Panic (Die Jägerin)

  • Hoffmann & Campe
  • Erschienen: Januar 1998
  • 22
  • London: Hodder & Stoughton, 1997, Seiten: 340, Originalsprache
  • Hamburg: Hoffmann & Campe, 1998, Titel: 'Die Jägerin', Seiten: 318, Übersetzt: Lutz Kliche
  • München: Goldmann, 2000, Titel: 'Die Jägerin', Seiten: 344, Übersetzt: Lutz Kliche
  • Frankfurt am Main: Fischer Taschenbuch Verlag, 2006, Titel: 'Panic. Der Schuss - Das Blut - Der Tod', Seiten: 368, Übersetzt: Irmengard Gabler
Panic (Die Jägerin)
Panic (Die Jägerin)
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Michael Drewniok
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Sullivan winkt nicht mit dem Zaunpfahl; er schlägt ihm seinem Leser übern Schädel Unlogik auf sehr gutem Unterhaltungsniveau

Diana Jackman, geboren als Little Crow (= Kleine Krähe), Tochter eines Schamanen des Stammes der Micmac-Indianer, einst erfolgreiche Software-Spezialistin, Ehefrau und Mutter, steckt in der Krise. Die Ehe ist zerbrochen, ihre Kinder darf sie nicht sehen, der Vater hat sich umgebracht. Misstrauisch und depressiv geworden, sucht sie Ablenkung in einer Zerstreuung, die sie schon in ihrer Jugend zu schätzen gewusst hat: Diana geht jagen! Sie bucht einen Jagdausflug, der sie und acht weitere Jäger in die winterlichen Wälder British Columbias im Norden Kanadas führen wird. Weißwedelhirschen soll es dort an den Kragen gehen. Die Erwartungen sind hoch, denn zum ersten Mal dürfen Jäger im Revier des Großindustriellen Metcalf, der hier unter nie geklärten Umständen verschwunden ist, auf die Pirsch gehen.

Die Gruppe ist gemischt. Erste Konflikte brechen aus, als die Jäger erkennen müssen, dass sich unter ihnen ein Journalist befindet. Steve Kurant hat sich eingeschlichen, um Material für eine Reportage über die Hirschjagd zu sammeln. Das Thema ist heikel, seit einige Jahre zuvor eine Frau bei einer Jagd versehentlich erschossen wurde. Ihr Mann, ein berühmter Wissenschaftler, ist darüber verrückt geworden - ein Fall, der großes Aufsehen erregt hat, von dem Kurant nun profitieren möchte.

Auch sonst bleiben kleinere Reibereien in der Gruppe nicht aus, aber insgesamt überwiegt das Jagdfieber. Doch die Vorfreude schlägt bald in Entsetzen um: Diana findet einen der Teilnehmer an einem Baum hängend - mit einem Bogen erschossen, aufgeschlitzt und ausgeweidet! Zunächst verdächtigt man einander, zumal gleich zwei der Jäger mit modernen Jagdbogen ausgerüstet sind. Doch Diana, die von ihrem Vater in der Kunst des Spurenlesens ausgebildet wurde, erkennt rasch, dass ein Fremder die Gruppe belauert - ein Fremder, der offensichtlich plant, sie alle auszulöschen! Systematisch hat der Mörder seine Opfer in die Falle gelockt, die Verbindungen zur Außenwelt zerstört. Er weiß: Mindestens acht Tage wird es dauern, bis das nächste Flugzeug eintrifft. Nun belagert er das Camp - wieder und wieder tötet er brutal einen aus der Reihen der Jäger, die mehr oder weniger hilflos zuschauen müssen. Versuche, den Spieß umzudrehen und den Mörder in seinem Unterschlupf aufzustöbern, scheitern. Diana, die sich allein auf die Spur des Täters setzt, wird von ihm gefangen und als Opfer für die Wölfe im Wald ausgesetzt. Zuvor hat sie ihn jedoch erkannt: Es ist der Professor, der seine Ehefrau bei besagtem Jagdunfall verloren hat! Darüber ist er wahnsinnig geworden und gedenkt nun, sich zu rächen.

