Das goldene Kalb
- Rowohlt
- Erschienen: Januar 2003
- 2
- New York: HarperCollins, 2002, Titel: 'The Wailing Wind', Seiten: 232, Originalsprache
- Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2003, Seiten: 286, Übersetzt: Fried Eickhoff
Unterhaltung auf hohem Niveau
Ein neuer Fall für die Navajo Tribal Police: Officer Bernadette Manuelito wird in die Wüste beordert, um ein scheinbar verlassenes Auto zu untersuchen, doch der Wagen ist nicht leer, sondern sie findet einen Toten darin. Auf den ersten Blick lässt sich keine Fremdeinwirkung feststellen, so dass sie Sanitäter rufen lässt, die den Toten abtransportieren. Da die Pflanzenwelt ihr Hobby ist, sammelt sie ein paar Samen, die sich am Hosenbein der Leiche festgesetzt haben und steckt sie in eine Tabakdose, die sie in der Nähe findet, während sie auf die Ambulanz wartet. Ein folgeschwerer Fehler, wie sich noch herausstellen wird.
Bei dem Toten handelt es sich um Thomas Doherty, den Neffen des verstorbenen früheren Sheriffs. Leider ist er nicht eines natürlichen Todes gestorben, sondern wurde erschossen. Nun hat Jim Chee, der Vorgesetzte von Bernadette, ein Problem: Der Tatort hätte abgesichert werden müssen, so sind eventuell auffindbare Spuren zerstört worden. Die Dose ist außerdem ein Beweisstück. Er bittet seinen alten Kollegen Joe Leaphorn um Rat, der seit einigen Jahren im Ruhestand ist. Dieser ist sowieso an dem Fall interessiert, da ein Zusammenhang mit einem fünf Jahre zurückliegenden Fall besteht: Damals erschoss Wiley Denton jemanden angeblich aus Notwehr, der ihm Informationen über eine Goldmine verkaufen wollte. Dentons junge Frau ist am gleichen Tag verschwunden und seitdem nicht mehr aufgetaucht. Auch Thomas Doherty hatte Unterlagen über diese Goldmine bei sich, die aus dem Besitz des Toten von damals stammten.
Bernadette Manuelito will sich nun rehabilitieren, indem sie den Ort findet, an dem Thomas Doherty tatsächlich erschossen wurde, und dabei können ihr die gesammelten Samen helfen. Aber warum musste Thomas Doherty eigentlich sterben?
Die Krimis von Tony Hillerman sind etwas besonderes, denn nicht ohne Grund wird er der Meister des Ethno-Thrillers genannt. Dabei gibt es gar keinen Thrill, aber der Fall, der zu Beginn an sich nichts herausragendes bietet, kann mit Spannung verfolgt werden. Die Geschichte entwickelt sich wie immer langsam. Tony Hillerman ist es gelungen, hier die Beziehungen der Menschen untereinander zu betonen, die in einem Drama gipfeln, das sich nur schwer begreifen lässt.
Das Besondere an seinen Krimis ist die Schilderung der Ermittlungen. Die Sitten und Gebräuche der Indianer spielen dabei eine große Rolle und werden geschickt in die Handlung eingebunden, wobei die Unterschiede zwischen Weißen und Indianern klar herausgearbeitet werden. Es wird ebenfalls deutlich, dass Verbrechen nur unter Berücksichtigung des Umfeldes aufgeklärt werden können. Insider wie Jim Chee und Joe Leaphorn haben dabei einen Vorteil gegenüber dem FBI, betonen aber, dass sie in der Stadt ebenso hilflos wären wie das FBI in der Wüste. Es ist z.B. unvergleichlich beeindruckend und schon fast subtil, wie Officer Manuelito herausfindet, an welchem Ort genau die Kombination von Pflanzen zu finden ist, die ihre Spuren an der Leiche hinterlassen haben, und damit den Tatort bestimmt oder Jim Chee einen Schamanen befragt, ob sich jemand nach einem Ritual erkundigt hat, das die Seele vom Kontakt mit Toten befreit. Bei der Aufklärung steht keiner der drei Polizisten im Vordergrund, jeder kann seine Fähigkeiten gleichberechtigt einbringen und geht an den Fall anders heran.
Im Stil bleibt der Autor recht nüchtern und dadurch leicht lesbar. Er ist sich darüber bewusst, dass die Story nicht dafür taugt, in epischer Breite dargestellt zu werden und wählt genau die richtige Länge, um dem Leser interessante und trotzdem kurzweilige Unterhaltung zu bieten, die zudem noch aufschlussreiche Details über die Navajo-Indianer bereithält. Unterhaltung auf hohem Niveau!
Tony Hillerman, Rowohlt
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