Tote Pracht
- Fischer
- Erschienen: Januar 1992
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- New York: Mysterious Press, 1990, Titel: 'Trophies And Dead Things', Seiten: 266, Originalsprache
- Frankfurt am Main: Fischer, 1992, Seiten: 251, Übersetzt: Gabriele Graf
- Frankfurt am Main: Fischer, 1999, Seiten: 251, Übersetzt: Gabriele Graf
- Frankfurt am Main: Fischer, 2015, Seiten: 252, Übersetzt: Gabriele Graf
spannende und kurzweilige Unterhaltung
Die bei der Kanzlei All Souls angestellte Detektivin Sharon McCone hilft ihrem Chef Hank Zahn, die Wohnung eines Mannes auszuräumen, der das vierte Opfer eines Heckenschützen wurde. Beim Zusammenpacken der persönlichen Dinge findet Hank im Gefrierfach ein Testament. Es ist allerdings nicht das Testament, das er vor einigen Jahren für Perry Hilderly aufgesetzt hat, sondern eines, das drei Wochen vor seinem Tod datiert ist. Im Gegensatz zur früheren Fassung vermacht er sein Vermögen (von nicht unbeträchtlicher Größe) nicht mehr seinen Kindern und seiner geschiedenen Frau, sondern vier Personen, die in keinem Zusammenhang untereinander zu stehen scheinen: dem Rechtsanwalt Thomas Grant, der sich darauf spezialisiert hat, Männer bei Scheidungen zu vertreten, der Nachrichtenmoderatorin Jess Goodhue und zwei Menschen, die sich zunächst nicht so leicht auftreiben lassen: Libby Heikkinen und David Arlen Taylor. Der Rechtsanwalt leugnet, die anderen drei zu kennen und will das Erbe ausschlagen. Auch bei Jess Goodhue kommt Sharon nicht weiter, aber der Besuch bei Libby bringt zumindest ein wenig Aufklärung. Sie gibt zwar an, den Rechtsanwalt nicht zu kennen, aber Sharon glaubt ihr nicht. Taylor lebt ganz in ihrer Nähe, zerrüttet von Alkohol und Drogen. Irgendwie scheint ihre Verbindung mit Perry bis zur Studienzeit zurückzugehen, als in Berkeley Proteste gegen den Vietnamkrieg an der Tagesordnung waren. Perry gründete damals eine Vereinigung zur Durchsetzung der freien Meinungsäußerung, zog sich dann irgendwann allerdings aus allem zurück und ging als Reporter nach Vietnam.
Als der Heckenschütze auf einen Freund von Hank schießt, ist für Sharon klar, dass sie nicht nur ihre Ermittlungen bezüglich des geänderten Testaments vorantreiben wird, sondern auch einen Zusammenhang zwischen den Opfern des schießwütigen Verrückten finden muss, denn sie vermutet, dass auch Hank in Gefahr ist.
Im Gegensatz zu Sara Paretskys Detektivin V.I. Warshawski ist Sharon McCone bei einer Kanzlei angestellt, was es ihr erlaubt, ein wenig lässiger mit ihrer Zeit für Nachforschungen umzugehen. Dementsprechend ist das Tempo ein wenig gemächlicher, aber sie ist ebenso effizient. Obwohl beide vom Alter her fast vergleichbar sind, erscheint Marcia Mullers Heldin ein wenig handfester, aber auch jünger, was sicherlich auch daran liegt, dass sie mit ihren Beziehungen in der Vergangenheit kein Glück hatte. Ein genaues Alter wird nicht verraten, aber aus den Angaben lässt sich schließen, dass sie Ende dreißig ist. Ihrer Arbeit geht sie äußerst professionell nach, besonnen und geradlinig.
Marcia Muller schafft es mit ihrem Stil, dass man sogleich vertraut mit der Heldin ist, da sie Sharon selbst erzählen lässt. Somit weiß man auch nie mehr als die Ermittlerin. Alles wird jedoch recht detailreich geschildert, man könnte den Stil fast ein wenig blumig nennen, allerdings nicht zu übertrieben. Nach zwei Seiten Eingewöhnung ist der Lesefluss in Schwung gekommen und problemlos zu bewältigen. "Tote Pracht" bietet spannende und kurzweilige drei Stunden Unterhaltung zu einem Thema, das in Amerika sicherlich eine weitaus größere Bedeutung hat als in Europa. Gerade die Informationen über die Auswirkungen des Vietnamkriegs und die Studentenbewegungen machen die Story so interessant und den Roman ein wenig anspruchsvoller als andere Detektiv-Romane. Im Endeffekt steht die Aufklärung des Verbrechens des Heckenschützen gar nicht im Vordergrund, sondern die Beziehungen der Menschen und die Frage nach Schuld, Verrat und Wiedergutmachung.
Doch sicher ist trotz dieser positiven Betrachtung Sharon McCone nicht jedermanns Geschmack. Man muss schon ein Faible für Serien-Detektivinnen haben. Was sie zudem z.B. von Val Mc Dermids Kate Brannigan unterscheidet ist, dass der Fall weder kurios noch spektakulär ist, gefährliche Situationen gibt es kaum. Insgesamt hat sie doch mehr Ähnlichkeit mit V.I. Warshawski, zumindest was den vorliegenden Roman angeht (im Vergleich mit Sara Paretskys "Ihr wahrer Name", der eine ähnlich komplexe Thematik - die Bewältigung der Vergangenheit - aufweist).
Marcia Muller, Fischer
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