Reue

  • Gmeiner
  • Erschienen: Januar 2018
  • 0
  • Meßkirch: Gmeiner, 2018, Seiten: 247, Originalsprache
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Birgit Stöckel
77°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2018

Eine Frau, zwei Männer und ein Toter

"Reue" von Sascha Berst-Frediani ist ein Spannungsroman, der seine Leser gespalten zurück lässt. Der Plot ist durch den Klappentext ausreichend skizziert. Es geht um eine Dreiecksgeschichte zwischen einer Frau, ihrem Ehemann und ihrem Liebhaber in einem kleinen Dorf in Deutschland an deren Ende es einen Toten gibt.

Die Figurenzeichnung dürfte für viele Leser bereits problematisch sein. Keiner der Protagonisten ist wirklich sympathisch und eignet sich damit als Identifikationsfigur. Sabine, die untreue Ehefrau, ist als einzige zumindest widersprüchlich gezeichnet: Einerseits ist sie eine selbstbewusste junge Frau, die in ihrem Beruf Ehrgeiz entwickelt und weiterkommen möchte. Sie steht auf eigenen Beinen und ist finanziell unabhängig.

Doch trotzdem ist sie in überholten Konventionen verhaftet, was ihre Einstellung zur Ehe und Beziehung sowie ihrer Meinung zum Fremdgehen angeht. Während andere Frauen Flittchen sind, wenn sie ihren Mann betrügen, ist das bei ihr natürlich etwas völlig anderes. Ihre Rechtfertigungsversuche sind sogar ganz amüsant zu lesen. Leider wird dieser Widerspruch nicht wirklich aufgelöst, Sabine wird diese Entscheidung abgenommen und letztlich bleibt ihr nur der passive Part, in dem sie reagieren muss auf das, was um sie herum passiert.

Zudem verspielt sie vermutlich die wenigen Sympathien, die sie bekommen könnte, durch ihr aufreizendes Verhalten, mit dem sie versucht, für sich Vorteile zu schaffen. Sei es in der Bank, um einen Revisor zu besänftigen, oder bei einer Fortbildung, um den Dozenten zu bezirzen. Ihr Aussehen und ein extra geöffneter Knopf an der Bluse bringen sie dahin, wohin sie will. Und die Männer können ihr natürlich nicht widerstehen.

Wenige Sympathieträger - dafür viele Klischees

Auch die anderen Figuren sind zum Großteil Unsympathen und dazu noch überwiegend klischeehaft gezeichnet. Sabines Mann Dieter ist Soldat, grob, ungeschlacht, allenfalls durchschnittlich intelligent, latent ausländerfeindlich, hat ein Alkoholproblem und ist sexistisch. Während er sich fröhlich durch das Angebot des örtlichen Bordells in der Nähe seiner Kaserne vögelt, ist allein die Vorstellung, dass seine Frau sich auch außerehelichen Spaß gönnen könnte, für ihn ein absolut unverzeihlicher Affront.

Thomas, Sabines Liebhaber, ist ein typischer Junge vom Dorf, unerfahren und vollkommen überwältigt von seiner ersten großen Liebe. Das führt dazu, dass er sich zu einer eifersüchtigen Klette entwickelt, die Sabine wenig Luft zum atmen lässt. Mag dieses Verhalten in Anbetracht seines Alters auch nachvollziehbar sein, so dürfte er doch gerade bei weiblichen Lesern nicht unbedingt zum Traummann avancieren.

Auch eine der Nebenfiguren, eine Kollegin Sabines, ist das wandelnde Klischee einer männerhassenden Frau. Unzweifelhaft gibt es solche Menschen, das soll nicht bestritten werden. Klischees haben ja schließlich ihren Ursprung, aber in dieser geballten Form ist es dann doch zu viel des Guten.

Lediglich zwei der Nebenfiguren können bezüglich der Sympathie punkten.

Kraftvolle Sprache und starke Emotionen

Berst-Frediani zeigt allerdings mit diesem Buch auch, dass eine Geschichte ohne Sympathieträger trotzdem funktionieren kann.

Die Spannung wird von Anfang an aufgebaut, da das Buch mit einer Verhaftung beginnt. Dabei geht zwar schon hervor, wer sicher das Ende der Geschichte erleben wird, doch wer von den anderen beiden das Opfer wird und wer letztendlich der Täter ist, bleibt noch offen.

Anschließend wird sozusagen die Vorgeschichte zu dieser Verhaftung erzählt, aus wechselnden Perspektiven, die einem die Sicht der verschiedenen Figuren nahe bringen. Eingestreut sind auch immer wieder Szenen vom Verhör des Täters, die sehr gut gelungen und teilweise humorvoll sind.

Trotz der fehlenden Sympathieträger weckt die Geschichte Emotionen beim Leser und zwar die ganze Bandbreite von Liebe, Glück, Unsicherheit, Zweifel, Angst, Wut, Enttäuschung, Hass. Das gelingt wahrlich nicht jedem Autor.

Auch sprachlich weiß Sascha Berst-Frediani zu überzeugen. Je nach Perspektive ändert sich die Sprache, bei Sabines Mann Dieter ist sie zum Beispiel sehr knapp, einfach und teilweise so grob wie der Protagonist. In anderen Abschnitten ist sie weicher, passender zu den Gefühlen der dort handelnden Personen.

"Reue" ist kein Buch, dass leicht begeistert, dass aber viel Tiefgang aufweist und zum Nachdenken über eigene und fremde Verhaltensweisen anregt und Emotionen wecken kann, wenn man sich denn drauf einlässt. Wie sehr man sich an Figurenzeichnung und Klischees stört, muss letztlich jeder Leser für sich selber rausfinden - am besten, indem er dem Buch eine Chance gibt.

Reue

Sascha Berst-Frediani, Gmeiner

Reue

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