Arrowood - In den Gassen von London
- HarperCollins
- Erschienen: Januar 2018
- 2
- London: HarperCollins, 2017, Titel: 'Arrowood', Seiten: 361, Originalsprache
- Hamburg: HarperCollins, 2018, Seiten: 432, Übersetzt: Kerstin Fricke
Es klang so spannend und war so langweilig
Vielversprechende Charaktere - mehr aber auch nicht
Arrowood wohnt im Süden Londons hinter einem Puddinggeschäft, er hat nur noch wenige Haare auf "seinem vernarbten unförmigen Schädel", sein Bauch ist zu dick für die Hose und seine Füße zu groß für die Schuhe. Er trinkt zu viel Gin, bezahlt seinen Assistenten schlecht und er hasst Sherlock Holmes. Mit Arrowood hat Mick Finlay einen Charakter erfunden, der sich gewollt wohltuend von dem berühmten Detektiv der Baker Street abgrenzt.
Genauso ist es mit seinem Assistenten Barnett. Anders als Dr. Watson lebt er mit seiner Frau in einem einzigen Zimmer, hat nie genug Geld und ist auf das Wohlwollen seines Brötchengebers angewiesen. Gut ausgedacht, dennoch fehlt etwas. Das Bild will nicht so recht vor dem Auge des Lesers entstehen. Die Beschreibung der beiden bleibt zu sehr an der Oberfläche, die Tiefe in den Charakteren fehlt. Ihre wirklich immensen Probleme werden zwar erwähnt, aber die Auswirkungen auf ihr Leben, die innerlichen Veränderungen nicht wirklich ausgearbeitet.
So sind sie nur zwei armselige Gestalten, die Probleme anderer lösen. Genauso ist es mit den Nebencharakteren. Auch sie bleiben in ihrer Beschreibung stecken. Schade, denn auch sie sind gut ausgedacht, vermitteln das Leben im armen Teil Londons. Mehr Tiefgang hätte aber ein Eintauchen in die persönlichen Beziehungen und die Lebensumstände erlaubt, hätte vielleicht Empathie oder Antipathie für den einen oder anderen entstehen lassen. So aber bleibt der Leser ein Außenstehender, der sich nicht in die Gefühlswelt der Personen versetzen kann und so auch nicht wirklich Anteil nimmt an ihrem Leben während der Ermittlungen.
Eine gelungene Milieubeschreibung
Anders als bei seinen Charakteren schafft es der Autor, das Milieu im Süden Londons aufleben zu lassen. Hier gibt es keine Lords und Ladies, keine Clubs und keinen Afternoon-Tea. Armut, Dreck, Gestank gehören zum Leben der Menschen südlich der Themse. Hier herrscht Enge. Es schlafen schon mal zehn Menschen in einem Raum und der Kampf gegen den Hunger beherrscht das Denken. Prostitution, Kinderarbeit und Kriminalität gehören genauso zum Süden, wie der Schlick der Themse und marode Schlachthäuser.
Immer wieder schildert Finlay die Zustände so genau, dass man sich die Behausungen mit einem Loch statt einer Eingangstür, die Läuse in den Haaren und die schwungvoll auf die Straße geleerten Nachttöpfe gut vorstellen kann. Hier schafft er es den Gegensatz zu dem schicken London von Maifair, Belgravia und auch der Baker Street und Sherlock Holmes bestens auszuarbeiten. Der Leser realisiert sofort, dass die Arbeitsumstände von Arrowood ganz anders sind, als die seines größten Feindes und man ist froh, ihn nur im Buch und nicht auf den Straßen von Blackfriars folgen zu müssen.
Dr. Watson ist doch der bessere Geschichtenschreiber
Ganz nach dem Vorbild von Sir Arthur Conan Doyle lässt Mick Finlay auch den Assistenten die Geschichte erzählen. Aber anders als Dr. Watson schafft es Barnett nicht, den Leser in den Bann zu ziehen. Die Geschichte hat so viel Potential, das nicht ausgeschöpft wurde. Auch der doch flüssige Schreibstil kann dieses Defizit nicht wett machen. Die erhoffte Spannung kommt nie wirklich auf, auch wenn Mord, Einbruch und andere Spannungselemente durchaus vorkommen.
Am Anfang steht die simple Suche nach einem plötzlich spurlos Verschwundenem, dann wird die Sache schon mysteriöser und endet mit der Verwicklung von Staat und High Society in unlautere Machenschaften. Aber, der Weg zum Ziel ist genauso wenig detailliert ausgearbeitet, wie die Charaktere. Es ist unmöglich, die Schwere der Angelegenheit nachzuvollziehen. Zu abstrakt bleibt das Ganze, als dass der Leser mitfiebert und vor Erwartung schneller liest. Lediglich die persönliche Tragödie rund um Caroline Cousture berührt und lässt nicht kalt. Dr. Watson schafft es eben doch die Abenteuer spannender zu präsentieren.
Ein Krimi für zwischendurch
Obwohl Cover und Umschlagtext sehr viel versprechend sind, sollte man nicht zu viel erwarten. Dem Anspruch an dieses Buch wird die heruntererzählte Geschichte nicht gerecht. Es fehlt die fesselnde Spannung, die das Lesen vorantreibt. Auch die teilweise doch sehr brutalen Vorkommnisse sind in dieser Form völlig übertrieben, unnötig und schaden mehr, als dass sie Spannung erzeugen. Dennoch, für einen Krimi zwischendurch reicht es, kann man doch abtauchen in das London von 1895, wenn auch auf die arme Seite der Themse.
Mick Finlay, HarperCollins
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