Töte, was du liebst
- Droemer
- Erschienen: August 2018
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- München: Droemer, 2018, Seiten: 384, Originalsprache
Mordermittlung als psychologische Identitätssuche.
Kommissar Alexander Pustin ist aufgrund eines körperlichen Übergriffs gegen einen Dealer vom Drogendezernat in Göttingen zur Mordkommission nach Hamburg gewechselt, und bekommt es direkt am ersten Tag mit einem Leichenfund am Elbstrand zu tun. Ein Jogger ist dort in der Nacht zuvor erstochen worden. Für die Ermordung des unbescholtenen Familienvaters und Versicherungsangestellten gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte.
Unweit des Tatorts findet Pustin eine tote Katze, die ebenfalls durch einen spitzen Gegenstand gestorben ist und vermuten lässt, dass sie vom gleichen Täter umgebracht wurde. Die Befürchtung, dass dem Mörder das Töten von Katzen nicht mehr ausreicht, bewahrheitet sich schnell. Zwei Nächte später wird im Osten Hamburgs ein Rentner beim Gassigehen mit seinem Hund in einem kleinen Park überfallen. Der zähe alte Mann wehrt sich jedoch erfolgreich gegen den Messerangriff und überlebt. Mit seiner Aussage bekommt der Mörder einen Namen. Er hat sich während des Kampfes selbst Rafael genannt.
Der Kommissar und die Gerichtsmedizinerin
Alexanders Einstieg verläuft nicht sehr harmonisch und das Verhältnis zu den Kollegen ist zunächst angespannt. Dagegen ist er sofort von der Rechtsmedizinerin Dr. Luise Kellermann fasziniert und fühlt sich zu der eigenwilligen Ärztin hingezogen. In ihrer schroffen Art, dem Arztgetue und der vielen Schminke sieht er eine Fassade, hinter der sich ein sensibler, liebevoller Mensch verbirgt. Von solchen romantischen Fantasien will diese natürlich zunächst nichts wissen. Doch Alexander lässt nicht locker und löst bei Luise schon bald eine Veränderung aus, die eine Annäherung der beiden ermöglicht. Luise wagt es auf ihre Maske zu verzichten und bekommt bei einem Tierarztbesuch mit ihrem Kater Sami eine erste positive Resonanz.
Tragischerweise ist der einfühlsame Dr. Haase kurz darauf das nächste Mordopfer. Er wird niedergeschlagen, mit einem Stich ins Herz getötet und in seiner Wohnung aufgefunden. Die Tat trägt erneut die Handschrift von Rafael, erscheint aber nun nicht mehr zufällig, sondern vielmehr kaltblütig geplant.
Rätselraten um eine mörderische Identität
Luise reagiert schockiert und merklich berührt, dass eine ihr vertraute Person ermordet wurde. In den folgenden Tagen fühlt sie sich plötzlich beobachtet und zunehmend selbst bedroht. Alexander geht dem nach und entdeckt vor ihrem Haus tatsächlich Spuren von Rafael. Als er ihn abends vor ihrem Haus dann antrifft und verfolgt, greift dieser ihn an, verletzt ihn und entkommt - am Bein ebenfalls verwundet.
Dass Luise bei ihrer nächsten Begegnung humpelt,weckt ihn Alexander kurzzeitig die Vermutung, sie selbst könnte Rafael sein. Doch ihre Reaktion auf seinen schrecklichen Verdacht lässt ihm den Gedanken völlig absurd erscheinen. Anders als sein Ermittlungspartner, dem er seine Überlegung mitteilt, und der Luise daraufhin verhaften lässt. Neben der Beinverletzung finden sich weitere belastende Indizien.
Luise ist zunehmend verunsichert, da sie selbst nicht weiß, woher die Wunde stammt. Sie kennt diese Zustände, in denen sie sich an Abläufe nicht mehr erinnern kann, seit ihrer Jugend und entscheidet sich dazu, der Ursache nun endgültig auf den Grund zu gehen.
