Die schwarzen Ränder der Glut
- Libelle
- Erschienen: Januar 2001
- 1
- Lengwil: Libelle, 2001, Seiten: 414, Originalsprache
- München: btb, 2003, Seiten: 412, Originalsprache
- München: btb, 2006, Seiten: 412, Originalsprache
Die Funken entfachen kein Feuer
Ulrich Ritzel hat sich in Windeseile in die Eliteklasse deutscher Krimiautoren geschrieben. Schon sein Debütroman wurde von Kritikern und Publikum gleichermaßen gelobt, mit dem zweiten Roman - bei vielen Autoren erfahrungsgemäß eher der Tiefpunkt einer Schriftstellerkarriere - gewann er den Deutschen Krimipreis und wurde als einer von fünf Romanen für den Glauser-Preis nominiert. 2001 legte Ritzel nach und veröffentlichte mit "Die schwarzen Ränder der Glut" seinen dritten Kriminalroman um den alternden Kommissar Berndorf.
Der kriminalistischen Karriere des Kommissars bei der Polizei in Ulm schlägt schon ganz am Anfang des Buches das letzte Stündchen: Er soll seine Entlassungsurkunde erhalten und will dann in Ruhe sein Dasein als Pensionär genießen. Die Nachricht vom Selbstmord seines ehemaligen Kollegen Troppau und ein an ihn adressierter Abschiedsbrief schrecken Berndorf jedoch noch einmal auf. Er fängt noch einmal Feuer und nimmt die Ermittlungen auf, denn der junge Troppau war 1972 in Berndorfs Einheit, als er einen Unbewaffneten Mann erschoss. In den letzten Jahren seines Lebens suchte Troppau nach den wahren Umständen dieses Einsatzes, schien aber bei seinen Ermittlungen nicht mehr weiter zu kommen.
Berndorf macht sich daran, die Ermittlungen Troppaus weiter zu führen, da auch ihn der misslungene Einsatz von damals sein gesamtes restliches Berufsleben belastet hat. Währenddessen stirbt nahe Ulm der Leiter eines geheimnisvollen Instituts, dessen Sinn und Zweck eigentlich niemand so recht zu erklären weiß. Es zeigt sich, dass eine Person bei beiden Fällen als Randfigur auftritt. Reiner Zufall oder sollte dieser Person eigentlich die Hauptrolle gebühren? Ebenfalls spielt der deutsche Geheimdienst und seine Operationen am Rande der Legalität ein Rolle in diesem Roman.
Ulrich Ritzel verzichtet darauf, seine Figuren gründlich einzuführen. Sie sind einfach da, sie existieren und der Leser begegnet ihnen mit absoluter Unvoreingenommenheit. Das erfordert viel Aufmerksamkeit und die ersten 50 Seiten sind daher schwer und nur mit hoher Konzentration zu bewältigen. Sehr viele Sprünge in der Handlung, ohne die auftretenden Personen dabei in irgendeinen Zusammenhang bringen zu können, kein roter Faden erkennbar. Es wirkt beinah wie einzelne Szenen aus einem Drehbuch. Dann aber verwebt Ritzel die einzelnen Fäden souverän und gekonnt zu einer strammen Kordel. Besonderen Spaß macht es, die bestens gelungenen Gespräche der handelnden Personen nachzulesen. Auch Actionsequenzen sind in hinreichender Anzahl zu finden.
Ritzels Sprache ist gut verständlich und lesbar, ohne dabei einfach oder gar reißerisch zu wirken. Das kritische Thema des Romans, die Verstrickung der Geheimdienste in Terror- und Verbrechensorganisationen vor dem Hintergrund eines Verbotsantrages einer rechten Partei, war bei Veröffentlichung hochaktuell. Für die Aufarbeitung und Recherchearbeit ist Ritzel zu loben. Kritisch zum Rahmen der Handlung anzumerken bleibt jedoch, dass das als große Überraschung aufgebaute Ende - die Wahrheit über einen anonymen Anrufer, der 1972 die Polizei auf eine falsche Fährte geschickt hatte - einem wahren Krimifan schon nach dem ersten Viertel der Handlung offensichtlich erscheinen kann. Auch die Auflösung der Umstände, die zum Tod des Leiters jenes Instituts nahe Ulm führten, kann kein vollends schlüssiges Motiv liefern. Ein Werk mit erzählerischen Stärken, hohem Tempo zu Beginn und leider einem auf den letzten 30 Seiten abflachenden Finale. Ritzels Bücher kann man aufgrund der mit wenigen, simplen Wörtern hervorragend vermittelten Atmosphäre mit Begeisterung lesen. "Die schwarzen Ränder der Glut" ist ein guter, aber eben kein hervorragender Kriminalroman.
Ulrich Ritzel, Libelle
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