Codename Eisvogel

  • Heyne
  • Erschienen: Oktober 2018
  • 1
  • München: Heyne, 2018, Seiten: 364, Übersetzt: Luise Filek & Johanna Simon
Codename Eisvogel
Codename Eisvogel
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2019

Ist das Chaos im Weißen Haus von langer Hand geplant?

Ist es möglich und denkbar, dass Ivana Trump, geschiedene Ehefrau des 45. US-Präsidenten Donald Trump, eine Agentin des KGB war? Auf genau dieser fiktionalen Annahme basiert die Spionage-Geschichte in “The kingfisher secret”, zu deutsch: Codename Eisvogel.
Der Verlag macht ordentlich Wind um das Buch, dessen Autor angeblich aus Sicherheitsgründen anonym bleiben muss - auch um seine Quellen zu schützen. Damit soll offenbar auch suggeriert werden, dass es sich nicht um eine komplett erfundene, sondern um eine in Teilen wahre Geschichte handelt. Nochmals die Frage: Ist so etwas denkbar? Ich sage nur: Möglich ist alles.

Viele Parallelen zwischen Elena Klementova und Ivana Zelnickova

Im Roman wird Elena Klementova 1968, im Alter von 18 Jahren, von einem KGB-Agenten rekrutiert. Sie kommt in ein Sonderprogramm an der Prager Karlsuniversität, ihre Eltern bekommen eine bessere Wohnung. Nach Jahren der Ausbildung wird sie zusammen mit anderen jungen Frauen - so genannten Schwalben - in den Westen geschickt, um dort durch Heirat mit Männern, die perspektivisch als Nachrichtenquelle interessant für die Russen werden könnten, an wichtige Informationen zu gelangen und möglicherweise die Politik des Westens sogar zu beeinflussen.
Die Parallelen zwischen Elena Klementova und Ivana Zelnickova sind verblüffend, hier hält sich der Autor eng an seine historische Vorlage. Die ebenfalls aus der tschechischen Provinz stammende Ivana ist ein Jahr vor Elena geboren worden, studierte auch an der Karlsuniversität, nahm an Ski-Wettkämpfen teil, und erlangte durch die Heirat mit einem Österreicher dessen Staatsbürgerschaft. Im Roman muss hierfür ein Franzose herhalten.

Viele Perspektiv-Agentinnen wurden in den Westen geschickt

Im Buch wird die Ehe nach einem Jahr auf Betreiben des KGB beendet, und Elena zieht von Strassburg nach Montreal. Ivanas Schein-Ehe hielt zwei Jahre, und auch sie zog dann weiter nach Montreal. Während die Romanfigur nach wenigen Jahren in Kanada den Unternehmer Anthony Craig heiratet, der dann später für das Amt des US-Präsidenten kandidiert, wurde die Ehe zwischen Ivana und Donald Trump 1977 geschlossen und 1990 wieder geschieden. Im Roman hält die Ehe bis 1998 - aber beide Frauen sind später erfolgreiche Unternehmerinnen. Soweit die Übereinstimmungen zwischen der Romanfigur und der offensichtlichen Vorlage in der Realität.
Jetzt werden wieder der eine oder die andere mit dem Thema Glaubwürdigkeit oder Realitätsnähe um die Ecke kommen. Ganz einfach. Glaube ich, dass Ivana Trump eine Agentin des tschechoslowakischen, sowjetischen oder russischen Geheimdienstes ist oder war? Nein. Halte ich ein solches Szenario für denkbar und möglich? Auf jeden Fall. Die osteuropäischen Geheimdienste haben solche Perspektiv-Agentinnen in großer Zahl in den Westen geschickt, nicht nur der Staatssicherheitsdienst der DDR, der es allerdings leichter hatte als andere Geheimdienste. Und dass der KGB ziemlich nahtlos in den FSB - und wie die Nachfolgedienste so alle heißen - übergegangen ist, kann auch als gesicherte Erkenntnis gelten.
Ein Szenario, wie in “Codename Eisvogel” beschrieben, ist also nicht nur möglich, sondern sogar wahrscheinlich. Längst nicht alle Schläfer oder Perspektiv-Agenten - egal welches Geschlecht sie haben - wurden nach dem Ende der Sowjetunion und ihrer Satellitenstaaten im Westen enttarnt. Es wird noch einige Frauen wie Elena Klimentova geben - auch wenn Ivana Trump wohl eher keine der Schwalben ist, die ihren Flug einst in Prag gestartet haben.

Gute schriftstellerische Umsetzung der Roman-Idee

Wenn das Buch nahe an der Realität ist, könnte man allerdings schon glauben, dass die Geheimdienste der ehemals kommunistischen Staaten eines ihrer Ziele zum Teil erreicht haben.

“Das Ziel des Programms war geradezu schmerzhaft simpel: Mittler von Unordnung und Chaos in Amerika zu erzeugen und fördern, um die Demokratie als Waffe gegen sich selbst zu wenden.”

Das scheint bei Donald Trump perfekt funktioniert zu haben - wenn denn seine Ex-Frau mit dazu beigetragen hat, dass er heute Präsident ist. Die Planer und Agenten-Ausbilder von vor 50 Jahren hätten somit irgendwie einen späten, aber dafür umso spektakuläreren Erfolg zu feiern.

Die schriftstellerische Umsetzung der Roman-Idee ist in meinen Augen sehr gut gelungen. Es ist lange nicht klar, wo die Geschichte mit Grace Elliot und Elena hinführt. Grace ist Journalistin bei einem Klatschblatt und schreibt eine Kolumne, deren Texte sie sich gemeinsam mit Elena Craig - so heißt der Eisvogel im Roman - ausdenkt. Als sie Fragen nach Elenas Vergangenheit stellt, wirf die sie raus, und Grace beginnt auf eigene Faust zu recherchieren.

Fazit:

Nach dem Zerwürfnis zwischen Grace und elena entwickelt die Geschichte einen gewaltigen Sog. Es gibt einen ständigen Wechsel zwischen Vergangenheit und Gegenwart, wodurch enorme Spannung erzeugt wird. Grace recherchiert dem Leben von Elena hinterher, unter Lebensgefahr, hartnäckig, unbeirrbar. Das Ende ist dann ziemlich heftig - und völlig überraschend. Der unbekannte Autor liefert hier hervorragende und kurzweilige Unterhaltung ab, und nach der Lektüre denkt man schon mal darüber nach, wieviel davon doch wahr sein könnte….

 

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Anonymous, Heyne

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