Feinde
- Heyne
- Erschienen: September 2018
- 6
- München: Heyne, 2018, Seiten: 352, Originalsprache
Wer wissen will, was nach dem Abspann kommt
Es sind Morde, die niemanden interessieren. Zwei Männer aus dem Milieu der Wanderarbeiter werden ermordet, hastig wird eine Mäntelchen eines möglichen Sexualmotivs über die Geschichte gebreitet, und schon hat sich das sprichwörtliche Pack hier eben zu heftig geschlagen und sich dieses Mal nicht wieder vertragen. Das kann passieren, da braucht niemand in Aufregung zu geraten.
Es ist eine kalte Welt, in der der türkische Polizist Can und seine Kollegin Simone ermitteln. Wer zur Aufklärung beitragen könnte, der duckt sich weg und möchte erst gar nicht gefragt werden, und wer doch so dumm ist auszusagen, zieht nur unerwünschtes Interesse auf sich und kann in diesem System nicht geschützt werden.
Zunächst wird nur die Spitze des Eisbergs frei gelegt
Can trifft es dabei besonders hart. Seine letzte Freundin, die unangepasste Marie, hatte sich nach einer kurzen heftigen Liebschaft von ihm getrennt und wurde kurze Zeit später brutal ermordet. Auch hier ist kein Täter zu finden. Sukzessive stellen Can und seine Kollegen Verbindungen zwischen den Morden an den beiden Bulgaren und an Maries Tod her und finden heraus, dass damit offensichtlich nur die Spitze des Eisberges frei gelegt wird, die weit in die Spitzen der Kölner Gesellschaft hinein ragen. Ein Geflecht, das nur schwerlich zu durchdringen ist.
Susanne Saygin schickt ihren Helden im Laufe der Geschichte nicht nur durch ein weitgehend ent-romantisiertes und kaltes Köln, sondern führt ihn auch in den ehemaligen Ostblock. Unterbrochen wird dieser Road-Movie immer wieder durch Erinnerungen des Helden. Dennoch – persönlicher Einsatz, Motivation und auch die alten Träume vergangener Tage können an den verbrecherischen Verflechtungen, in die die Opfer heillos verstrickt sind, nicht viel ändern. Sogar die Helden der Geschichte erfahren, dass sie alle und ausnahmslos ihren Preis haben, und es quasi unmöglich ist, diesen auszuschlagen.
Auflösung eines zerrissenen und gebeutelten Paares
So desillusioniert erwartet der Leser nicht mehr, dass sein Held auf die Siegesstraße einschwenkt, und es ist hier auch nicht abschließend das Lied der Gerechtigkeit, das verkündet wird, sondern die Auflösung eines zerrissenen und gebeutelten Paares. Auch wenn diese Auflösung gelegentlich als konstruiert erscheint und eine überraschende Heldenfigur offensichtlich alles kann und gegen alles gewappnet ist, sei ihr ein gnädiges Ende schon aus Sympathiegründen gegönnt.
Fazit:
Saygin setzt ihre Geschichte dort fort, wo normalerweise sanft ausgeblendet wird und die Gerechtigkeit ihren Lauf nimmt. Ob dieser Punkt hier tatsächlich zutrifft, ist noch nicht einmal explizit niedergeschrieben, aber immerhin wahrscheinlich. Wahrscheinlich ist auch, dass zwei gebeutelte Seelen endlich Ruhe finden. Nicht wahrscheinlich ist, dass sie in dieser Lebenssituation bis ans Ende ihrer Tage ausharren. Aber zwei Treffer von drei angebotenen Optionen ist doch nicht schlecht, und so verlässt der Leser dieses Buch doch längst nicht mit dem trostlosen Gefühl, das zwischen Arbeiterstrich, ehemaligem Ostblock, Ausbeutung von Schwarzarbeitern und schnellem Geld anzunehmen war.
Susanne Saygin, Heyne
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