Finale

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2018
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  • Frederiksberg: 2 Feet, 2011, Titel: 'Alt det hun ville ønske hun ikke forstod ', Originalsprache
  • München: Heyne, 2018, Seiten: 240, Übersetzt: Wolfgang Thon
Finale
Finale
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Kirsten Kohlbrei
30°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2018

Snuff-Szenario jenseits der Schmerzgrenze

Irgendwo in Dänemark beginnt an einer Tankstelle am Rande einer Schnellstraße für Agnes und Belinda die Nachtschicht. Es verspricht ein ruhiger Abend für die jungen Frauen zu werden, denn Dänemark spielt im WM-Finale und es herrscht kaum Verkehr. Große Sympathie zwischen den Kolleginnen gibt es nicht, vielleicht liegt das an ihrem sozialen Background: sie "entstammen zwei unterschiedlichen Welten, zwei unterschiedlichen Kulturen, auch wenn sie beide in Dänemark geboren wurden und dänische Eltern haben."

Agnes studiert Anthropologie und schreibt gerade an ihrer Magisterarbeit über Buschmänner in Botswana. Ihr Freund Benjamin ist Arzt und hofft auf eine Stelle am Staatskrankenhaus. Belinda ist erst 21, sonnenstudiogebräunt mit blondiertem Haar. Sie ist mit Christoffer zusammen, der sich wegen der "Abklatschfilme" auf seinem Handy eine Bewährungsstrafe eingehandelt hat.

Der Abend startet wie erwartet geruhsam. Agnes nutzt die Zeit und arbeitet am Laptop, Belinda simst und kümmert sich vor Langeweile um das Auffüllen der Regale im Tankstellenshop. Doch dann wird diese Ruhe durch bedrohlich wirkende Ereignisse schleichend untergraben.

Unheimliche Zwischenfälle an der einsamen Tankstelle

Als erstes fällt Belinda die Luftpumpe auf, die auf merkwürdige Weise plötzlich zwischen den Zapfsäulen steht, obwohl sie eigentlich niemand benutzt haben kann.

Kurz darauf verunsichern zwei junge Kunden die beiden. Der eine filmt Agnes ohne Zustimmung mit seiner neuen Kamera und Belinda meint auf der Rückbank des Autos dieser "Psychos" eine gefesselte Frau entdeckt, zu haben. Als der BMW kurze Zeit später erneut auftaucht, befürchten die Frauen sogar einen Überfall.

Aber letztlich vermisst nur einer der Männer seine Kreditkarte und auch die Gefangene gibt es nicht wirklich, bzw. entlarvt sich als Liebespuppe, ein Geschenk für einen Kumpel. Die zunächst grenzenlose Erleichterung der Mitarbeiterinnen hält jedoch nicht lange an.

Die wiederholt verstellte Luftpumpe auf dem verwaisten Tankstellengelände bleibt weiter ungeklärt und Belinda fühlt sich beobachtet. Und dann entdecken sie plötzlich, wie von Geisterhand in roter Farbe an die Wand der Waschanlage die Worte "Heute Nacht werdet ihr sterben!" geschrieben.

Die Beklemmung der Frauen schlägt in Panik um. Die Situation wird noch verwirrender, als Christoffer in diesem Moment überraschend auftaucht. Während sie nach Erklärungen und Auswegen suchen, fährt ein Wagen auf die Tankstelle und hält außerhalb ihres Sichtfelds auf der Rückseite des Gebäudes. Agnes gelingt es noch Benjamin anzurufen und bittet ihn, vorbeizukommen. Dann können Belinda und sie "beide das unverkennbare Geräusch einer Autotür hören, die hinter der Tankstelle geöffnet wird." Der Auftakt zu einer Nacht des Grauens.

Debüt eines dänischen Horrorautors

Steen Langstrup ist ein in Dänemark seit Jahren bekannter Horrorautor, den der Heyne-Verlag jetzt mit "Finale" als deutscher Erstveröffentlichung auf den Markt bringt. Mit angefügt sind noch zwei Bonus-Storys, so dass der eigentliche Text keine 200 Seiten umfasst.

Die dänische Erstausgabe erschien schon 2011 und wurde dort als "Best Horror Novel of the Year" ausgezeichnet". Eine Verfilmung ist für dieses Jahr angekündigt. An Vorschusslorbeeren mangelt es also wahrlich nicht.

