Escape Room - Nur drei Stunden
- Argon
- Erschienen: Januar 2018
- 1
- London: Orion, 2017, Titel: 'Guess who?', Originalsprache
- Berlin: Argon, 2018, Seiten: 1, Übersetzt: Torben Kessler
Klaustrophobischer Psychothriller
Ein Hotelzimmer, fünf Verdächtige, eine Leiche - und nur drei Stunden Zeit, den Mörder zu finden. Chris McGeorge legt seinen Thriller schon fast klassisch im Stile Agatha Christies an. Nur dass es diesmal keinen Ermittler á la Hercule Poirot oder Miss Marple gibt, sondern einen drogen- und alkoholabhängigen TV-Moderator, der seine Berühmtheit durch die Aufklärung eines Mordfalls im Kindesalter erlangt hat. Nun soll er erneut seine detektivischen Fähigkeiten unter Beweis stellen, indem er den Mord an seinem Psychiater aufklärt.
Die Verdächtigen scheinen alle mit dem Ermordeten in Verbindung zu stehen oder ihn zumindest zu kennen. Wer aber hat ein Motiv, den Psychiater zu töten? In der Enge des Zimmers verdächtigt jeder jeden. Während Misstrauen und Panik unter den Anwesenden zunehmend wachsen, verhört Sheppard die einzelnen Verdächtigen. Dass er gleichzeitig unter dem Entzug von Drogen und Alkohol leidet, macht die Aufklärung des Mordes nicht leichter.
Junger Autor mit großem Potenzial
Chris McGeorge studierte "Creative Writing" an der City University London. Seinen Roman "Escape Room" reichte er als Abschlussarbeit seines Studiums ein. Der Autor ist ein großer Freund von Klassikern wie Agatha Christie und Arthur Conan Doyle. Der Originaltitel "Guess Who" ist sicherlich treffender als der deutsche Titel, da es weniger darum geht, einzelne Rätsel zu lösen, um den Raum verlassen zu können. Vielmehr thematisiert McGeorge die Suche nach dem Täter. Insofern ist es ein klassischer Whodunit-Roman.
Die Liebe des Autors zu den Klassikern der englischen Krimiliteratur spürt man deutlich beim Lesen des Thrillers. Wobei man betonen muss, dass er "lediglich" das Setting klassisch anlegt, während die Figuren mit aktuellen Problemen und ihrem Leben in der modernen Gesellschaft zu kämpfen haben.
Abgehalfterter TV-Moderator mit Drogenproblem
Da wäre zum einen die Hauptfigur Morgan Sheppard. Dank seiner glorreichen Vergangenheit arbeitet er als Moderator für die Vormittagssendung "Ermittler vor Ort". In diesem Format geht es weniger um Kriminalfälle, sondern eher um aktuellen gesellschaftlichen Tratsch, Beziehungsprobleme oder Kleinkriminalität: Erwartet Sängerin X tatsächlich ein Kind von Promi Y? Kann der Diebstahl von Industrie-Kühlanlagen aufgeklärt werden? Hat der Ehemann ein Verhältnis mit der Babysitterin?
So oberflächlich wie die Themen und die Recherche ist auch das Verhalten des Moderators. Einzelschicksale sind ihm gleichgültig. Es geht lediglich um die Einschaltquote. Die Zuschauer bekommen, was sie wollen: Skandale und die "gerechte" Aufdeckung der Fälle durch den "Ermittler" Sheppard, dem man alles glaubt. Dieser hat seine frühe Berühmtheit nie verkraftet. Seine jahrelange Betreuung durch den Psychiater Simon Winter hat ihm wenig geholfen. Sein Leben besteht aus Party, Alkohol und Drogen. Er kennt nur seine Interessen, andere sind ihm gleichgültig.
Verdächtige als Spiegelbild der gesamten Gesellschaft
Die Gefangenen im Hotelzimmer sind typische Vertreter der verschiedenen Gesellschaftsschichten: Da ist zum einen Amanda ("Mandy") Phillips, die in einem Coffeshop arbeitet. Des Weiteren tritt Ryan Quinn auf, der sein Geld als Hotel-Reinigungskraft verdient. Constance Ahearn, eine bekannte Musical- und Theaterschauspielerin, ist ebenso Teil der Verdächtigen wie Alan Hughes, ein renommierter Anwalt, der aktuell an einem wichtigen Fall arbeitet.
