Eichengrund

  • Gmeiner
  • Erschienen: Januar 2018
  • 2
  • Meßkirch: Gmeiner, 2018, Seiten: 343, Originalsprache
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Thomas Gisbertz
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2018

Leichte Krimikost à la Miss Marple

Zwei Leichen in einer Seniorenresidenz: Das kann für Charlotte Stern kein Zufall sein. Nachdem Herr Kleiber angeblich im Bad ausrutschte und durch den Sturz gegen den Waschbeckenrand einen Genickbruch erlitt, findet man den zweiten Toten mit schweren Kopfverletzungen am Fuße einer Treppe. Für die Polizei gibt es aber keine Hinweise auf ein Fremdverschulden. Seit der Eröffnung der Seniorenwohnanlage vor zwei Jahren erfreuen sich deren Bewohner bester Gesundheit - und jetzt plötzlich gibt es zwei Todesfälle in kürzester Zeit. Da kann etwas nicht stimmen! Charlottes Instinkt ist geweckt und sie zieht zwecks Ermittlungen für drei Wochen nach "Eichengrund".

Die rüstige Pensionärin ist aber beileibe kein Ermittlungsanfänger. Im vergangenen Jahr konnte die Polizei dank ihrer Hilfe bereits einen Kindermörder verhaften.

In der Residenz freundet sich Charlotte schnell mit den Mitgliedern einer "Kaffee- und Kuchenrunde" an, die sich jeden Tag in einem gemütlichen Kreis im Wintergarten treffen. Charlotte nutzt die Gelegenheit, um durch die Bewohner an Informationen zu gelangen. Als sie plötzlich der ehemaligen weltbekannten Opernsängerin Christa Bernhardt zu Hilfe eilen muss und ihr das Leben rettet, kann sie noch nicht ahnen, dass man die Diva am nächsten Morgen tot auffinden wird. Wer steckt nur hinter all den Morden? Charlotte weiß, dass sie sich beeilen muss, bevor ein weiterer Mord geschieht.

Sympathische und schrullige Figuren

Claudia Rimkus zeichnet fast ausnahmslos unterhaltsame, teilweise auch skurrile Figuren. Besonders in den Vordergrund rückt sie dabei den "Kuchenclub". Zu dieser Runde gehören Conrad, Ende 60, Diplom-Meterologe und Genussmensch, Anneliese, Mitte 60, ehemalige Sozialpädagogin, und von allen nur Strick-Liesel genannt, Albert, Ende 70 und General a.D., Frau Seegers, Mitte 70 und völlig schweigsam sowie Philipp, Professor der forensischen Psychologie und Krimiautor. Jeden Tag muss einer von ihnen Kuchen und Kaffee für die Runde besorgen, während man über die Mitbewohner und Geschehnisse in der Residenz spricht und tratscht.

Des Weiteren gibt es noch Herrn Pippich, der vor allem den Pflegerinnen der Residenz hinterher jagt und nicht mit Anzüglichkeiten spart, Frau Ritter, eine dement wirkende ältere Dame, die ständig ihren Mann Hugo sucht, Onno van Kleist, Anwalt zahlreicher Bewohner von "Eichengrund" sowie die alternde Operndiva Christa Bernhard. Bei diesem großen Kabinett an schrulligen und auch eigenwilligen Figuren fällt Marion Fischer, die Leiterin des Hauses, mit ihrer einfachen, aber zuvorkommenden Art schon fast aus der Rolle. Man merkt bereits an der Figurendarstellung: Leserinnen und Leser ab 60 Jahren wird der Roman sicherlich besonders zusagen, geht es doch nicht nur um den Kriminalfall, sondern auch um die Wehwehchen und besonders die Liebe im Alter.

Ruhiger, aber insgesamt unterhaltsamer Krimi

Wer einen spannenden, nervenaufreibenden Roman erwartet, liegt mit "Eichengrund" falsch. Die Handlung erinnert eher an Fernsehreihen wie "Agathe kann's nicht lassen" bzw. "Adelheid und ihre Mörder" oder Kriminalromane à la Miss Marple, diesmal aber in 2.0, da Charlotte beweist, dass auch eine Pensionärin Ahnung von Internet, E-Mail und Co. haben kann. Auch dass die Hauptfigur - stößt sie an ihre ermittlungstechnischen Grenzen - immer noch einen Kommissar oder Gerichtsmediziner in der Hinterhand hat, der ihr bei der Aufklärung des Verbrechers helfen kann, ist keine neue Idee. Das kennt man zu genüge. Und dennoch: Claudia Rimkus' Figuren sind liebenswert und es wird insgesamt nicht langweilig.

Der Roman hat aber sicherlich auch hier und da seine Längen. Ist es anfänglich noch interessant, über das tägliche Treffen des "Sixty-Somethings-Club" mit Kaffe und Kuchen zu lesen, denkt man sich mit zunehmender Länge dann doch immer häufiger "Och nö, nicht schon wieder!" Wobei man der Autorin zu Gute halten muss, dass auch diese Gruppe und ihre Mitglieder immer wieder für die eine oder andere Überraschung sorgen.

Letztendlich ist die Handlung aber nicht immer bis ins Letzte glaubwürdig und realistisch, wenn Charlotte zum Beispiel die Polizei auf einen simplen Ermittlungsfehler bei einem früheren Tod hinweisen muss und dadurch tatsächlich der Fall neu aufgerollt wird. Auch wenn Charlotte einen Wagen, bei dem die Bremsleitungen versagen, mit ihrem Auto stoppt, in dem sie sich davor setzt und beide Fahrzeuge langsam herunterbremst (Sie konnte das, weil sie es schon einmal im Fernsehen gesehen hat!), wirkt leider etwas übertrieben und fraglich.

Man hat an solchen Stellen innerhalb des Romans das Gefühl, dass die Autorin zeigen möchte, dass auch Menschen mit 60+ noch Helden sein können. Dabei passen gerade diese Actionszenen nicht zu dieser Art von Roman, die eher durch ihre Figurendarstellung überzeugt. Auch wirkt die Handlung ab und an etwas konstruiert und die Autorin spielt etwas zu sehr mit Überraschungen und Zufällen. Dies gilt besonders für den Schluss, wenn sich die Ereignisse überschlagen. Hier wäre vielleicht weniger etwas mehr gewesen. Interessant ist allerdings die "politische" Vorgeschichte, die letztendlich zu den Taten führt. Hieraus hätte die Autorin aber sicherlich deutlich mehr machen können.

Kriminalroman für Nostalgiker

Dass die Reihe um Charlotte Stern und den "Kuchenclub" fortgesetzt wird, steht sicherlich schon fest. Darauf weist nicht nur der Umstand hin, dass die gesamte Runde aus der Residenz zu Philipp ins Haus zieht und dort eine Wohngemeinschaft gründet. Darauf dürfen sich Liebhaber dieses Krimis sicherlich schon jetzt freuen.

"Eichengrund" ist ein Roman, der den Lesern traditioneller Krimis wie denen von Agatha Christie, Martha Grimes oder Ann Granger gefallen wird. Hier geht es in erster Linie nicht um den Fall, sondern die Figuren. Unaufgeregte, aber unterhaltsame Lektüre für zwischendurch.

Eichengrund

Claudia Rimkus, Gmeiner

Eichengrund

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