Diana kann sich befreien und ins Camp zurückkehren. Dort stellt sich heraus, dass es Kurant war, der den Geisteskranken nach British Columbia gelockt hat: Er fand heraus, dass es der Betreiber des Metcalf-Jagdcamps war, der die Frau des Professors erschossen hat. Doch Kurant hat sich verschätzt - der Professor verfolgt jeden Jäger mit erbittertem Hass, und er wird niemanden verschonen! In den tief verschneiten Wäldern um das Camp kommt es schließlich zur großen Schlussabrechnung, bei der Diana ihr ganzes Können als Jägerin einsetzen muss, um den Wahnsinnigen zu überwältigen. Ihre Chancen stehen schlecht, denn sie findet heraus, dass ihr Gegner offenbar mit übernatürlichen Mächten im Bunde ist...

Wie viel Raffinesse lässt sich von einem Roman über das Jagen erwarten, dessen Heldin vom Autoren "Diana" genannt wird? Nun, der erste Eindruck täuscht - Die Jägerin ist ein besserer Roman, als solche Holzhammer-Metaphorik zunächst befürchten lässt. Sullivan hat sich sichtlich Mühe mit seiner Geschichte, der Figurenzeichnung und der Beschreibung der verschneiten Wälder British Columbias gegeben. Er hat die denkbar einfache Story - übergeschnappter Jäger bricht auf zur Menschenjagd - sogar ein wenig überfrachtet. Vertraute er ihr nicht? So oft, wie sie schon in Wort und Bild erzählt wurde, hätte er das getrost tun können. Aber Sullivan ist ein ehrgeiziger Autor; das belegt auch sein zweiter in Deutschland veröffentlichter Roman (Ghost Dance/Geistertanz; 1999). Seine im Metcalf-Jagdcamp versammelten Männer und Frauen sind keine eindimensionalen Schießbudenfiguren. Sorgfältig hat Sullivan ihnen jeweils eine eigene, sorgfältig ausgearbeitete Lebensgeschichte mitgegeben. Nur: Lohnt sich der Aufwand, wenn sich eine lang und breit vorgestellte Person als reine Nebenfigur erweist, die nach ihrem liebevoll ausgemalten Tod recht sang- und klanglos aus der Handlung verschwindet? Hier gerät die Geschichte (zu) oft auf Nebengleise, die irgendwann langweilen.

Das macht sich natürlich besonders negativ bemerkbar, wenn davon die Hauptfigur betroffen ist. Sullivan setzt sich selbst unnötig unter Druck, indem er seine Geschichte aus weiblicher Sicht erzählt. Wieso er dies tut, bleibt sein Geheimnis. Suchte er die literarische Herausforderung? Dann hat er sich allerdings ein wenig überschätzt.

Leicht haben es Sullivans Helden ohnehin nicht. In Die Jägerin wie in Geistertanz brechen die Hauptfiguren unter der Last persönlicher Probleme beinahe zusammen. Diane Jackman leidet unter der Trennung von Ehemann und Familie, dem Selbstmord des Vaters (mit dem sie sich ebenfalls entzweit hat), der Erinnerung an den geistigen Verfall der Mutter und dem "Gnadentod", zu der ihr offenbar der Vater verholfen hat, ihrer indianischen Herkunft und, und, und... Die Reihe der Plagen will gar kein Ende finden!

Überhaupt erzeugt die Darstellung Diane Jackmans als Frau indianischer Abstammung bei der Lektüre eher Missmut. Sullivan fällt dazu wenig mehr ein, als seine "Little Crow" im Einklang mit der Natur als vorzügliche Jägerin und Spurenleserin zu charakterisieren. Als Tochter eines Schamanen (darunter geht´s anscheinend nicht) ist sie darüber hinaus in der Lage, allerlei Geister in den Baumwipfeln raunen zu hören - alles Eigenschaften also, die den Indianer gemeinhin auszeichnen: nach den Erkenntnissen der ethnologischen Fakultät der Universität von Hollywood jedenfalls. Heute werden die amerikanischen Ureinwohner nicht mehr reihenweise vom Pferd geschossen. Ob es angemessener ist, sie als New-Age-Ikonen zu verkitschen, muss jede/r für sich selbst entscheiden.