Zuletzt zählt Rhona Michel, eine siebzehnjährige Schülerin, zu den Gefangenen. Bei dieser Gruppenkonstellation ist es klar, dass es zu Reibungen und Auseinandersetzungen zwischen den Anwesenden kommen muss. Besonders hier liegt die Stärke des Thrillers: McGeorge versteht es, die Figuren in dieser beängstigenden Situation aufeinander prallen zu lassen. Persönliche Eitelkeiten, Alphatierverhalten, Grüppchenbildung und Nervosität sowie Gereiztheit heizen die explosive Stimmung immer weiter an. Dabei geht es allen letztendlich nur darum, heil aus dem Hotelzimmer zu kommen.
Spiel mit den menschlichen Ängsten
Nicht nur einmal fragt sich der Leser bei der Lektüre des Thrillers, wie er sich in einer solchen Situation verhalten würde: eingesperrt mit fremden Menschen, von denen einer einen Mord begangen hat, die Enge des Zimmers und nicht zuletzt die Angst, nach Ablauf der Zeit zu sterben.
Alle werden vom menschlichen Überlebenstrieb gehetzt, rationales Denken und Verhalten fallen schwer. Die Stimmung im Zimmer wird immer unberechenbarer. Während die einen sich ihrem Schicksal ergeben, versuchen andere mit aller Gewalt den Täter zu finden. Selbst Morgan Sheppard wird zunehmend Hass und Feindschaft entgegen gebracht. Ist er gar selber der Täter?
Kleinere Längen in der Handlung
Bei allen Stärken des Thrillers gibt es aber auch eine Schwäche: die Idee des "Escape Room" trägt sich - auch wenn es immer wieder Rückblenden gibt - nicht über 400 Seiten. Der Thriller hat sicherlich hier und da seine Längen. Dies gilt auch, wenn der Autor in Rückblenden erzählt, welch ein Ekelpaket Sheppard eigentlich ist. Des Weiteren hätten man die einzelnen Figuren noch genauer skizzieren können, dann wäre sicherlich noch einiges an Konfliktpotential mehr möglich gewesen.
Leider bleiben aber alle Figuren neben Sheppard lange Zeit nur Randnotizen. McGeorge bietet hier noch zu wenig psychologischen Tiefgang. Auch das Ende des Thrillers wirkt in der Figurendarstellung nicht unbedingt überzeugend. Ingesamt bietet der Thriller aber, was sich der Leser wünscht: Spannung.
Die Suche nach dem Motiv des Täters
Das Motiv für den Hass, den der Täter Morgan Sheppard gegenüber entwickelt, ist nachvollziehbar und glaubwürdig. Auch die Art der Rache, die der Täter an Sheppard nimmt, indem er ihn mit anderen in einem Hotelzimmer einsperrt und ihn regelrecht vorführt, ist absolut passend. Interessant ist auch die gleichzeitige Suche nach zwei Tätern: Wer hat den Psychiater Winter getötet? Wer hat alle in das Zimmer gesperrt? Oder ist es gar ein und derselbe Täter? Welchen Grund gibt es, den Mörder des Psychiaters mit in das Zimmer zu sperren?
"Escape Room" fesselt den Leser von der ersten Seite an. Auch wenn es - wie beschrieben - vereinzelt Längen gibt und die Idee des Thrillers nicht neu ist, weiß der Roman letztendlich zu überzeugen. Mit "Now you see me" hat McGeorge bereits einen Nachfolgeroman geschrieben: Sechs Stunden durchqueren den Standedge Tunnel, den längsten Kanaltunnel Englands. Nach zweieinhalb Stunden taucht aber nur einer von ihnen bewusstlos im Boot treibend wieder auf. Man darf sich also auf weitere spannende Unterhaltung durch Chris McGeorge freuen.
Chris McGeorge, Argon
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