Belfast Central
- Morawa
- Erschienen: Januar 2018
- 2
- Wien: Morawa, 2018, Seiten: 532, Originalsprache
Wenn der Kampf schon mit der Geburt beginnt
Der so genannte “Nordirlandkonflikt” ist so kompliziert wie langwierig. In diesem “Roman um Schicksale in Nordirland im 20. Jahrhundert” wird von der Autorin auf zwei Zeitebenen Einblick in diesen Konflikt gegeben. A.K. Amherst beginnt ihre überaus fesselnde Geschichte, die durchaus Anklänge eines Polit-Thrillers hat, mit einer Schießerei am Belfaster Hauptbahnhof. Der Vorfall ereignet sich 1993, also fünf Jahre vor dem Karfreitagsabkommen von 1998. Ryan Goodwin ist ein junger Sanitäter, und wird mit seinem Kollegen zum Bahnhof gerufen. Dort gerät er in eine rätselhafte Schießerei, wird von einem Unbekannten in letzter Sekunde gerettet - und wacht im Krankenhaus wieder auf.
Seine Nachfragen werden von der Polizei konsequent abgeblockt, ihm wird eingeredet, die drei Toten - ein Zivilist und zwei Constables - hätten zur IRA gehört und offenbar im Streit aufeinander geschossen und sich dabei gegenseitig getötet. Ryan glaubt das nicht und beginnt eigene Nachforschungen. Er erinnert sich an einen Mann, der ihm das Leben gerettet hat. Im Zuge seiner Recherchen wird er mit der IRA und ihren Mitgliedern konfrontiert, und lernt - gemeinsam mit dem Leser - viel über den Ursprung der Konflikte.
Rückblicke zeigen die ersten Jahre des langen Konflikts
In vielen Rückblenden in die 1930er Jahre des 20. Jahrhunderts erfährt der Leser einiges über die ersten Jahre des Konflikts um die Provinz Ulster, die nach der Gründung der Republik Irland zum Vereinigten Königreich von Großbritannien und Nordirland gehört. Ihren Rückblick in das Jahr 1932 beginnt Amherst im kleinen Ort Downpatrick, 20 Kilometer südöstlich von Belfast. Dort ist Adam Delaney aufgewachsen. Er ist es, der viele Jahre später Ryan bei der Schießerei im Hauptbahnhof davor bewahrt, auch getötet zu werden, indem er einen der Mörder erschießt, bevor der Ryan umbringen kann.
Der junge Sanitäter und sein Retter sind die Hauptpersonen dieses Romans, und sie repräsentieren verschiedene Epochen der Geschichte von Nordirland.
Adam verweigert zunächst jeden Kontakt zu Ryan, später erzählt er ihm viel aus seiner Lebensgeschichte. Amherst nutzt das geschickt, um den jahrzehntelangen Konflikt zwischen Katholiken und Protestanten, Republikanern und Loyalisten zu erläutern. Offenbar hat die Autorin ausgiebig und gut recherchiert, dem Leser wird hier viel Hintergrundwissen präsentiert.
Adam und Ryan gehören zu verfeindeten Gruppen
Zuweilen fragt man sich als Leser, ob es sich bei “Belfast Central” tatsächlich um einen Thriller handelt. Das Buch beginnt auf jeden Fall mit einer kriminellen Handlung, deren Hintergründe und konkreter Verlauf im Zuge der Handlung immer mehr verdeutlicht werden. Etliche Wendungen sorgen zudem für Überraschungen. Wenn man das Werk als Thriller eingruppieren möchte, ist es - wie bereits erwähnt - auf jeden Fall eher ein politischer Thriller.
Brisanz bekommt die Beziehung und spätere Freundschaft zwischen Ryan und Adam durch ihre Zugehörigkeit zu den verfeindeten Seiten. Als Katholik in Nordirland wurde Adam Delaney in IRA-nahe Kreise hineingeboren und später auch in den Konflikt involviert - obwohl er einen protestantischen Jugendfreund hatte. Ryan Goodwin dagegen ist Protestant und gehört zu den “Orange men”, einer Loyalisten-Organisation, die die IRA bekämpft.
Die beiden Männer reden viel miteinander, entwickeln Verständnis für die Situation des jeweils anderen - und werden auch gemeinsam in einige gefährliche Zwischenfälle verstrickt, die sich zuweilen durchaus lebensgefährlich entwickeln. Am Ende teilen Ryan und Adam ein überraschendes Schicksal.
Fazit:
Der Aufdruck auf der Rückseite des Buchs fasst es gut zusammen: “Ein spannender Roman um Schicksale im Nordirland des 20. Jahrhunderts”. Bei diesen Schicksalen geht es um politische und ganz gewöhnliche Verbrechen. Die Frage, ob Thriller oder nicht, mag jeder Leser für sich selbst beantworten. Die Autorin hat ihr im Selbstverlag erschienenes Buch so eingestuft - und Spannung erzeugt sie allemal genug. “Belfast Central” ist auf jeden Fall hochinteressant für Leser mit politischen und historischen Interessen - fesselnd und lesenswert.
A. K. Amherst, Morawa
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