Der Drahtzieher
- HarperCollins
- Erschienen: Oktober 2018
- 1
- New York: HarperCollins, 2017, Titel: 'House of spies', Seiten: 526, Originalsprache
- Köln: Lübbe Audio, 2018, Seiten: 2, Übersetzt: Axel Wostry
Mossad-Legende hat immer noch die Fäden in der Hand
Für einen israelischen Meisterspion ist Gabriel Allon mittlerweile ziemlich alt geworden. Oder er müsste es sein, wenn er nach seiner fiktiven Vita schon dabei war, als der Mossad die Olympia-Attentäter von 1972 gejagt hat. Das ist immerhin 47 Jahre her. Aber so viel dichterische Freiheit muss sein, um eine Figur etwas länger im Spiel zu halten, als es in der Realität vielleicht möglich wäre.
Denn immerhin ist “Der Drahtzieher” bereits der 17. Roman um den Mossad-Altmeister. Bei den Lesern der Krimi-Couch hat er mit seinen stets siegreichen israelischen Spionen durchweg gute Noten eingefahren.
Nach zunächst drei Romanen mit anderen Protagonisten konzentriert sich Daniel Silva seit 18 Jahren auf seine mittlerweile in Ehren ergraute Figur. Vom Einsatz-Agenten, der sich mehrfach nach besonders schlimmen Vorfällen aus dem Geschäft zurückgezogen hat, ist Allon nun endlich auf den Stuhl des Mossad-Direktors gewechselt. Was keineswegs bedeutet, dass er bei neuen Einsätzen nicht doch im Hintergrund dabei ist und für seine eingeschworene Spezial-Truppe die Fäden zieht.
Wer Spionage-Geschichten liebt, wird hier bestens unterhalten
Die Kritik an Silvas Szenarien ist immer die gleiche. Es sei zu sehr Schwarz-Weiß gestrickt, die Israelis seien immer die Guten, und sie würden immer gewinnen. Und so weiter.
Was für ein Unsinn. Bei James Bond waren auch die Briten immer die Guten. Und bei allen ähnlichen Serien sind die Guten immer die, für die der Held kämpft. Tom Clancy hat Jack Ryan auch immer gewinnen lassen. Sonst wäre seine Serie ja zu Ende gewesen. Wer so etwas nicht lesen möchte, ist bei den Gabriel-Allon-Thrillern von Daniel Silva an der völlig falschen Stelle. Wer solchen Spionage- und Action-Geschichten liebt, wird hier allerbestens unterhalten.
Neben viel Action, einigen Elementen von Verschwörungstheorien und auch aktuellen Entwicklungen, die in die fortlaufende Handlung eingebaut werden, faszinieren mich zwei Dinge an der Allon-Serie. Der Held wird immer älter, bleibt sich aber in gewisser Weise selbst treu, und wird doch als Figur weiterentwickelt. Und auch wenn es sich um Fiktion handelt, wirken die sich wandelnden Szenarien auf mich immer wieder plausibel.
Einige Leser haben mit ihrer Kritik schon recht, dass die Handlung in den letzten Romanen meist nach dem gleichen Muster abgelaufen ist. Ein Maulwurf, meist eine Frau, wird mit Hilfe einer Legende - oft aus dem Malerei-Milieu - in Untergrundorganisationen eingeschleust, und dann geht es den Bösen an den Kragen. Da könnte sich Daniel Silva mal etwas neues einfallen lassen. Aber irgendwie ist es auch faszinierend, die bekannten Nebenfiguren wie den spleenigen Londoner Kunsthändler Julian Isherwood immer mal wieder zu erleben. Und dass die alten Mitkämpfer immer zusammen halten, ist ohnehin unabdingbar.
Gegenschläge werden nach langer Vorbereitung gestartet
Nach den Anschlägen, die das Szenario eröffnen, braucht Silva immer einen langen Anlauf, um die Geschichte zu entwickeln. In meinen Augen ist es plausibel, dass die Gegenschläge zunächst durch Ermittlungen, und dann durch lange Vorbereitungen akribisch inszeniert werden müssen. Natürlich klingt es aufregender, wenn einfach ein Befehl gegeben wird, ein paar Kampfflugzeuge aufsteigen, und irgendetwas zerbombt wird. Aber so läuft das in der Welt des Anti-Terrorkampfs und der Spionage eben nicht.
Silvas Bücher sind übrigens in meinen Augen durchaus auch für Einsteiger geeignet. Man muss nicht die ganze Serie gelesen haben, obwohl es für Fans natürlich Teil des Lesevergnügens ist, die Mitkämpfer und Gabriel Allon immer wieder zu erleben. Einige Dialoge sind schon besser zu verstehen, wenn man die gemeinsamen Kämpfe der Vergangenheit kennt.
Nach den Bomben im Londoner Westend nutzt Gabriel Allon seine korsischen Verbindungen, um an
einen Waffenhändler mit Verbindungen zum Islamischen Staat heran zu kommen. Christopher Keller, inzwischen Mitarbeiter des MI 6, muss dafür sogar töten. Die Briten bitten den Mossad - in Person des neuen Direktors Gabriel Allon - wieder einmal um Mithilfe, aber auch die CIA ist mit im Boot. Eine komplizierte Legende wird aufgebaut, und sogar Nathalie Mizrahi reaktiviert, die ihren Einsatz im Herzen des Kalifats (“Die Attentäterin”) noch nicht völlig verarbeitet hat.
Saladin, so wird in dieser Roman-Reihe der Chefstratege des IS genannt, ist überaus vorsichtig und misstrauisch. Der Plan, ihm eine Falle zu stellen, droht mehrfach zu scheitern. Aber dann kommt es im marokkanischen Atlas-Gebirge doch zum Showdown.
Fazit:
Es bleibt dabei - man mag diese Thriller-Reihe, und ist immer wieder fasziniert von den Szenarien und Protagonisten. Oder eben nicht. In meinen Augen versteht es Daniel Silva bestens, die Figuren so weiter zu entwickeln, dass der Leser das Gefühl hat, sie durch ihr Leben und ihren Kampf gegen unversöhnliche Feinde zu begleiten. Der älter werdende Spitzen-Agent Allon ist nun im Büro des Direktors gelandet, ein erster Schritt zum Wandel dieser Roman-Reihe getan. Es wird spannend sein, zu beobachten, wie sich das ganze Gefüge in der Welt der mit dem Mossad befreundeten Geheimdienste weiter entwickelt. Daniel Silva, erfahrener Journalist und Autor, hat hier wieder gut recherchiert und einen spannenden Roman konstruiert. Wenn er die zweifellos sichtbaren Ermüdungserscheinungen überwindet, wird er das hohe Unterhaltungsniveau seiner Reihe noch einige Zeit halten können. Wenn im Herbst “Der russische Spion” erscheint, wird das nächste Kapitel aufgeschlagen.
Daniel Silva, HarperCollins
Deine Meinung zu »Der Drahtzieher«
Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!