Gehetzt

  • HarperCollins
  • Erschienen: Februar 2019
  • 2
  • New York: Bantam, 2017, Titel: 'The whispering room', Seiten: 448, Originalsprache
  • Hamburg: HarperCollins, 2019, Seiten: 6, Übersetzt: Wulf Bergner
Gehetzt
Gehetzt
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Almut Oetjen
82°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2019

Bruderschaft aus Soziopathen will die Gesellschaft umgestalten

In der Reihe über die FBI-Mitarbeiterin Special Agent Jane Hawk ist >Gehetzt< der zweite Band und die Fortsetzung von >Suizid<. Jane glaubt weiterhin daran, den Ruf ihres toten Mannes wiederherstellen und die Köpfe hinter der ihr unbekannten Organisation mit dem Namen Far Horizons zur Strecke bringen zu können. Ihr Primärziel in >Gehetzt< ist es, den großen Boss David James Michael zu überführen.

Sie bewegt sich im Abseits, um unter dem Radar derer handeln zu können, deren böse Aktivitäten sie offenlegen will. Sie ist, mit wechselnden Identitäten und Fahrzeugen, auf der Flucht und setzt ihren Kampf fort im Glauben daran, dass das Gute letztendlich siegen muss und wird.

Zu diesem Zweck muss sie allerdings einige Hindernisse aus dem Weg räumen. Behilflich ist ihr dabei unter anderem Sheriff Luther Tillman, der in einer Kleinstadt in Minnesota das Selbstmordattentat der bis dahin als freundlich, sozial und harmlos bekannten Lehrerin Cora Gundersun untersuchen will, aber nicht darf. Das FBI übernimmt, weil ein Politiker unter den Toten ist, beseitigt aber nur Spuren.

Beliebte Lehrerin begeht Selbstmordattentat in Kleinstadt

Luther erkennt schnell, dass in dem ihm gebotenen Szenario nicht viel stimmt. Er will herausfinden, was Cora zu dieser Tat getrieben hat. Zu Beginn des Romans war sie ziemlich durcheinander, nicht zuletzt wegen ihres Medikamentencocktails aus Zolmitriptan und Soma, den sie zur Bekämpfung ihrer chronischen Kopfschmerzen nahm. Später stellt sich heraus, dass sie nicht ganz sie selbst war, auf ähnliche Weise wie Janes Mann im ersten Band.

Das Ausmaß des Problems beginnt Luther zu erahnen, als er in dem abgelegenen Erholungsort Iron Furnace in Kentucky auf Jane trifft. Die Einwohner des Ortes machen auf beide einen fremdgesteuerten Eindruck. Indem Jane und Luther das Geheimnis des Ortes aufzudecken versuchen, erfahren sie auch, was es mit dem Flüsterraum auf sich hat, der dem Original den Titel gibt.

Der moralische Kompass wird neu eingenordet

Jane hat erfahren, wie schwierig die Suche nach der Wahrheit in einer Welt ist, die politisch und ökonomisch übermächtige Organisationen wie Far Horizons hervorbringt.

Aber sie fühlt sich nicht mehr in der unangenehmen Lage, gegen einen Feind kämpfen zu wollen, über den sie wenig weiß. Nun verfügt sie über einen Hintergrund, der ihr erlaubt, Dinge zu machen, vor denen sie vor nicht langer Zeit noch zurückgeschreckt wäre. Sie ist nach wie vor auf der Flucht vor den Behörden und spürt, wie ihr moralischer Kompass sich aus einer anfangs unruhigen Position in eine gelassenere bewegt. Gleichwohl ist sie gelegentlich schockiert darüber, was sie denkt, wie sie handelt.

Jane kann gar nicht so paranoid werden, dass sie das Ausmaß der Verschwörung in aller Tragweite und Detailtiefe nachvollziehen könnte. An einer Stelle im Roman zeigt sich, dass sie dies realisiert und sich deshalb selbst dazu auffordert, ihre Paranoia voranzutreiben.

Das Böse ist ständig an der Seite des Guten

Die Bösen (= das Böse) verfügen über unvorstellbare Ressourcen, sind ein Verbund aus Milliardären, hochrangigen Mitarbeitern von FBI, NSA, Justizministerium. Ihnen allen bietet Jane die Stirn. In ihrem Bemühen, die Verschwörung aufzudecken und ihr ein Ende zu bereiten, kommt ihr gelegen, dass sie immer jemanden kennt, der ihr in einer scheinbar aussichtslosen Lage helfen kann. Und sei es nur, um den (vermeintlichen) Oberbösen dazu zu bringen, Suizid zu begehen.

Sie hat Beziehungen zu Menschen, die mit Waffen handeln, mit falschen Pässen, die gestohlene Autos extrem leistungsstark machen, die sich in Behördennetzwerke hacken, Datenbankeinträge synchronisieren können, so dass Janes vielfältige Personaldaten, Führerscheindaten und Kennzeichen plausibel sind. Eigentlich könnte Jane Hawk auch Jane Bourne heißen.

Manchmal hilft ihr jemand nur, weil er oder sie den Lügen in den Medien nicht glaubt, oder aber, wie ein 81-Jähriger, die Aussicht auf ein Abenteuer genießt. Daraus entstehen, für sich genommen, mitunter lustige Szenen.

Die Handlung wird schnell vorangebracht, Koontz arbeitet an manchen Stellen Inhalte aus >Suizid< ein, wodurch eine Verlangsamung erfolgt. Der Effekt besteht vor allem darin, dass man nicht zwingend den ersten Band gelesen haben muss, um mit dem zweiten etwas anfangen zu können. Wer also mit >Gehetzt< in die Reihe einsteigt, kann ihr folgen, vielleicht sogar, ohne diese Verlangsamung wahrzunehmen.

Fazit:

Wie in >Suizid< gibt es auch in >Gehetzt< feinfühlige Beschreibungen von Stimmungen und Orten, von symbolischem Wert. Auf einer anderen Ebene mag man diese Passagen als Gegenstück lesen zur zunehmenden Härte der Hauptfigur.  >Gehetzt< hält durchgehend das Niveau des ersten Bandes und ist somit eine lesenswerte Fortsetzung. Wir sind so nahe an Jane dran, dass wir mit ihr oftmals nicht wissen, was ihre nächste Handlung sein wird. Zwar stellt Koontz, wie bereits beschrieben, sicher, dass neue Leser dem Roman folgen können. Seine ganze Wirkung entfaltet er dennoch nur, wenn man vor der Lektüre den ersten Band gelesen hat.

Nur so ist Janes Entwicklung und sind einige ihrer Motive tatsächlich nachvollziehbar. Man sollte die Reihe auch von Anfang an lesen, weil Koontz eine sehr gute Handlungsentwicklung bietet. Am Ende von >Gehetzt< hat Jane ein paar mehr Antworten auf ihre vielen Fragen und ist mit ihrem Rachevorhaben ein wenig vorangekommen. Einige lose Handlungsfäden hängen in der Luft und warten auf den dritten Band der Reihe, die von ursprünglich drei geplanten Bänden auf aktuell fünf angewachsen ist.

Gehetzt

Dean Koontz, HarperCollins

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