Generell betrachtet hat Sullivan einen fatalen Hang zum Übernatürlichen. Es genügt ihm nicht, seinen wahnsinnigen Menschenjäger los zuschicken. Nein, er muss auch noch mit diversen mystischen Mächten im Bunde sein, die dafür sorgen, dass Pfeile ihn nicht treffen und ihn über Schneewehen heben. Pech für ihn, dass Diana die stärkeren Spuker kennt - aber sie ist ja auch Indianerin! Tieferen Sinn macht dieser Hokuspokus nicht; Sullivan ergeht sich in reiner Effekthascherei. Das lässt auch sehr schön der für die Geschichte irrevalente Prolog mit dem von Dämonen besessenen Wiesel (!) deutlich werden.

Dummer Jäger erschießt gute Frau - Ehemann verliert Verstand - dummer Jäger ändert Namen und übernimmt Jagdcamp - skrupelloser Reporter findet dummen Jäger und steckt das irrem Ehemann - irrer Ehemann verfolgt dummen Jäger, skrupellosen Reporter und alle, die zufällig gerade anwesend sind. Klingt das logisch? Nun, es spricht für Sullivans Talent als Schriftsteller, dass er diese Geschichte aufzutischen weiß, ohne dass seine Leser endgültig die Segel streichen. Zwar hat er schon ziemlich früh die Weichen für seinen Plot gestellt - selbst der dümmste Leser weiß bald, wer der Unhold sein muss. Sullivan winkt nicht mit dem Zaunpfahl; er schlägt ihm seinem Leser über den Schädel. Aber trotz aller unwahrscheinlichen Zufälle und fragwürdiger Eingriffe aus dem Jenseits rettet sich die Geschichte recht glücklich ins Ziel, denn sie ist spannend erzählt, und die Ellipsen und Exkurse, die Sullivan auf dem Weg zu höheren literarischen Weihen einschlägt, lassen sich problemlos überspringen.

Diese Rezension von Dr. Michael Drewniok (Wertung: 55°) bezieht sich auf das Buch unter dem Titel "Die Jägerin", Goldmann, 2000. Gelesen im August 2000.

von Wolfgang Weninger

Der umfassenden Inhaltsangabe, die der Fischer Taschenbuch Verlag dem neuen Thriller Panic von Mark T. Sullivan spendiert hat, braucht man als Krimi-Couch-Rezensent wirklich Nichts hinzufügen. Das Wichtigste steht da und viel mehr Positives als diesen Spannungsanreiz wird der Leser 360 Seiten, die mit "Der Schuss - Das Blut - Der Tod" untertitelt sind, kaum vorfinden, außer er gehört zum erlauchten Grüppchen derer, die in bitterer Kälte Weißweidelhirschen nachstellen oder jener, deren Freizeitvergnügen in der Ausbildung zum Medizinmann eines in der Wüste lebenden Indianerstammes besteht.

Bislang durfte der Ex-Journalist Sullivan zwei Mal eine Nominierung für den Pulitzer-Preis für investigative Berichterstattung einheimsen. Das merkt man der literarischen Panik selbstverständlich an. Der Autor hat die Fähigkeiten seiner Heldin und ihres Widersachers grundlegend gut recherchiert, aber daraus nur einen schlappen Weltverbesserungsthriller entwickelt.

Schon bei der Beschreibung des kanadischen Winters, eigentlich dem einzig guten Szenario des Romans, könnte sich Sullivan bei Giles Blunt eine Scheibe abschneiden, denn in dessen Blutiges Eis beginnt auch den Leser zu frieren, wenn die Bäume vor Kälte zerkrachen. Sullivans Hauptperson Diana Jackman hat trotz intensivstem Winter fast nie Probleme mit den Temperaturen, obwohl ihre Bekleidung gelegentlich nur Resten eines Hirschfelles besteht.

