Potsdamer Platz

  • Maas
  • Erschienen: Januar 2003
  • 9
  • Harpenden: No Exit Press, 2004, Titel: 'Potsdamer Platz', Seiten: 351, Originalsprache
  • Berlin: Maas, 2003, Seiten: 411, Übersetzt: Ango Laina & Angelika Müller
  • München: Heyne, 2005, Seiten: 411
Potsdamer Platz
Potsdamer Platz
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Peter Kümmel
84°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Sehr harte Kost unverblümt erzählt

Der Erzähler der Handlung ist Tony. Tony ist kein Romanheld im eigentlichen Sinne, mit dem man so richtig sympathisiert, mit dem man sich identifizieren kann. Denn Tony ist Profikiller. Doch natürlich auch keine dieser stupiden Killer-Maschinen, denn sonst würde er als Protagonist eines Romans nicht viel hergeben. Zumindest entwickelt er im Verlauf der Handlung auch menschliche Gefühle. Ganz im Gegensatz zu seinem Kollegen Hardy, einem tumben Pädophilen, dem jegliches rationale Denken fremd zu sein scheint und der somit als ständig anwesender Kontrast die Darstellung von Tonys Entwicklung noch verstärkt.

Im Auftrag der "Firma" kommen die beiden 1995 zum ersten Mal in ihrem Leben aus ihrer gewohnten Umgebung von New Jersey raus. Und dann gleich nach Berlin. Eine Stadt, die ihnen absolut fremd ist. Dort sollen sie Kontakt aufnehmen mit dem türkischen Bauunternehmer Yossario und dessen Sohn Vita, deren Familienunternehmen Großaufträge auf der Riesenbaustelle Potsdamer Platz übernommen hat, was der Konkurrenz von der russischen Mafia mißfällt. Nachdem sich Tony und Hardy häuslich eingerichtet haben, fängt sogleich die "Arbeit" für sie an und einige Russen werden niedergemetzelt. Dabei kann natürlich auch die zufällig anwesende 14-jährige Tochter eines russischen Oberbosses nicht verschont werden. Die Leichen werden umgehend beiseite geschafft, so daß nichts an die Öffentlichkeit dringt. Die Russen revanchieren sich daraufhin mit dem Mord an zwei von Vitas Neffen und so ist schnell ein Krieg im Gange.

Als das Ganze eskaliert, schaut schließlich die amerikanische Mafia-Spitze, dabei auch der Boss von Tony und Hardy, Riccardo Montefiore, höchstpersönlich in Berlin nach dem Rechten, um die Kontrolle über die Auseinandersetzung zu behalten. Dabei kommt heraus, dass es ihm gar nicht um die Unterstützung der türkischen Freunde geht, sondern die "Firma" selber die Geschäfte übernehmen will.

Tony und Hardy tun brav ihre Arbeit und befolgen Befehle, bis - ja bis Tony eines Tages anfängt zu denken und er Skrupel bekommt, ob das alles so richtig ist, wenn Unbeteilgte umgebracht werden müssen. Doch wenn er einen Auftrag nicht ordnungsgemäß erledigt, ist das fast gleichbedeutend mit seinem eigenen Todesurteil.

Giovinazzo zeigt ein Bild von Berlin, wie man es nicht oder zumindest nur teilweise kennt und führt uns in die finstersten Ecken von Kreuzberg und auch von Marzahn oder Köpenick. Der Leser wird von Anfang an mit Brutalität und Schrecken konfrontiert und verfolgt das Geschehen quasi durch die Augen des Killers. Und nicht nur das; der Leser darf auch teilhaben an den Gedanken des Mörders. Über die gesamte Handlung hinweg hat der Autor Rückblenden eingeflochten, die Tonys Kindheit und Jugend zeigen, bis er zur Mafia kommt. Dies jedoch nicht in chronologischer Reihenfolge, sondern vollkommen wahllos, so wie Tonys sprunghafte Gedanken. Diese Rückblenden sind oft recht kurz und die einzelnen Episoden scheinbar ohne große Bedeutung, als Ganzes gesehen geben sie doch eine globale Darstellung ab. Auf diese Art setzt sich recht mosaikhaft das Bild des Lebens eines Heranwachsenden zusammen, wie er zum ersten Mal mit Gewalt konfrontiert wird und wie er beginnt, seinen Vater zu hassen, der durch Krankheit der Familie zur Last fällt, so daß es Mutter und Schwester nicht mehr verkraften können und wie er schließlich Kontakt mit kriminellen Kreisen bekommt.

Genauso gut dargestellt ist der Weg zurück. Wie aus dem eiskalten Killer langsam wieder ein denkendes Wesen mit Gefühlen wird. Wie Tony zum ersten Mal daran denkt, wie die Angehörigen der Ermordeten fühlen müssen. Dies klingt natürlich alles beschönigend und darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es doch ziemlich harte Kost ist, was uns Buddy Giovinazzo hier serviert, und das in unverblümter ganz direkter Schreibweise, deren Formulierungen zu Beginn etwas holprig klingen, was sich aber legt, sobald man sich eingelesen hat.

Potsdamer Platz

Buddy Giovinazzo, Maas

Potsdamer Platz

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