Eiskalte Freundschaft - Ich werde nie vergessen

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2018
  • 1
  • London: Sphere, 2017, Titel: 'Friend request', Originalsprache
  • München: Blanvalet, 2018, Seiten: 447
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Carola Krauße-Reim
30°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2018

Diesen Thriller können Sie eiskalt vergessen

Luise ist in ihrer Teenie-Zeit steckengeblieben

Auf den ersten Blick scheint Luise mitten im Leben zu stehen. Sie hat die 40 überschritten, arbeitet erfolgreich als Einfrau-Unternehmen, hat einen kleinen Sohn, wuppt den Alltag als Alleinerziehende und hat die Scheidung vor zwei Jahren halbwegs verdaut. Doch Luise hat die Tennie-Zeit nie wirklich hinter sich gelassen.

Mit der Jugendliebe Sam, erst unerreichbar, klappt es nach Jahren dann doch. Sie heiraten, bekommen Sohn Henry und lassen sich nach einer Zeit des Glücks doch scheiden. Die Schulzeit war Thema in ihrer Ehe und wird es jetzt nach der Freundschaftsanfage auf Facebook erst recht.

Aber anstatt die Angelegenheit aus der Sicht einer erwachsenen Frau zu betrachten, verfällt Luise in die Denkweise einer 16-Jährigen. Wer ist mit wem befreundet, was denkt die Jahrgangsschönheit Sophie, wie sehen mich die ehemaligen Klassenkameraden, kann ich mich an die Außenseiterin Esther wenden? Als dann auch noch ein Jahrgangstreffen ansteht, dreht Luise völlig ab und landet endgültig im Jahr 1989.

Die Handlung plätschert dahin, wie ein zugefrorener Bach

Diese nervige Sicht der Dinge macht den Handlungsverlauf zu einer sehr emotionslosen Angelegenheit, wobei Potenzial für Spannung durchaus da gewesen wäre. Schnell wird klar, an dem Abend des Schulabschlusses ist etwas Dramatisches vorgegangen, an dem Luise und ihre Clique beteiligt waren, und das zum Verschwinden der verfemten Maria geführt hat.

Auch die Perspektive der Ich-Erzählerin und der ständige Wechsel zwischen Gegenwart und 1989 hätten die Spannung antreiben können.

Doch genau das Gegenteil ist heraus gekommen. Eine unglaubwürdige Protagonistin erzählt eine Geschichte, die so langsam vorankommt, wie ein zugefrorener Bach. Immer wieder werden Anspielungen auf den Abend der Abschlussfeier gemacht, immer wieder wälzt Luise Gedanken zu ihrer Schuld, aber nichts kommt wirklich in die Gänge, alles wird nur angeschoben, bleibt aber nebulös im Hintergrund.

Das bringt keinen Schwung in die Geschichte, die Ängste der Beteiligten nimmt man bald nur noch emotionslos hin und die unreif handelnde Luise treibt den Leser eher an den Rand der Verzweiflung, als in spannungsbedingte Schweißausbrüche.

Konstruierte Auflösung gibt der Geschichte den Rest

Was dann als Auflösung präsentiert wird, passt zur übrigen Handlung. Natürlich ist der Anfang der ganzen Misere in der Nacht 1989 zu finden, aber was dann tatsächlich passiert ist, erscheint mehr als unwahrscheinlich. Maria, Luise und ihre Clique waren Jugendliche, mit entsprechend geringer Lebenserfahrung, was ihr Handeln am Abend des Abschlussfestes erklärt. Der Horizont eines Menschen sollte sich im Laufe der Jahre jedoch erweitern, so hofft man zumindest.

Die Sicht der Dinge ändert sich, Handlungen in der Vergangenheit könnten neu bewertet werden. Doch Täter und Opfer wurden nie erwachsen, haben nie die Verantwortung für ihr Handeln übernommen und fokusieren ihr ganzes Leben auf diesen einen Abend. Deshalb steckt auch die Lösung in der Tennie-Zeit fest und wirkt konstruiert. Die ominöse Facebook-Anfrage hat dort ihre Wurzeln, die Tat sowieso und der Täter existiert sein ganzes Leben nur unter diesem Schatten. Sehr glaubwürdig ist das nicht.

Social Media - Fluch und Segen zugleich

Die so genannten Sozialen Medien spielen in "Eiskalte Freundschaft" eine gewichtige Rolle. Laura Marshall beschreibt gekonnt, wie einfach es ist, mit ihnen Kontakt zu Freunden und Bekannten zu halten. Aber sie zeigt auch, wo die Gefahren liegen. Schnell und oft unbewusst werden persönliche und manchmal intime Details preisgegeben, die den Nutzer zum gläsernen und angreifbaren Menschen machen.

Mit Sophie hat sie dann auch noch einen Charakter kreeirt, der fast schon zwanghaft sein tägliches Leben postet. Oftmals geschönt wird hier jede noch so unbedeutende Handlung zum Event gepuscht. Ein sensiblerer Umgang mit sozialen Netzwerken und persönlichen Daten scheint der Autorin am Herzen zu liegen, denn Segen und Fluch liegen oft dicht beieinander.

Schreibstil kann das Buch auch nicht mehr retten

Neben der Darstellung der Social-Media-Problematik ist einzig der Schreibstil ein Lichtblick. Flüssig, mit plausiblen Dialogen erzählt Laura Marshall ihre Geschichte und hält so den Leser bei der Stange. Nicht alle Autoren schaffen das in ihrem Erstlingswerk. Doch hier findet man keine ellenlangen Sätze oder zu viele unnötige Erklärungen. Klar, schnörkellos und fließend erzählt die Autorin ihren Thriller. Doch eine gekonnte Präsentation rettet nicht die ansonsten verkorkste Performance.

Die Geschichte hätte so spannend sein können. Mehr Fokus auf die Tat, den Täter, das Opfer, mehr Rätselhaftes und weniger sich im Kreis drehende 40-jährige Teenis - das hätte einen tatsächlichen Thrill aufbauen können und den Leser fortwährend über der Frage "Wer war's, was ist passiert?" grübeln lassen. Aber so kann ich die Lektüre nur Menschen weiterempfehlen, die Bücher als Ersatz für Schlafmittel lesen, denn irgendwann fallen ihnen garantiert die Augen zu.

Eiskalte Freundschaft - Ich werde nie vergessen

Laura Marshall, Blanvalet

Eiskalte Freundschaft - Ich werde nie vergessen

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