Jenseits von Wut
- Grafit
- Erschienen: Dezember 2018
- 1
Originalausgabe erschienen 2018 bei Grafit.
Folge 1 der Edith-Beelitz-Serie.
Der Kohlenpott und ein Killer
Lucie Flebbe richtet ihre Aufmerksamkeit nicht auf die vom Glück begünstigten. Ihre Heldinnen sind die, die sich freistrampeln müssen, die vom Schicksal gebeutelt wurden und deren Leben ein paar Haken und Ösen zu viel aufweist. Zu diesem Typ gehört auch Eddie Beelitz, ihre neue Protagonistin.
Eddie hat sich gnadenlos von ihrem Job unterbuttern lassen, ist in eine Beziehung geflüchtet, hat sich – Überraschung – auch von ihrem Mann in die Knie zwingen lassen und muss jetzt zurück zu ihrem ungeliebten Job. Um – ja was zu tun? Sich wieder einen reinwürgen zu lassen und festzustellen, dass alles doch schief läuft?
Gefangen zwischen Regen und Traufe hat Flebbes Heldin leider nicht die große Wahl. Nachdem sie mit ihrem Mann nicht mehr Tisch und Bett teilt und ihren eigenen Mietvertrag unterschreiben – und bedienen muss – sieht sie sich alsbald mit Ermittlungen um einen Mordfall konfrontiert. Eine junge Frau wurde vor dem Jobcenter ermordet aufgefunden und nun gehört es auch zu Eddies Aufgaben, der Gerechtigkeit zum Siege zu verhelfen.
Bochum, ich häng’ an dir …
Lucie Flebbe setzt in ihrem Buch auf das bewährte Umfeld des Kohlenpotts. Wieder spielt ihre Handlung in Bochum und wieder fühlt sich der Leser warm in Teile der Idylle eingewickelt, die auch schon Grönemeyer besang. Da hat die Oma noch im Schrebergarten die Laube, die Nachbarschaft hält zusammen wie Pech und Schwefel und wer vom Leben eins auf die Nase bekam, wird hier aufgefangen.
Natürlich kann man sich fragen, ob das nicht ein bisschen viel Idylle ist, aber wer auch schon die Bücher um die Vorgänger-Heldin Lila Ziegler mochte, der fühlt sich, als komme er nach hause. Der eigentliche Mord fällt dann fast nicht mehr ins Gewicht, ist aber dennoch gut durchdacht und logisch und spannend konstruiert. Irritierend zu Beginn, dass offensichtlich zwei Stimmen im Buch erzählen und die eine davon ohne weitere Erklärung und Einführung einsetzt. Hier muss der Leser recht weit in das Buch eindringen, um zu erfahren, wer sich hier in die Handlung einmischt. Dennoch trägt diese kleine Irritation mit zum Gelingen des Buches bei, da dem Leser, der nur über Eddies Gedanken liest, viele Informationen vor enthalten würden. So aber entstehen weitere Bilder, die sich aus der Welt der bloßen Zerrüttung einer Ehe heraus bewegen. Es geht um familiäre Verstrickungen, um Co-Abhängigkeiten bei Suchterkrankungen, um das was man sehen will und was nicht und nicht zuletzt um Schuldgefühle. Ohne große Sentimentalitäten packt Flebbe diese Emotionen in ihr neues Werk und zeichnet auch so wiederum das Bild des Kohlenpotts.
Natürlich muss eine Kritikerin auch ein bisschen meckern und das fällt in diesem Buch der Darstellung der Eddie zu. Wenn dieser auch eingangs sicherlich das Schicksal das eine oder andere Bein stellt, sorgt die Autorin doch hier ein wenig viel für ausgleichende Gerechtigkeit auf einem anderen Feld.
Wenn also ob ihrer grünen Augen – und eines nicht näher erwähnten Körperteils – tatsächlich ein Großteil der Männerwelt ganz aus dem Häuschen sein soll und selbst derjenige, der sie schmählich in Stich ließ angekrochen kommt, ist das doch ein bisschen viel. Auch wenn man sich das sicherlich so wünschen würde. Witzig aber hier immerhin die Umkehrung der Rollen und das neue Erstarken und selbstbewusste Auftreten der Heldin:
»Du machst mit mir Schluss?« erkannte er verwirrt »Du? Mit Mir?« Ich zog eine Augenbraue hoch …»Wir waren ein einziges Mal im Bett«, seufzte ich. »Müssen wir da wirklich ein Drama draus machen?«
Zusammenfassend bleibt zu sagen, dass Flebbe ihrem Typ und ihren Charakterköpfen treu geblieben ist. Vielleicht sind es nicht die allergrößten Helden, die sich hier versammeln und es werden auch keine Serienmörder gejagt, die Ströme von Blut vergießen.
Hier trifft der Leser auf die kleinen Helden mit ihren kleinen und doch großen Dramen und Verstrickungen und Verbrechen, wie sie sich auch in der Straße nebenan zugetragen haben können. In den 80er Jahren gab es einen Werbespruch, der schnörkellos und einfach Sympathien gegenüber dem Produkt vermittelte. Er mag es hier am besten treffen: Ich mag die Flebbe.
Lucie Flebbe, Grafit
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