Lügen. Nichts als Lügen

  • Knaur
  • Erschienen: Oktober 2018
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  • München: Knaur, 2018, Seiten: 448, Übersetzt: Heike Reissig & Stefanie Schäfer
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Carola Krauße-Reim
50°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2019

Mehr Familiendrama als Psychothriller

Sophia, eine junge Architektin, wohnt in London. Eines Abends erhält sie einen Anruf ihrer Mutter, die sie eindringlich bittet umgehend nach Hause zu kommen. Doch Sophia kennt ihre willensschwache Mutter, die sie zu gerne wieder unter dem Dach der Familiengärtnerei in Suffolk wüsste und entscheidet erst am nächsten Morgen zu fahren.

Als sie in der einsam gelegenen Gärtnerei ankommt, ist das etwas heruntergekommene Wohnhaus leer, doch im Garten findet Sophia ihren schwer verletzten Vater und ihre Mutter erhängt an einem Baum. Die Polizei geht von Mord mit anschließendem Selbstmord aus, aber Sophia kann das nicht hinnehmen und beginnt nachzuforschen. In der Werkstatt ihres Vaters findet sie Aufzeichnungen ihrer Mutter, die ihr ganzes bisheriges Leben auf den Kopf stellen.

Gut herausgearbeitete Personen

Helen Callaghan schafft es mit wenigen Bemerkungen, die Charaktere der Geschichte lebendig werden zu lassen. Sophia, die taffe Architektin, die froh ist dem einengenden Elternhaus entkommen zu sein und sich nur noch selten dem Sog der heimatlichen Situation aussetzten will, ist bestimmt beispielhaft für viele junge Frauen. Eine Identifikation mit ihr fällt nicht allzu schwer.

Nina, die schwache und willenlose Mutter und Jared, der eigenbrötlerische Vater sind ebenso gut vorstellbar. Die Mitglieder von Morningstar komplettieren die Hauptpersonen und auch hier sind die einzelnen Charaktere gut definiert, sodass man schnell merkt, wie jeder tickt. Gute Voraussetzungen für einen gelungenen Thriller, doch Callaghan hält sich zu lange mit der Vergangenheit auf, wodurch die eigentlichen Ermittlungen in der Gegenwart zu kurz kommen.

Vom Psychothriller zur Familiengeschichte

Der Beginn des Buches ist eines Psychothrillers würdig. Eine Person erhängt, die andere schwer verletzt, beide in einem einsamen Garten ohne erkenntlichen Grund für die Tat. Der Anfang fesselt und lässt auf mehr hoffen. Auch die Erkenntnis, dass Nina, Sophias Mutter, doch noch das lange angekündigte Buch geschrieben hat und die etwas kryptischen Bemerkungen des Verlegers machen neugierig.

Doch, was dann kommt, ist zwar spannend, hat aber mit einem Psychothriller nichts mehr zu tun. Die Geschichte wird durch die Schilderungen aus Ninas Notizbüchern dominiert. Schnell wird klar, dass die Geschehnisse in der Vergangenheit die in der Gegenwart verursacht haben müssen und, es kristallisiert sich auch schnell heraus, wie alles zusammenhängt. So ist die Auflösung dann auch nicht wirklich überraschend und sensationell, sondern mehr eine Bestätigung für das Vermutete.

Einblick in die Welt der Sekten

Mit Ninas Aufzeichnungen beschreibt Callaghan die Sogkraft, die von Sekten ausgehen kann. Wenig selbstbewusste Menschen auf der Suche nach Anschluss und Bestätigung, die, wie Nina, auch noch Geld im Hintergrund aufweisen, können leichte Beute sein. Wie schnell Abhängigkeit entsteht und, wie schwer der Ausstieg sein kann, wird anschaulich beschrieben. Doch mit diesen ausführlichen Schilderungen gibt die Autorin dem aufmerksamen Leser auch genug Details in die Hand, die den wahren Grund für das Desaster im Garten erahnen lassen.

Fazit:

Ja, Lügen.Nichts als Lügenist „unglaublich dicht, unglaublich fesselnd“, wie der Indipendent auf dem Cover verspricht, aber trotzdem kein Thriller. Wenn man sich auf die Familiengeschichte, die den Großteil des Buches einnimmt, einlässt und nicht allzu viel durch Ermittlungen generierte Spannung hofft, ist die Geschichte spannend. Doch von einem Thriller erwarte ich mehr. Mehr Wendungen, mehr Vielschichtigkeit, weniger Vorhersehbares, ganz viel Herzklopfen. Das können auch die nebenbei erwähnten Einbrüche im Haus der Eltern und die eventuelle Observierung Sophias durch Unbekannte nicht wettmachen. Erwarten Sie also nicht zu viel Thriller! Dann finden sie mit  Lügen.Nichts als Lügen ein Buch für ruhige Stunden, in denen man froh ist nicht in die Fänge von dubiosen Menschen geraten zu sein.

Lügen. Nichts als Lügen

Helen Callaghan, Knaur

Lügen. Nichts als Lügen

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