Wie überhaupt diese Diana Jackman weniger ein Fall für die Krimi-Couch ist, sondern einen Paradefall für die Couch eines Psychiaters darstellt. Da sieht man mal wieder, was die Erziehung der Eltern den Kindern antun kann, denn "Little Crow" war zwar mit ihrer Mami täglich Forellen fischen und durfte in einer abgelegenen Farmerhütte dem Arzt, ihrem Papa, bei der Beseitigung eines eitrigen Blinddarms assistieren, aber wie man eine Beziehung zu anderen Menschen aufbaut, scheint ihr total entgangen zu sein.

Sie hat Mann und Kinder, riskiert aber ihre Ehe, weil sie ihren indianischen Wurzeln nachgehen und einem Weißwedelhirsch hinterher hüpfen will. Zumal sie ihrem Ehemann nie erzählt hat, welchen Wurzeln sie entsprungen ist, und der Einfaltspinsel lebt jahrelang neben seiner Frau, ohne auch nur ein Mal darauf zu bestehen, die Wahrheit zu hören. Ach, wie romantisch! Aber es wird ihm ja doch zu blöd, als Diana einfach ein paar Tausend Dollar von seinem Konto abhebt, um in die kanadische Wildnis zu fahren, ohne Rücksicht auf die eigenen Kinder, einfach so zur Selbstfindung.

Mister Sullivan mag noch so flüssig und spannend schreiben können und auch an der Übersetzung von Irmengard Gabler gibt es überhaupt nichts zu meckern, aber bei so viel an den Haaren herbei gezerrtem Schwachsinn, ist es ein richtiges Wunder, dass man den Roman in all seiner Schwarz-Weiß-Malerei mit genügend Spannung in einem Zug lesen kann. Was der Autor zusätzlich an Fakten über die Jagd und über das Leben der Indianer eingebaut hat, interessiert im Endeffekt in dieser Form keinen Menschen und dient im Wesentlichen nur dazu, die geistig verqueren Handlungen der jungen Frau zu rechtfertigen.

Ist die Hauptdarstellerin schon nicht so ganz dicht, so darf man das mit Fug und Recht auch von ihren Jagdbegleitern behaupten, die allesamt zwar Kohle haben, aber ihre Erfüllung im Schuss auf einen mit riesigen Geweihstangen geschmückten Hirsch sehen. Dass dabei auch der Autor prompt ins Werbehorn der Jagdgegner zu stoßen beginnt, darf nicht verwundern, nutzt er doch auch sonst jede Nische, um wenigstens eine ernstgemeinte Aussage in seinem Buch unterzubringen.

Dass der todbringende Gegner der Jäger einen Sprung in der Schüssel hat, versteht sich von selbst, denn wer läuft sonst mit einem Wolfspelz durch den Schnee und schlitzt Menschen auf? Aber die missratene Seele hat natürlich einen Grund, der zwar genauso verrückt ist, wie die restlichen Begründungen für dieses Buch, aber wenn das den Fischer-Taschenbuch-Verlag nicht stört, wird es hoffentlich den Leser auch nicht stören.

Wenn man sich bewusst ist, dass hier schlichtweg Unlogik auf sehr gutem Unterhaltungsniveau präsentiert wird und mancher Leser sicher für die psychologischen Raffinessen einer indianischen Amazone anfällig sein mag, dann bietet sich ein atmosphärisch dichter aber anspruchsloser Lesestoff, der das Zeug dazu hat, wieder ganz oben in den Bestsellerlisten zu landen.

Diese Rezension von Wolfgang Weninger (Wertung: 70°) bezieht sich auf das Buch unter dem Titel "Panic", Fischer-Taschenbuch-Verlag, 2006. Gelesen im Dezember 2006.

Panic (Die Jägerin)

Mark T. Sullivan, Hoffmann & Campe

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