Rügener Abgründe

  • Schardt
  • Erschienen: November 2016
  • 0
  • Oldenburg: Schardt, 2016, Seiten: 309, Originalsprache
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Birgit Stöckel
25°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2019

Misslungener Inselkrimi

Das Kommissariat in Sassnitz auf Rügen hat es im Normalfall eher ruhig - ganz besonders, was Tötungsdelikte angeht. Doch dann wird während eines Unwetters im Frühling eine kopflose Leiche gefunden, und Kriminaloberkommissarin Jessica Burmeister nimmt mit ihrem Team die Ermittlungen auf. Dabei hat sie nicht nur mit den Schwierigkeiten der Nachforschungen aufgrund der fehlenden Identifizierung der Leiche zu kämpfen, sondern auch mit ihren Kollegen, die ihr in ihren Augen ständig das Leben schwer machen - sowie mit ihrer eigenen Persönlichkeit.

Unsympathische und unglaubhafte Charaktere

In „Rügener Abgründe“ blicken wir gleich in mehrere Abgründe - in die der menschlichen Psyche, die sich im Laufe der Ermittlungen auftun und in die Abgründe der Figurenzeichnung, die die Lektüre an vielen Stellen sehr mühsam macht. Meiner Meinung nach braucht ein Buch nicht zwingend sympathische Protagonisten, es braucht vor allem glaubwürdige Protagonisten, die in sich logisch handeln. Dann folge ich auch Unsympathen durchaus gern durch die Geschichte.

Doch hier finden sich weder sympathische noch glaubwürdig gezeichnete Figuren. Es wird  bei der kleinsten Kleinigkeit geschrien, geflucht, beschimpft - egal ob es sich um Kollegen oder Vorgesetzte handelt. Unattraktive Menschen werden (zumindest in Gedanken) herabgesetzt und beleidigt, und Impulskontrolle scheint ein Fremdwort zu sein, zumindest für die Ich-Erzählerin Jessica Burmeister und ihren Kollegen Wilfried Winterstein. Da wird nicht nur bei einer Vernehmung eine Zeugin hart angegangen, da wird auch schon mal ein Jugendlicher in einem öffentlichen Lokal von einem besoffenen Winterstein mit der geladenen Dienstwaffe bedroht, weil er einmal zu oft gerülpst hat.

Der Rechtsmediziner Wahlberg wird durchgehend als komplettes Ekel dargestellt, zeigt dann aber auf einmal Gefühle. Leider auf eine dermaßen übertriebene Weise, dass man ihn als Leser nicht für voll nehmen kann. Der einzige überwiegend sympathische Charakter ist Andreas Bollermann, genannt Bolle, der dafür so farblos bleibt, dass man sich kaum mit ihm anfreunden kann.

Verschenktes Potential

Der Kriminalfall an sich hätte einiges an Potential zu bieten gehabt, steigt er doch tief in die Abgründe der menschlichen Psyche ein, und es geht nicht nur um ein zerstörtes Leben. Doch leider gerät er neben den privaten Problemen, den verbalen Entgleisungen und Ausbrüchen der Ermittler ziemlich ins Hintertreffen.

Auch hier beweist die leitende Ermittlerin Burmeister wenig Kompetenz. Es gibt wirklich wenig handfeste Beweise, die am Tatort gefunden werden. Trotzdem schafft sie es, auch dieses zu vergessen und teilweise keine Ahnung zu haben, worüber ihre Kollegen ihr nun Bericht erstatten wollen. Die Aufklärung verläuft dann fast schon nebenbei und ziemlich unspektakulär, wodurch dem Leser kaum klar wird, was eigentlich alles hinter dieser Tat steckt. Schade, die Geschichte an sich hätte deutlich mehr Potential gehabt.

Humor mit der Brechstange

Sprachlich wird man gleich in den ersten Zeilen mit diesem Vergleich konfrontiert: „Ich fühle mich wie ein benutztes Fieberzäpfchen: eingeengt in schwül-heißer, stickiger Luft.“ Von solch sprachlichen Perlen wird der Leser im weiteren Verlauf zum Glück verschont, doch diese Aussage steht sinnbildlich für den Humor dieses Buchs: zu laut, zu brachial, zu ordinär und zu gewollt. Dabei kann die Autorin auch anders.

An einigen Stellen erkennt man einen feineren, bissigeren und passenden Humor, der einen tatsächlich lachen lässt. Nur leider kommt der viel zu selten zum Tragen. Ich habe beim Lesen mehrfach überlegt, ob das ganze Buch als Satire zu sehen sei, doch dafür ist es nicht konsequent durchgehalten, dafür gibt es zu viele Abschnitte, in denen von einer etwaigen Satire nichts zu merken ist.

Fazit:

Insgesamt hat „Rügener Abgründe“ einen an sich interessanten Kriminalfall, der nur leider zu nebensächlich und unspektakulär abgehandelt wird und in der misslungen Figurendarstellung mit unglaubwürdigen und unsympathischen Charakteren untergeht. Einzig die Beschreibungen Rügens und Warnemündes sind uneingeschränkt gelungen und fangen die Stimmung an diesen Orten gut ein. Letztlich aber definitiv kein Krimi, den man gelesen haben muss.

Rügener Abgründe

Sylvia Voigt, Schardt

Rügener Abgründe

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