Langstrup gliedert seine Geschichte in kurze Kapitel, die zumindest im deutschen Layout mit einem prägnanten Zitat aus dem jeweiligen Abschnitt überschrieben werden. Zum Einstieg beschreibt er die Situation eines, in einem kellerartigen Raum gefangenen Paares.

Dann kombiniert er geschickt Darstellungen dieser Gefangenschaft mit ausführlicheren Rückblenden, die erklären, wie es zu dieser Zwangslage gekommen ist. In ihnen werden die Protagonisten der Erzählung näher vorgestellt und die bisherigen Ereignisse geschildert.

Im letzten Teil des Buches laufen die Erzählstränge dann zusammen und die Handlung spielt ausschließlich in der Gegenwart. Durch die einfließenden Erklärungen wird bald deutlich, dass es sich bei den Gefangenen um Agnes und Benjamin handelt und zudem auch Belinda festgehalten wird. Dem Leser ist somit von Beginn an klar, dass die Nachtschicht für die Schicksalsgemeinschaft der beiden Tankstellen-Mitarbeiterinnen in keinem Fall glimpflich verlaufen wird.

Sie werden sich vielmehr in einer Hölle auf Erden wiederfinden, in der sie die Hauptdarsteller eines Live-Snuff-Schauspiels sind. Die übrige Besetzung erfolgt mit einem Horrorclown als Peiniger und schwerreichen Gaffern, die auf einen Emotionskick gieren, als Publikum dabei relativ stereotyp. Auch eine charakterliche Veränderung, die Agnes und Belinda in Folge ihrer Pein durchleben, ist klischeehaft und wird nur angerissen.

Grausames und menschenverachtendes Schauspiel

Die Abscheulichkeiten seines Kabinettstücks der Perversion beschreibt der Autor dagegen in grausamen Details aufs Genaueste. Den sadistischen Methoden ihrer Folterknechte hilflos ausgeliefert müssen die jungen Leute grenzenlose Qualen und Schmerzen ertragen, bis sich in einem blutigen Showdown Opfer- und Täterrolle verschieben. Doch das ist dann noch nicht das Ende. Das Finale sieht anders aus.

Der deutsche Titel "Finale" bezieht sich zum einen auf das Ende der Schreckensnacht, zum anderen auf das am Abend stattfindende Endspiel mit dänischer Beteiligung. Näheres dazu erfährt man nicht, eine Fußball-WM kann es eigentlich nicht sein, denn da stand Dänemark nie in einem Finale.

Das ganze Geschehen mit den menschenleeren Straßen hat von Anfang an etwas unwirkliches, gespenstisches und Langstrup gelingt es auch im weiteren Verlauf der Geschichte, eine Atmosphäre der Spannung und des Unbehagens zu erzeugen.

Er liefert mit seinem Thriller Horrorliteratur pur. Gemäß Definition lotet das Genre die Grenzen menschlichen Handelns und Erlebens aus. Die Abgründe der Seele werden erkundet. In der Theorie fällt dann oft das Wort Katharsis, d.h. durch die Konfrontation mit seinen Gefühlen soll der Leser eine psychische Reinigung erleben.

Blut statt Benzin, Schmerz statt Sprit

Inwieweit das bei einem Splattertext wie diesem funktionieren kann, erschließt sich mir beim Lesen allerdings nicht. Splatter, das ist eine Kategorie des Horrors, bei der die Darstellung von exzessiver Gewalt und Blut an erster Stelle steht.

Bleiben wir mit "panta rhei", alles fließt, in der griechischen Terminologie.

Bei Langstrup fließt nach Benzin an der Zapfsäule vor allem Blut, viel Blut, literweise.

Seine verbale Bebilderung der Torturen, die Agnes und Belinda erleiden müssen, sind nur schwer zu ertragen. Wobei sie eher einem Unterhaltungseffekt geschuldet erscheinen, als dem Verständnis der menschlichen Gefühlswelt. Man wird zum Voyeur einer menschenverachtenden Brutalität und damit Teil des Snuffpublikums. Und diese Rolle möchte ich als Leser definitiv nicht übernehmen.

Lieb Die Liebhaber von Horror und Splatter mögen für sich entscheiden, ob der Debütant aus Dänemark ihren persönlichen Anforderungen entspricht. Für alle anderen, insbesondere die zart besaitete Leserschaft gilt Vorsicht oder lieber gleich: Finger weg.

Finale

Steen Langstrup, Heyne

Finale

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