Ermittlungserfolg dank Forensischer Hypnose
Mit Hilfe von Alexander nimmt sie Kontakt zu ihrer früheren Therapeutin auf. Dr. Korváth-Berger versetzt Luise in mehreren Sitzungen in Hypnose. In diesem Trancezustand kommen nach und nach Erinnerungen und Bilder aus ihrer Kindheit hoch. Derart schmerzvolle Erlebnisse, die für sie so unerträglich waren, dass sie sie aus ihrer bewussten Wahrnehmung verdrängt hat. Dabei erinnert sie sich auch an ihren Jugendfreund Stefan Kloppstock und seine selbsterdachte Existenz des unnahbaren Rafaels.
Alexander findet heraus, dass Stefan einst zugegeben hatte, für schreckliche Vorkommnisse in Luises Familie verantwortlich zu sein. Als sich herausstellt, dass Kloppstock aktuell wieder in der Nähe von Luise wohnt, scheint es nicht nur erwiesen, dass er als Rafael wieder in ihr Leben zurückgekehrt ist, sondern damit auch die Identität des Mörders geklärt zu sein. Zudem er als Täter einer Messerattacke auf Dr. Korváth-Berger identifiziert wird.
Die zur Tatzeit inhaftierte Luise ist damit rehabilitiert. Mit ihrer Entlassung geht der Fall in seine dramatische Endphase. Sie verschwindet nach dem Verlassen der Forensik spurlos. In ihrer Wohnung stößt Alexander nur auf ein blutiges Chaos und den getöteten Kater. Alles weist daraufhin, dass Stefan Kloppstock, alias Rafael, Luise in seiner Gewalt hat. Die Suche nach der Entführten beginnt... und auf Alexander wartet die schmerzliche Erkenntnis, dass die Dinge doch nicht so eindeutig sind, wie sie erscheinen.
Therapeut als Autor
Der Autor Christian Kraus ist von Haus aus eigentlich Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und arbeitet heute als Psychotherapeut und -analytiker mit eigener Praxis. Sein beruflicher Background findet Eingang in sein Schreiben. So kombiniert er in seinem Roman die Mordermittlung mit einem kenntnisreichen Krankheitsbild der dissoziativen Identitätsstörung und ihrer Behandlung.
Luise wird dabei zur Tatverdächtigen, die der Leser auf der Suche nach der eigenen Identität begleitet. Passend dazu ist ihre Charakterisierung, als zurückgezogen lebende, essgestörte Frau, die Alexander bei ihrer ersten Begegnung beobachtet, wie sie einen Schmetterling fängt und beinahe zerquetscht. Eine im Raum stehende Gewaltbereitschaft, die als Vorlage um das Rätselraten der möglichen Übereinstimmung Luises mit Rafael dient.
Das Verwirrspiel um die Identität des Mörders erhöht Kraus durch Schilderungen des Täters in seiner Rolle als Rafael und Beschreibungen des eigenen Vorgehens seitens Stefan Kloppstock.
Das liest sich streckenweise durchaus spannend und mitfiebernd, die Handlung wirkt aber insgesamt eher konstruiert und überfrachtet. Die Festnahme Luises, die Beziehung zu Alexander, Alexanders Biographie, die ebenfalls seelische Belastungen aufweist. In einer Nebenhandlung wird von seiner im Koma liegenden Schwester und dem gespannten Verhältnis zu seinen Eltern erzählt. Gleiches gilt für den Text. Relativ flüssig erzählt, erscheinen an vielen Stellen vom Autor gewählte Formulierungen gedrechselt und Sprachfiguren überaus bemüht.
Fazit:
Das Buch ist ein richtiger Psychothriller, der eine schwere seelische Erkrankung in den Focus stellt, und daraus Potenzial für annehmbare Krimispannung schöpft. Das ist legitim. Dass die Krankheit im Rahmen der Geschichte und vor allem durch ihr Ende jedoch zum furchterregenden Faszinosum mutiert, und die Unterhaltung damit auf Kosten von Betroffenen geht und ihnen nicht gerecht wird, allerdings keineswegs. An diesem Punkt hinterlässt das Buch bei seinen Lesern einen unschönen Eindruck.
Christian Kraus, Droemer
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