aber ganz plötzlich „von ein paar Spuren zu möglichen Absalom-Mitgliedern“. Woher kommt auf einmal und vollkommen unerwartet diese Einschätzung? Damit nicht genug, lässt die zentrale Sicherheitsbehörde in Person von Agent Mike Lustig mit Gwen und Sam zwei Zivilisten frei ermitteln, spielt ihnen Informationen zu und deckt sie, falls nötig. Dies ist selbst für einen Roman zu weit weg von der Realität.

Auch sprachlich weiß der Thriller nicht zu überzeugen, da Caine unter anderem ein erzählerischer Kniff misslingt: Einzelne Kapitel werden aus der Sicht von Gwens Kindern Connor (elf Jahre) und Lanny (14 Jahre) erzählt. Die Idee, aus deren Sicht die Situation zu schildern, ist grundsätzlich interessant und bietet zahlreiche Möglichkeiten, allerdings schafft es Caine nicht immer, „sprachlich“ die Position der Kinder richtig einzunehmen. Der Sprachduktus sowie die Reflexionsfähigkeit der Jugendlichen ist teilweise überzogen. Sprachlich unterscheiden sich diese Kapitel kaum von denen aus der Perspektive Gwens oder Sams.

Zwischen Muttergefühlen und Rambo-Gen

Die Hauptfiguren Gwen und Sam bleiben blass, was besonders daran liegt, dass Caine ihnen keine Tiefe gibt, sondern beide immer wieder gleich darstellt und monoton agieren lässt. In Endlosschleifen sprechen beide ständig über dasselbe, wenn Gwen andauernd ihre Mutterliebe betont, während Sam immer wieder mit sich ringt, ob er Melvins Ex-Frau trauen kann oder nicht.

Man bekommt als Leser das Gefühl, dass Caine diese Zwischenspiele zur Überbrückung braucht, bevor sie wieder den nächsten Schockmoment einbaut. Des Weiterenwirkt Gwens ständiger Wechsel zwischen Beschützerinstinkt und Rambo-Gehabe auf Dauer nervend.
Auch dass es der so taffe Ex-Marine Javier nicht schafft, auf zwei Jugendliche aufzupassen und sie aus seinem gut gesicherten Haus ständig ausbüxen können, ohne dass er dies bemerkt, ist einfach nur unglaubhaft.

Fazit:

Wer keine bis ins Detail logische Handlung braucht, und stattdessen lieber auf eine spannende Story mit Schockmomenten setzt, ist bei „Wer die Furcht kennt“ genau richtig. Spannend ist der Thriller allemal, sprachlich, zum Teil auch inhaltlich,  weiß er aber nicht zu überzeugen. Hierum geht es in einem solchen Roman aber meistens auch nicht. Insgesamt ein durchschnittlicher amerikanischer Thriller.

Wer die Furcht kennt

Rachel Caine, Edition M

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